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Natur in Aufruhr

Bienen fliegen wie im Frühling und viele Zugvögel sind noch da: Der milde November hat seine Auswirkungen in der Görlitzer Region.

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© nikolaischmidt.de

Von Susanne Sodan

Eigentlich sollte es um diese Zeit ruhiger sein im Garten von Silke Naumann, Görlitzer Zahnärztin im Ruhestand und Hobby-Imkerin. Aber wenn dieser Tage die Sonne ausreichend scheint – dann fliegen ihre Bienen aus. Viele Imker erzählen, dass die Bienen dieses Jahr noch immer aktiv sind. Nicht nur auf sie hat das derzeit milde Novemberwetter Einfluss.

Wie sich das Wetter auf die Tiere auswirkt

Vögel: Die einen bleiben zu lange, die anderen lassen auf sich warten


Ende voriger Woche entdeckten Ornithologen auf einer Exkursion am Berzdorfer See einen Mauersegler. Das ist nun erst mal nicht sehr spektakulär. Aber ein Mauersegler im November, das sei schon außergewöhnlich, sagt der Görlitzer Ornithologe Markus Ritz, Mauersegler gehören zu den Zugvögeln, die eigentlich zeitig gen Süden aufbrechen. Am Vogelzug merke man den milden Herbst auf jeden Fall, sagt Ritz. Einerseits seien viele Zugvögel noch da, auf der anderen Seite sind viele Wintergäste aus dem hohen Norden noch nicht eingetroffen, Bergenten und Samtenten zum Beispiel. Diese Wintergäste machen sich aus Skandinavien oder dem weiter östlich gelegenen Nordeuropa auf den Weg, wenn dort die Temperaturen fallen. Am Berzdorfer See jedenfalls sind noch nicht viele eingetroffen. Andersrum sind viele Laubsänger noch da. Ob das Folgen für die Vögel haben wird, komme auf die weitere Wetterentwicklung an, erklärt Ritz. Kritisch kann es bei einem plötzlichen, europaweiten Kälteeinbruch werden. Wenn die Vögel von jetzt auf gleich nicht mehr genug Nahrung auf ihrer Reise südwärts finden. Verschiebt sich dagegen ein gemächlicher Wintereinbruch einfach nach hinten, sieht Markus Ritz weniger Probleme.

Bienen: Auf Pollensuche statt in der Winterkugel


In der kalten Jahreszeit überwintern die Bienen in ihren Stöcken in einer Wintertraube – und produzieren Wärme durch ihren Flügelschlag. Normalerweise. Derzeit fliegen sie aber noch immer aus, um Nektar und Pollen zu sammeln, zum Beispiel auf Feldern, falls dort noch eine Zwischenfrucht blüht. Ob das positiv oder negativ ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mehrere Hobby-Imker erklären es so: Die frühlingshaften Temperaturen können die Königin anregen, Eier zu legen. Wenn die Brut beginnt, sind die Bienen sozusagen in der Zwickmühle: Einerseits sollen die Larven großgezogen werden. Kommt dann aber ein plötzlicher Kälteeinbruch, müssen die Bienen heizen. Das sei die eigentliche Aufgabe der Winterbiene: Sie soll die Königin und sich selbst wärmen, erklärt Jens Schröter, Hobby-Imker aus Schlauroth. Eine weitere Brutpflege zu starten, raube dafür viel Energie, „und hat keine Aussicht auf Erfolg“. Sven Büchner, Biologe aus Markersdorf, sieht aber auch positive Aspekte. Die Bienen haben noch die Möglichkeit, sich ein Pollen-Nektar-Zusatzbrot für den Winter zu holen, „man muss dann möglicherweise auch nicht so viel einfüttern“. Und: Eine besonders lange Winterruhe sei auch nicht gut. Je länger der Winter, desto höher die Belastung für die Kotblase der Bienen.

Igel: Die wollen nur fressen

Jetzt noch aktive Igel zu sehen, ist keine Besonderheit, erklärt Michael Striese vom Ehrenamtlichen Naturschutz im Kreis Görlitz. Die Jungigel, geboren im Juli oder August, sind im September aus dem Nest gekommen. Sie brauchen jetzt noch Nahrung, um die Speckreserven für den Winter aufzubauen. Füttern braucht man sie derzeit nicht unbedingt. Wer das trotzdem gerne tun will, sollte keinesfalls zu Milch greifen, lieber zu Katzentrockenfutter, sagt Michael Striese. Bisher haben die vergleichsweise hohen Temperaturen keine negativen Auswirkungen auf die Igel. Ungünstig wäre es aber, wenn der gesamte Winter sehr mild bleiben würde. Je höher die Außentemperatur, umso aktiver bleibt der Stoffwechsel, „die Igel würden also mehr Energie verheizen als vorgesehen“.

Pflanzen: Wie ein zweiter Frühling

Bei Antje Scholz in der Kleingartenanlage am Flugplatz sind noch so manche Schönheiten zu sehen. Die Rosen treiben immer noch Blüten, die Astern sehen noch gut aus. In der Annahme, dass es schneller stärker abkühlen würde, hatte Antje Scholz in ihrem Garten auch bereits Frühjahrsblüher gesteckt. Die sind direkt aufgegangen, erzählt sie. Aufsehen hatte kürzlich die Kastanie auf dem Reichenbacher Markt gesorgt, als sie ein zweites Mal blühte – während auch die Kastanien hingen. Das mag interessant anzusehen sein, gesund sei es für den Baum aber nicht, sondern Stressreaktion auf die Klimaauffälligkeiten dieses Jahr, hatte Volker Kurz vom BUND erklärt.

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