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Mutter und Tochter in Aktion

Aus Fremdenfeindlichkeit haben zwei Frauen einen Afghanen angegriffen und verletzt. Sie hätten den Mann nur zur Rede stellen wollen, behaupten sie.

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© Fabian Schröder

Von Alexander Schneider

Das ist schon ein starkes Stück, wie entfesselt Mutter und Tochter auf einen Mann losgegangen sind, der mit Kinderwagen in der Hand und der einjährigen Tochter auf dem Arm gerade aus einer Straßenbahn ausgestiegen war. Zunächst soll die 26-Jährige den Asylbewerber aus Afghanistan als „Scheiß Ausländer“ beleidigt haben, dann schritt ihre Mutter (49) zur Tat. Die querschnittgelähmte Rollstuhlfahrerin fuhr dem 21-Jährigen von hinten in die Beine. Der Mann stürzte und konnte dabei gerade noch seine einjährige Tochter einer Bekannten übergeben, sonst wäre das Kind mit ihm zu Boden gegangen. Als der Mann nun im Liegen den Elektrorollstuhl festhielt, trat ihm die Tochter von hinten gegen den Arm, damit er loslässt. Bei dem Rollstuhlangriff wurde laut Anklage auch der Kinderbuggy des Vaters beschädigt.

Der Angriff fand Ende August 2016 an der Haltestelle Räcknitzhöhe statt. Weil die beiden beschuldigten Frauen in ihrer Vernehmung behaupteten, der 21-Jährige habe sie bedroht, mussten sie sich am Mittwoch in ihrem Prozess am Amtsgericht Dresden nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung, sondern auch noch wegen falscher Verdächtigung verantworten.

Frauen belasten sich gegenseitig

Der Prozess begann mit einer kleinen Überraschung. Die beiden deutschen Damen belasteten sich gegenseitig. Zunächst berichtete die Tochter, ihre Mutter habe den Afghanen sogar zweimal „angefahren“. Sie habe sich von ihrer Mutter immer wieder zu Dingen hinreißen lassen, die sie später bereut habe. „Seit ich keinen Kontakt mehr zu ihr habe, läuft es in meinem Leben.“ Dann sagte die Mutter, sie habe nichts gegen Ausländer – ihre Tochter jedoch würde immer Ausländer beleidigen. „Ich gehe nicht gerne mit Sandra weg, sie sagt immer: Scheiß Ausländer“.

An jenem Tag waren die Frauen Einkaufen. Als sie mit der Bahn nach Hause fuhren, habe sich der 21-Jährige mit seinem Buggy vor ihr in die Straßenbahn gedrängt, so die Tochter. Sie habe den Mann nur deswegen getreten, weil er dabei war, den Rollstuhl samt ihrer Mutter umzukippen. Die Mutter berichtete, sie habe den Mann nicht verletzen, sondern nur mit ihm reden wollen. Zu dem Zusammenstoß sei es nur gekommen, weil sie ihren Rollstuhl nicht eher habe stoppen können. Sie habe sich bei dem Mann entschuldigt.

Die Angaben der beiden Frauen hatten sich nach der Vernehmung des Geschädigten nicht bestätigt. Der Richter war überzeugt, dass die Tochter den Mann zunächst aus Fremdenfeindlichkeit beleidigt habe. Er glaubte auch nicht, dass die Mutter dann mit dem Mann habe reden wollen: „Sie wollten ihn verletzen“, so der Richter. Auch der Tritt der 26-Jährigen sei nicht von einem Recht auf Nothilfe gedeckt. Das Gericht verurteilte die Tochter – nur sie hatte sich bei dem Opfer entschuldigt – zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Monaten und die Mutter zu zehn Monaten. Beide Strafen wurden zur Bewährung ausgesetzt. Als Auflage müssen die Frauen insgesamt 700 Euro an den Flüchtlingsrat und die Amadeu- Antonio-Stiftung zahlen.