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Nachwuchs in 18 Wolfsrudeln

Das Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ führt die offizielle Statistik für den Freistaat und benennt neue Rudel.

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© dpa

Von Uwe Schulz und Steffen Gerhardt

Die Debatte um die Ausbreitung der Wölfe ist aufgeheizt. Das Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ berichtet als offizielle Informationsstelle zum Thema Wolf vom Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (Smul) weiter regelmäßig über neue Erkenntnisse aus dem Wolfsmonitoring und dem damit verbundenen Wissensstand zu den Wolfsterritorien in Sachsen. Im Monitoringjahr 2017/2018 gab es demnach in Sachsen 22 bestätigte Wolfsterritorien. Davon liegen 19 Territorien ganz im Freistaat Sachsen und drei Territorien sind grenzübergreifend: eines zu Brandenburg, eines zu Sachsen-Anhalt und ein weiteres zur Tschechischen Republik. Sieben weitere Wolfsterritorien haben nur einen kleinen Teil ihres Gebietes auf sächsischer Seite und werden daher in den Nachbarländern mitgezählt.

Wolfsvorkommen in Sachsen (Stand Oktober 2018). Die Darstellung der Territorien ist schematisch. Tatsächlich grenzen die einzelnen Territorien überall aneinander oder überlappen sich teilweise. Schraffiert gekennzeichnet ist das Gebiet Laußnitzer Heide, i
Wolfsvorkommen in Sachsen (Stand Oktober 2018). Die Darstellung der Territorien ist schematisch. Tatsächlich grenzen die einzelnen Territorien überall aneinander oder überlappen sich teilweise. Schraffiert gekennzeichnet ist das Gebiet Laußnitzer Heide, i © Grafik: Lupus

Doppelreproduktion bei Daubitzern
Die Auswertung der genetischen Daten in Kombination mit Fotobelegen lieferte auch andere interessante Ergebnisse in bereits bekannten Rudeln, wie im Daubitzer und Milkeler Rudel. In beiden Territorien kam es zu Doppelreproduktionen, das heißt, es haben sich jeweils mehr als nur ein Wolfspaar innerhalb dieser Territorien fortgepflanzt. Im Daubitzer Rudel konnte über Fotofallen der Nachweis erbracht werden, dass es im Sommer 2017 zwei säugende Fähen und zwei markierende Rüden gab. Die genetischen Analysen bestätigten nun die aus den Vorjahren bekannten Eltern als eines der beiden Paare.

Im Milkeler Rudel konnte dagegen über Fotofallenbilder neben dem aus den Vorjahren bekannten Paar auch eine junge Fähe mit Gesäuge bestätigt werden. Genetische Ergebnisse zeigten, dass sich zwei Töchter des Paares im Gebiet fortgepflanzt hatten. Das alte Paar war dagegen zwar im Fotofallen-Monitoring sehr präsent, aber nicht mehr im Reproduktionsgeschehen.

Neue Rudel in Sachsen
Im letzten Monitoringjahr 2017/2018 wurden im Freistaat Sachsen 18 Rudel und vier Paare nachgewiesen, davon sind neue Vorkommen die Paare Delitzsch, Dübener Heide und Großhennersdorf. Hinzu kommt das Knappenrode II-Rudel, dessen Existenz erst durch die Auswertung aller genetischen Daten deutlich wurde. Die am 10. Juni 2018 tot im Restloch Mortka gefundene Jährlingsfähe kann diesem Rudel zugeordnet werden. Sie wurde bereits im November 2017 im Raum Knappenrode genetisch bestätigt, wie es vom Kontaktbüro heißt. Das Knappenrode II-Rudel wird damit auch rückwirkend für das Monitoringjahr 2016/2017 als Paar gezählt. Zur besseren Unterscheidung wird es nun offiziell Knappenrode/Seenland-Rudel genannt.

Während das neue Paar in der Dübener Heide (Landkreis Nordsachsen) bereits im Winter 2017/2018 durch das Monitoring als Paar bestätigt werden konnte, gelang für die Paare bei Großhennersdorf (LK Görlitz) und Delitzsch (LK Nordsachsen) die Bestätigung des Status erst rückwirkend, weil der Nachweis von Welpen in diesen Territorien im Sommer 2018 erfolgte. Für das Paar im Raum Delitzsch war zunächst auch noch unklar, ob es ein eigenständiges Vorkommen ist. Das Vorkommen in der Königsbrücker Heide ist dagegen schon lange bekannt. In den vergangenen Jahren wurde es stets als Rudel eingestuft. Aus dem Monitoringjahr 2017/18 wurden allerdings nie mehr als zwei Wölfe zusammen und keine Reproduktion nachgewiesen. Daher wurde dieses Vorkommen als Paar eingestuft.

Im Monitoringjahr 2017/18 konnten außerdem in vier Territorien Rudel festgestellt werden, welche im Jahr zuvor (2016/17) als Paare geführt wurden (Cunewalde, Dahlener Heide, Hohwald, Stolpen/Hohnstein). Im Rahmen des Wolfsmonitorings werden die erhobenen Daten jährlich basierend auf dem Monitoringjahr, nicht anlehnend an das Kalenderjahr, zusammenfassend ausgewertet. Das Monitoringjahr läuft jeweils vom 1. Mai eines Jahres bis zum 30. April des darauffolgenden Jahres. Der Zeitabschnitt umfasst ein biologisches „Wolfsjahr“ von der Geburt der Welpen bis zum Ende des ersten Lebensjahres.

68 neue Welpen
Im aktuell laufenden Monitoringjahr 2018/2019 konnte bisher in 18 Rudeln der Nachweis von Reproduktion durch Aufnahmen von Welpen oder einer Fähe mit Gesäuge erbracht werden. Auf diese Weise erlangte man Hinweise auf mindestens 68 Welpen. Wie viele von diesen das erste Jahr überleben, ist aber unklar.

Tote Wölfe
In Sachsen wurden 2018 bisher 14 Totfunde gemeldet. In zwei dieser Fälle waren die Tiere infolge eines Verkehrsunfalles so schwer verletzt, dass sie von einem Veterinär eingeschläfert werden mussten. Dies betraf am 24. Januar 2018 eine Welpenfähe des Milkeler Rudels auf der B 156 zwischen Boxberg und Uhyst und am 17. April 2018 einen aus dem Knappenrode/Seenland-Rudel stammenden, erwachsenen Rüden an der S 94 zwischen Bernsdorf und Kamenz.

Ein erwachsener Rüde wurde am 2. Februar im nördlichen Landkreis Görlitz im Rahmen einer naturschutzfachlich genehmigten Entnahme getötet. Er war unter anderem verantwortlich für drei Ende Dezember 2017 auf bewohnten Grundstücken in Krauschwitz und Weißkeißel erfolgte Übergriffe auf Hunde, denen zwei Hunde zum Opfer fielen. Das Tier ließ sich aufgrund starker Räudesymptome genau identifizieren. Am Ufer des Restlochs Mortka wurde, wie oben berichtet, am 10. Juni eine Jährlingsfähe tot aufgefunden, die aus dem Territorium Knappenrode II stammt. Sie wies im Brustraum Löcher auf und war mit Hilfe von Betongewichten dort versenkt worden. Die Untersuchung am Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin bestätigte den Verdacht der illegalen Tötung. Das Landratsamt Bautzen stellte Strafanzeige. Die Polizei nahm entsprechende Ermittlungen auf.

Am 18. März wurde ein männlicher Welpe, der erhebliche Räudesymptome aufwies, in einem Pferdestall bei Jerchwitz (LK Görlitz) tot aufgefunden. Er stammte aus dem Kollmer Rudel. Auch zwei diesjährige Welpen wurden im Sommer tot aufgefunden: Ein männlicher Welpe des Knappenrode/Seenland-Rudels starb am 3. Juli bei Sabrodt (LK Bautzen) bei einem Verkehrsunfall und ein aus dem Rosenthaler Rudel stammender männlicher Welpe wurde am 16. Juli auf einem Betriebsgelände bei Holschdubrau (LK Bautzen) tot aufgefunden. Das Tier war an den Folgen einer Darm- und Lungenentzündung gestorben.

Herdenschutz
Im Jahr 2018 (Stand: 22. Oktober) wurden dem Wolfsmanagement im Freistaat Sachsen 104 Schadensfälle an Haus- und Nutztieren gemeldet. In 54 Fällen war der Wolf als Verursacher wahrscheinlich bzw. nicht auszuschließen. Dabei wurden insgesamt 145 Tiere getötet, 16 sind vermisst und 34 verletzt. 18 Fälle sind derzeit noch in Bearbeitung. Betroffen waren hauptsächlich Schafe und Ziegen (170), teilweise Damwild (18), außerdem ein Rind, ein Hund und zwei Kaninchen.

Zum Schutz der Haus- und Nutztiere sei es wichtig, dass Zäune regelmäßig überprüft und eventuell vorhandene Schwachstellen zeitnah beseitigt werden. Schaf- und Ziegenhalter sowie Betreiber von Wildgattern haben im Freistaat Sachsen die Möglichkeit, sich Herdenschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel die Anschaffung von Elektrozäunen, über die Richtlinie „Natürliches Erbe“ NE/2014 fördern zu lassen. Nicht elektrifizierte Festzäune aus Maschendraht, Knotengeflecht oder ähnlichem Material sind laut Kontaktbüro nicht zu empfehlen, da sie von Wölfen leicht untergraben, übersprungen oder überklettert werden können. Der Freistaat Sachsen führt derzeit ein Pilotvorhaben zur Verbesserung des Schutzes von Festzäunen durch. Dabei soll die Schutzwirkung zusätzlicher, stromführender Leiter an bestehenden Festzäunen erprobt werden.

Tierhalter, die Fragen zu Schutzmaßnahmen haben oder Informationen zu Fördermöglichkeiten wünschen, können sich kostenfrei vor Ort beraten lassen. Zuständig ist André Klingenberger.

Kontakt: Biosphärenreservatsverwaltung Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft; 02694 Malschwitz OT Wartha; Warthaer Dorfstraße 29; Telefon: 0172 3757-602.

[email protected]

www.wolf-sachsen.de