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Neuanfang im Neukircher Schullandheim

Wo vor Kurzem noch junge Asylbewerber gelebt haben, machen wieder Schüler Urlaub. Diese können selbst planen.

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© Steffen Unger

Von David Berndt

Neukirch. Es duftet nach frischer Farbe, im Aufenthaltsraum stehen Stühle in einer Ecke und in den Fluren stapelt sich Bettwäsche. Mitarbeiter des Schullandheims Neukirch wuseln durch die Zimmer, tragen Möbel, putzen, sortieren Dinge aus – und halten immer wieder inne, um in Erinnerungen an die vergangenen rund zweieinhalb Jahre zu schwelgen, in denen sie hier unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut haben. Geblieben sind davon englisch-arabische Hinweisschilder für den Fall eines Brandes sowie Fotos, Zeichnungen oder Karten von den vielen Jungs, auf denen sie eingezeichnet haben, woher sie stammen: Kandahar, Aleppo oder Hagaz. Die künftigen Gäste werden wohl eher aus Kemnitz, Arnsdorf oder Horka kommen. Die ersten jungen Asylbewerber sind im April, die letzten am 1. August ausgezogen, und seit dem 1. September sind das Gebäude und das Grundstück zwischen der Wilthener und der Oststraße wieder das, was sie vorher waren: ein Schullandheim, betrieben vom Bautzener Verein Schullandheime auf Grundlage eines Erbpachtvertrages mit dem Landkreis Bautzen.

Das Schullandheim in Neukirch. Bis vor Kurzem haben dort noch junge Asylbewerber gewohnt.
Das Schullandheim in Neukirch. Bis vor Kurzem haben dort noch junge Asylbewerber gewohnt. © Steffen Unger
Ein Schild aus längst vergangenen Tagen. Früher war in dem Gebäude die Fichteschule untergebracht.
Ein Schild aus längst vergangenen Tagen. Früher war in dem Gebäude die Fichteschule untergebracht. © Steffen Unger
Blick in eines der Zimmer. Die Räume wurden renoviert und müssen noch fertig eingerichtet werden.
Blick in eines der Zimmer. Die Räume wurden renoviert und müssen noch fertig eingerichtet werden. © Steffen Unger

Dem geschäftsführenden Vorsitzenden Andreas Stelzmann und seinen Mitarbeitern ist dieser Wechsel nicht leicht gefallen. „Der Abschied und der Auszug in mehreren Etappen waren auf beiden Seiten mit vielen Emotionen verbunden. Wir haben hier schöne Zeiten erlebt und alle haben voneinander gelernt.“ Nachdem der Landkreis mitgeteilt hat, die Unterkunft nicht mehr für die Unterbringung von jungen Asylbewerbern zu benötigen, habe der Verein überlegt, wie es weitergehen kann. „Wir haben entschieden, das Haus wieder als Schullandheim zu nutzen, und es ist ein Neuanfang“, sagt Andreas Stelzmann.

Gesunde Ernährung und Natur

Durch Förder- und eigene Gelder in Höhe von 56 000 Euro konnte der Schullandheime e. V. Handwerker aus der Region beauftragen, die Flure und Zimmer zu streichen, die Fußböden neu zu belegen, neue Gästetoiletten einzubauen oder alte Deckenleuchten durch Spots zu ersetzen. Dazu kommt der Kauf neuer Matratzen, neuen Bettzeugs, neuer Möbel, neuen Geschirrs und neuer Spiel- und Sportgeräte für drinnen und draußen. Dinge, die unabhängig von der Unterbringung der jungen Flüchtlinge notwendig gewesen wären, sagen die Mitarbeiter. Noch ist nicht alles fertig und manches wird noch geliefert. Ein wenig Zeit bleibt. Am 19. September kommen die ersten Gäste.

Neben der Modernisierung und den Neuanschaffungen wird es neue Angebote geben, für die Nicole Friesel als neue Leiterin des Schullandheims verantwortlich ist. „Wir wollen in den Herbstferien mit dem Feel-good-Camp den Kindern mehr Verantwortung übertragen und die fünf Sinne schärfen.“ Die 10- bis 15-Jährigen sollen ihre Ferienwoche selbst gestalten. „Für jeden Tag erstellen wir gemeinsam eine Planung, sodass die Kinder und Jugendlichen motivierter bei der Sache sind, als wenn man ihnen alles vorsetzt.“ Gesunde Ernährung und die Natur sollen dabei zentrale Rollen spielen: durch den hauseigenen Kräutergarten, Naturerfahrungsspiele im Wald, die Zubereitung von Kräuterbutter, Gesichtsmasken, Tee oder Salbeibonbons. Daneben bietet das Naturschutzzentrum Neukirch an, das Wasser der Wesenitz zu untersuchen oder Papier zu schöpfen. Gäste des Schullandheims können auch töpfern, Traumfänger basteln, T-Shirts gestalten, Seife gießen oder Ausflüge nach Bautzen und in die Umgebung Neukirchs machen.

44 Betten zur Verfügung

Das Heim steht aber nicht nur für Ferienlager und Klassenfahrten zur Verfügung. Hier können genauso gut Vereine oder Familien für Seminare, Ausflüge oder Feiern beherbergt werden. Es gibt Mehrbettzimmer verschiedener Größe, eine große und eine kleine Küche sowie drei Aufenthaltsräume. Denise Yücel ist für die Buchungen zuständig und hat für 2019 schon die ersten Gäste eingetragen. „Es gab auch schon Anfragen von Neukirchern, etwa für Silvester. Wer eine große Familie oder viele Freunde hat, braucht schließlich Platz und genug Schlafplätze.“ 44 Betten stehen zur Verfügung. Dazu könnte man noch ein paar Aufbettungen für Kleinkinder unterbringen. Auch im Gastgeberverzeichnis auf der Gemeindehomepage ist das Schullandheim verzeichnet. Das Haus ist in einem sehr guten Zustand, was auch mit den Flüchtlingen zu tun hat, sagt Andreas Stelzmann. „Durch die Unterbringung der jungen Asylbewerber haben wir vom Freistaat Sachsen 400 000 Euro bekommen und von dem Geld die Fassade und das Dach saniert sowie neue sanitäre Anlagen auf jeder Etage eingebaut. Vorher musste man zum Duschen in den Keller gehen.“

Wer sich das alles vor Ort anschauen möchte, ist zum Tag der offenen Tür am 20. Oktober eingeladen. Der Verein freut sich auf viele Gäste. Ob auch Bürgermeister Jens Zeiler kommt, wird sich zeigen. Andreas Stelzmann habe ihn vor zwei Monaten darüber informiert, dass es in Neukirch bald wieder ein Schullandheim geben wird. „Bislang hat er nicht geantwortet“, so Stelzmann. Auf SZ-Anfrage teilt der Bürgermeister mit, dass sich die Gemeinde freue, „dass dem Namen Schullandheim wieder Rechnung getragen wird.“

Schullandheim Neukirch/Lausitz, Wilthener Straße 55, 01904 Neukirch/Lausitz; Tag der offenen Tür am 20. Oktober, 11 bis 15 Uhr

www.schullandheime.de