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Neue Landschaftspfleger für die Skala

Wölfe hatten in der Georgewitzer Skala jüngst fünf Ziegen gerissen. Als neue Naturschützer kommen nun Thüringer Waldziegen.

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© www.foto-sampedro.de

Von Markus van Appeldorn

Beinahe wäre es um sie geschehen gewesen. Von einst Zehntausenden Thüringer Waldziegen waren in den 80ern nurmehr 120 Tiere übrig geblieben. Mittlerweile haben sich die Zuchtbestände etwas erholt – bedroht ist die Rasse aber immer noch. Und ein paar Thüringer Waldziegen werden demnächst mithelfen, eine andere bedrohte Schönheit zu retten: die Georgewitzer Skala. Seit Jahren wuchert der beliebte Wanderweg durch das Tal des Löbauer Wassers zu. Der Wald verbuscht. Und wo einst Auenlichtungen waren, machen sich immer mehr Schadpflanzen wie der Japanische Staudenknöterich breit, der heimische Pflanzen verdrängt, weil er ihnen das Licht zum Wachsen nimmt.

Bernd Engelmann, einstiger Betreiber des früheren Ausflugslokals „Gemauerte Mühle“ will den Wildwuchs in der Georgewitzer Skala eindämmen – und zwar auf ökologisch korrekte Weise. Dafür hat er sich eine kleine Ziegenherde angeschafft. Die sollen im Wald das wegfressen, was da nicht hingehört. Doch nun ist dieses Naturschutzprojekt gefährdet. Innerhalb von nur zwei Wochen rissen Wölfe bei Engelmann fünf Tiere und dezimierten seine Herde stark. Der rettende Anruf erreichte Engelmann nun aus Bertsdorf-Hörnitz. Dort betreibt Agnes Mocha die Ziegenkäserei am Breiteberg. Sie hat in der SZ von Engelmanns Schicksal gelesen und will ihm nun helfen. „Wir werden uns in den nächsten Tagen treffen und ich werde ihm wahrscheinlich fünf Tiere überlassen. Er hat früher schon einmal einen Bock bei mir geholt“, sagt sie.

Kaum eine Rasse sei nämlich als Landschaftsschützer so geeignet wie die Thüringer Waldziege. „Das sind richtige Heckenscheren. Die klettern auch in die Bäume rauf“, erzählt Agnes Mocha. Der Landesverband der Thüringer Ziegenzüchter hebt diese Eigenschaften besonders hervor. Sie sei eine Alternative zum Maschineneinsatz in Naturschutzgebieten und wegen ihres besonderen Futterspektrums besonders dort nützlich, wo die Verbuschung eines Standorts droht, heißt es auf der Internetseite des Verbandes.

Agnes Mocha und ihr Mann betreiben auf ihrem gut 200 Jahre alten Hof in Bertsdorf eine Arche Noah für die selten gewordenen Thüringer Waldziege. 2013 kamen die beiden studierten Agraringenieure mit fünf Ziegen nach Bertsdorf Hörnitz mit dem Plan, eine Käserei zu gründen. Bis dahin hatten die beiden gar keinen Bezug zur Oberlausitz. Agnes Mocha stammt aus Andechs in Oberbayern, ihr Mann aus dem Hunsrück. „Es gab im Westen damals keine Möglichkeit, an einen landwirtschaftlichen Betrieb zu kommen, wenn man ihn nicht geerbt hat. Hier gab es Land und Hof“, sagt sie. Sie hat den Schritt nie bereut. „Es ist schön hier. Und es gibt hier keine Vorurteile gegen Ziegenmilchprodukte wie im Westen“, sagt sie. Im Gegenteil. Viele Menschen hier seien mit der Ziegenhaltung aufgewachsen. Gut zwei Tonnen Käseprodukte verkauft sie jährlich in ihrem Hofladen und auf dem Zittauer Wochenmarkt. „Wir sind wahrscheinlich die kleinste Käserei Sachsens“, sagt Agnes Mocha.

Die Angst vor dem Wolf hat auch ihr in der jüngsten Zeit zu schaffen gemacht. „Früher habe ich sie nachts hier hinterm Hof weiden lassen“, erzählt sie. Das wage sie jetzt nicht mehr. Sie hat aber eine sichere Alternative gefunden. „Im Sommer haben sie den Park der Schlossbrauerei Neu-Hörnitz gepflegt. Der ist mit einer Mauer umgeben“, sagt sie. „Ich habe ja keine Lust, hier meinen kostbaren Bock dem Wolf zum Fraß vorzuwerfen“, sagt sie. Denn die Böcke sind unersetzlich für den Erhalt der Rasse. „Es gibt von den Thüringer Waldziegen nur noch vier Blutlinien“, sagt sie. Sterben die Böcke auch nur einer Blutlinie aus, gefährdet das den Bestand der gesamten Rasse. „Man muss als Züchter dafür sorgen, dass frisches Blut in die Herde kommt, um Inzuchtschäden zu verhindern“, erklärt Agnes Mocha. Das seien etwa verkümmerte Hinterläufe oder gar Unfruchtbarkeit.

Sie hofft, dass die Ziegen natürlich auch in der Georgewitzer Skala nicht den Wölfen zum Opfer fallen. Aber Bernd Engelmann hat gegen den wilden Räuber aufgerüstet. „Ich habe einen Wolfsschutzzaun bestellt“, sagt er. Und seine Ziegen haben sich auch schon auf die Gefahr eingestellt. „Die laufen mittlerweile von ganz alleine in den Stall, wenn es Nacht wird.“ Er freut sich über die Verstärkung mit tierischen Spezialisten für sein Naturschutzprojekt. „Meine Ziegen haben schon ganze Arbeit geleistet und schon viele unerwünschte Triebe im Wald weggefressen“, sagt er. Aber das reiche natürlich noch nicht aus. Man könne dem Wildwuchs in der Georgewitzer Skala schließlich nicht mit Gift zu Leibe rücken und für Menschen, die da mit Motorsensen durchgehen, fehlen auch die Mittel. „Mit den Ziegen versetzen wir die Landschaft wieder in ihren ursprünglichen Zustand“, sagt Engelmann.