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Muss die neue Bahnstrecke wirklich sein?

Die detaillierten Planungen für die Schnellverbindung nach Tschechien starten erst noch. Zweifel gibt es aber schon jetzt.

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© SMWA

Von Franz Werfel

Sächsische Schweiz. Es könnte das Riesenprojekt für die nächsten zwei Jahrzehnte werden: die geplante Bahnstrecke von Dresden nach Prag. 22 der insgesamt 130 Kilometer Neubaustrecke würden auf deutscher Seite liegen, komplett im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, so wie der Eingang bei Pirna-Zehista in den 26,5 Kilometer langen Erzgebirgstunnel. Auf den Bund, der die Kosten für den deutschen Abschnitt bezahlt, kommen nach aktuellen Schätzungen 1,3 Milliarden Euro zu, zwei Fünftel könnte er von der EU zurückbekommen.

© Grafik. SZ

Zu dem Jahrhundertprojekt hat die Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag eine Große Anfrage mit mehr als 100 Einzelfragen gestellt. Die Antworten von Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) liegen nun vor. Darin bekennt sich der Minister zu dem Ziel, den Güterverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene zu verlegen. Klar sei auch, dass es neben den kürzeren Fahrzeiten ein wichtiges Ziel sei, den Lärm im Elbtal zu verringern.

Von den Grünen-Politikern gibt es an dem Vorhaben grundsätzliche Kritik. Sie stellen nicht nur die hohen Kosten infrage, sondern sorgen sich auch um die Belastungen der Umwelt. Zudem würde die neue Strecke Halle–Hof–Regensburg deutlich eher fertig und könnte Güterzüge aus dem Elbtal abziehen, sodass hier nur noch etwa 50 am Tag fahren müssten – bevor die Trasse Dresden–Prag 2035 fertig würde. Für diese Vermutung bieten die Antworten der Landesregierung aber keine Grundlage. Für viele andere Aspekte hingegen schon. Die SZ stellt die wichtigsten vor.

Wichtige Fragen

Wie kommt der Lärm im Elbtal aktuell zustande?
Derzeit fahren 241 Züge täglich durchs Elbtal, davon bis zu 151 Güterzüge. Letztere sind maßgeblich für die Lärmbelastung der Einwohner verantwortlich. Während nachts zwischen 22 und sechs Uhr nur zwölf Personenzüge durchs Elbtalfahren, sind es mit 50 Güterzügen ein Drittel des Gesamtgüterverkehrs auf dieser Strecke. Gemessen werden diese Zahlen immer auf dem Abschnitt Pirna–Bad Schandau, da dies der Streckenabschnitt mit der geringsten Leistungsfähigkeit ist. Weiter schreibt die Landesregierung, dass mit den 241 Zügen, die in diesem Jahr gemäß Fahrplan täglich durchs Elbtal rollen, die maximale Leistungsfähigkeit der Strecke fast erreicht ist. Diese beträgt 322 Züge. „Vor allem am Tag gibt es begrenzte Reserven bis zur Nennleistung“ heißt es in der Antwort. Durch die neue Strecke könnten noch mehr Güter durch die Region transportiert werden – der Großteil unterirdisch im Tunnel.

Was ist bisher beim Lärmschutz passiert und wie geht es weiter?
Zwischen 2002 und 2013 hat der Bund etwa 7,7 Millionen Euro für den Lärmschutz im Elbtal ausgegeben. 1360 Wohnungen haben Schallschutzfenster bekommen und es wurden Schienenstegdämpfer auf die Gleise gebracht. Deren Wirkung blieb allerdings weit unter den Erwartungen. Daher ist diese Methode umstritten. Für die Bad Schandauer soll sich 2021/22 die Lage deutlich verbessern, wenn der östliche Teil des Bahnhofs in Bad Schandau eine Lärmschutzwand bekommt. Diese soll 4,3 Millionen Euro kosten. Hoffnung macht den Anwohnern ein neues Gesetz, das vorschreibt: Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 dürfen in Deutschland nur noch Güterzüge mit Flüsterbremsen unterwegs sein. Das soll ausnahmslos auch für ausländische Waggons gelten. Offen ist noch, wie das kontrolliert werden soll. Als leise gilt, wenn 90 Prozent der Achsen an dem Güterzug Flüsterbremsen haben. Während deren Anteil auf allen deutschen Streckenkilometern 2016 noch 23,4 Prozent betrug, waren es 2017 schon 27,5 Prozent. Die Deutsche Bahn kann nicht genau pro Strecke aufschlüsseln, wie viele Güterzüge bereits mit Flüsterbremsen fahren. Das liegt auch daran, dass viele ausländische Wagen auf der Strecke unterwegs sind.

Für wie viele Züge wird neue Strecke samt Tunnel geplant?
Die Deutsche Bahn hat in einer Studie berechnet, wie leistungsfähig die neue Strecke wäre. Demnach könnten dort täglich bis zu 288 Züge fahren. „Ziel ist es, den Personenfernverkehr komplett und den Güterverkehr so weit wie möglich auf die Neubaustrecke zu verlegen“, heißt es. Aktuell rechnen Bund und Land mit 16 Fernverkehrszügen. Wie viele Güterzüge genau letztlich auf der neuen Strecke fahren, hänge jedoch davon ab, wie hoch der Bedarf in 18 Jahren tatsächlich sei.

Wie wird sichergestellt, dass die Güterzüge die Strecke auch nutzen?
Für Logistikunternehmen sind Zeit und Kosten die wichtigsten Kriterien, wenn es darum geht, ob Produkte auf die Straße oder die Schiene geschickt werden. Wie teuer die Trassenpreise auf Güterzugstrecken sind, entscheiden die DB Netz und die Bundesnetzagentur. „Ein Anreiz zur Nutzung der Neubaustrecke bietet die geringere Entfernung und damit deutlich kürzere Fahrzeit zwischen Dresden und Usti nad Labem“, so die Landesregierung. Darüber hinausgehende Maßnahmen wie beispielsweise Streckensperrungen im Elbtal ab oder bis zu einer bestimmten Tonnage könne allein der Infrastrukturbetreiber entscheiden – also die DB Netz.

Wurden bereits auch alternative Trassen untersucht?
Anwohner, besonders in Pirna-Zehista, sorgen sich, dass die Lasten des Neubaus, zumal zusammen mit der Pirnaer Südumfahrung, allein bei ihnen hängenbleiben. Immer wieder wird deshalb nach alternativen Routen gefragt. Dem Verkehrsministerium zufolge wurden allein in der Vorplanung bisher zehn weitere Trassenverläufe geprüft. Der aktuelle Verlauf sei nach derzeitigem Kenntnisstand optimal. Andere Szenarien oder Routen sind wegen Umwelt-, Siedlungs- oder technischen Aspekten sowie der Streckenlänge ausgeschieden. Definitiv entschieden sei aber noch nichts. Interessierte Bürger sollen bei diesem großen Projekt frühzeitig eingebunden werden.

Wie umweltschädlich ist der Neubau?
Aktuell beginnen die eigentlichen Vorplanungen für den Bau. Deshalb können konkrete Auswirkungen auf die Umwelt noch nicht benannt werden, so die Landesregierung. Betroffen sei der linke Elbhang bei Großsedlitz durch den ersten, kleinen Tunnel sowie das Seidewitztal durch die etwa 40 Meter hohe geplante Brücke. Den Eingriffen in die Natur, die so ein großes Infrastruktur-Projekt zwangsläufig mit sich bringe, stünden Entlastungen der Anwohner im Oberen Elbtal gegenüber sowie eine Entlastung der Sächsischen Schweiz von Verkehr, der dann auf die Schiene verlagert würde. Auf deutscher Seite versuche man, Belastungen der Umwelt dadurch zu vermeiden, dass die Strecke größtenteils durch einen Tunnel verläuft.

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Weitere Infos zum Projekt: www.nbs.sachsen.de