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Nummer 92799 und die anderen

Ende April 1945 starben 36 KZ-Häftlinge in der Lommatzscher Pflege – einem Schicksal gingen Jugendliche nach.

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Ernst Gladtke war Teppichverkäufer in Berlin. Dort am 1. September 1894 geboren, heiratete er 1924. Mit seiner Frau Margot hatte er die Töchter Ursula und Ellen, die 1939 mit Kindertransporten nach Großbritannien verschickt wurden. Als Juden wurden Margot und Ernst Gladtke ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Während die Mädchen und Ehefrau Margot die Nazi-Diktatur überlebten, führte Ernst Gladtkes Leidensweg über das Konzentrationslager Auschwitz in das Konzentrationslager Buchenwald, Außenstelle Leipzig-Taucha. Ende April 1945 ging er mit anderen Häftlingen auf einen Todesmarsch, der ihn bis in die Lommatzscher Pflege führte. In einer Sandgrube nahe Roitzsch starb er an Erschöpfung. Das alles fanden Lommatzscher Konfirmanden in ihrem Projekt „Zeitensprünge“ der Stiftung Demokratische Jugend heraus. Hier ein Einblick.

So wie bei Ernst Gladtke, links im Bild, ist es gelungen, die Nummern weiterer elf Häftlinge, die 1945 exhumiert (Foto rechts) und auf dem Friedhof Dörschnitz bestattet worden waren, mit Namen zu versehen. Für sie sollen nun Grabsteine in Dörschnitz aufge
So wie bei Ernst Gladtke, links im Bild, ist es gelungen, die Nummern weiterer elf Häftlinge, die 1945 exhumiert (Foto rechts) und auf dem Friedhof Dörschnitz bestattet worden waren, mit Namen zu versehen. Für sie sollen nun Grabsteine in Dörschnitz aufge
So wie bei Ernst Gladtke, links im Bild, ist es gelungen, die Nummern weiterer elf Häftlinge, die 1945 exhumiert (Foto rechts) und auf dem Friedhof Dörschnitz bestattet worden waren, mit Namen zu versehen. Für sie sollen nun Grabsteine in Dörschnitz aufge
So wie bei Ernst Gladtke, links im Bild, ist es gelungen, die Nummern weiterer elf Häftlinge, die 1945 exhumiert (Foto rechts) und auf dem Friedhof Dörschnitz bestattet worden waren, mit Namen zu versehen. Für sie sollen nun Grabsteine in Dörschnitz aufge

Aus Margot Gladtkes Erinnerungen

1939: Einige Wochen später kam die Nachricht, dass unsere Mädels für den Kindertransport nach England vorgesehen sind und man möchte Geburtsschein und Impfschein vorlegen. Ich gab dieses Schreiben meinem Mann zu lesen, der lange darauf starrte und sagte: „Ich glaube, dass es das Schicksal will und dass es das Beste für die Kinder ist.“ So wurden sie im Alter von 13 und 10 Jahren auf den Bahnhof gebracht.

Es war Winter 1942/43. ... Frau Major Ramin hatte uns ein paar Würstchen gebracht und ich kochte eine Kartoffelsuppe. Ich wartete auf meinen Mann, damit wir dieses lukullische Mal genießen konnten. Doch er kam nicht. Nach stundenlangem Warten entschloss ich mich, hinunter mit dem Fahrstuhl zu fahren, um bei einem Mischehepaar, wo der Mann Jude war und auf einem Bau arbeiten musste, zu erfahren, ob er heimgekommen sei. Dort erfuhr ich nun zu meinem Entsetzen, dass alle Juden von den Arbeitsstätten abgeholt worden waren, um ins Lager transportiert zu werden. Diese Leute hatten auch noch ein Radio, während wir alle elektrischen Geräte, Schreibmaschinen, Fahrräder und Silbersachen ohne Bezahlung hatten abliefern müssen. So hatte sie von dieser Grossaktion gehört.

Am 18. März 1943 kamen Margot und Ernst Gladtke in Theresienstadt an: Mein Mann und ich wurden getrennt. Wir sahen uns dann nur manchmal auf der Straße, oder wir konnten auch einmal zusammen auf einer Bank sitzen und hielten uns bei der Hand. Mein Mann sagte jedes Mal, wenn wir uns trafen: „Gott, bin ich dir dankbar, dass du die Kinder weggeschickt hast.“

Am 28. 9. 1944 wird Ernst Gladtke ins KZ Auschwitz verlegt, dazu heißt es in „Zeitensprünge“: Man kann davon ausgehen, dass Herr Gladtke nur zehn Tage im Vernichtungslager Auschwitz gewesen ist. Dort hat dann die sogenannte Selektion stattgefunden. Arbeitsfähig eingestufte Männer wurden dann in KZ-Außenstellen zur Zwangsarbeit eingeteilt. Herr Gladtke kam über das KZ Buchenwald, wo er seine Häftlingsnummer 92799 bekam, in die Außenstelle nach Taucha bei Leipzig. Von dort ging Ende April 1945 ein Marsch der Häftlinge Richtung Theresienstadt.

Zeitzeugenbefragung Konrad Hänsel, Jahrgang 1930, aus Zöthain. Es war vormittags gegen 11 Uhr. Melder gingen durchs Dorf Zöthain und befahlen den Anwohnern Tor, Tür und Fenster zu schließen. Es wurde befohlen, keine Lebensmittel an den Rand des Grundstücks und der Straße zu legen. Es näherte sich ein Zug von KZ-Häftlingen. Der Zug hatte die Länge von ungefähr 400  m von der Brücke bis zum letzten Haus des Dorfes. Die Häftlinge gingen in Dreierreihen und wurden vom deutschen Militär begleitet.

Bekanntmachung in der „Volksstimme“ Meißen vom 25. Juni 1945: Die Ausgrabung und Beisetzung der in den Dörfern Wölkisch, Klappendorf, Dörschnitz und Roitzsch gefundenen Leichen der durch Genickschuss ermordeten KZ-Häftlinge findet am Sonntag, dem 1. Juli, statt. Alle Angehörigen der ehemaligen NSDAP, SS, SA, Frauenschaft und des BDM in einem Umkreis von 10 km der genannten Dörfer haben sich zu der Ausgrabung bei den Bürgermeistern früh, 7 Uhr, zu melden. Im Weigerungsfalle findet schwerste Bestrafung statt. Die Ausgrabung der KZ-Häftlinge wird durch besonders ausgesuchte Funktionäre und Propagandisten der Nazi-Bewegung vorgenommen. Die Bevölkerung wird gebeten, sich an den Ausgrabungsstellen einzufinden, um sich durch eigene Inaugenscheinnahme von den Bestialitäten des Nazi-Regimes zu überzeugen. Die Beisetzung der von der SS hingemordeten Opfer findet am 1. Juli gegen 2 Uhr auf dem Friedhof von Dörschnitz statt.