Merken

Muss das Museum schließen?

Seit 1911 bis heute wird das Heimatmuseum ehrenamtlich geführt. Doch jetzt gibt es ein ernsthaftes Problem.

Teilen
Folgen
NEU!
© Gerhard Schlechte

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Angelika Skrentwa weiß alles und noch ein bisschen mehr. Jedenfalls über Lommatzsch. Stundenlang kann sie ununterbrochen Geschichte und Geschichten erzählen über jedes einzelne Ausstellungsstück im Lommatzscher Heimatmuseum. Seit vielen Jahren arbeitet die 69-Jährige dort ehrenamtlich, macht Führungen. Doch zum Jahresende will sie kürzer treten, sich zur Ruhe setzen. Damit hat die Stadt ein großes Problem. Denn das Museum wird seit seiner Gründung im Jahre 1911 ehrenamtlich geführt. Auch heute arbeiten dort neben Angelika Skrentwa ehrenamtliche Leute. Es sind Ein-Euro-Jobber. „Das ist ja gut und schön. Doch derartige Jobs sind nicht nachhaltig. Nach einem halben Jahr, wenn sich die Leute gerade mal eingearbeitet haben, müssen sie wieder gehen“, sagt Monika Hellmich, in der Stadt unter anderem für das Museum verantwortlich. Und es gibt noch ein anderes Problem. Nicht jeder, der für einen solchen Ein-Euro-Job vom Jobcenter nach Lommatzsch geschickt wird, ist mit vollem Einsatz dabei. Manche trauen sich auch nicht zu, Führungen zu machen, kennen sich nicht gut genug aus in der Geschichte der Stadt, sind schüchtern. „Bei manch einem kommt nach kurzer Zeit auch schon mal der Krankenschein“, sagt Monika Hellmich.

Die jetzigen Ein-Euro-Jobs enden am 30. September. „Wir hoffen, dass es dann nahtlos weitergeht“, so Hellmich. Allerdings mit neuen Leuten, die wieder ganz von vorn anfangen. Die Stadt sucht deshalb Ehrenamtliche wie Angelika Skrentwa, die den Museumsbetrieb aufrechterhalten. „Ich denke da zum Beispiel an ehemalige Lehrer“, sagt Bürgermeisterin Dr. Anita Maaß (FDP). An so einen wie den Oberlehrer Julius Adolf Günther, der das Museum bis 1945 leitete. Gemeinsam mit Historiker Dr. Alfred Hennig aus Mutzschwitz hatte er es gegründet. Hennig war an Ausgrabungen in Leippen, Eulitz, Mauna und Piskowitz beteiligt. Er fiel im Ersten Weltkrieg.

1911 öffnete das Museum im Dachgeschoss des Rathauses. Es konnte eine kleine Sammlung von frühgeschichtlichen Funden wie Tonscherben, Waffen, Münzen und Bildern gezeigt werden. Als der Platz zu eng wurde, zog das Museum um in eine Vierraumwohnung am Durchgang vom Markt zur Allee. Dort blieb es bis 1945.

Es war mit Herbert Grund wiederum ein Lehrer, der 1950 im Rathaussaal das Museum wieder aufbaute. Er und der Lehrer Gernot Härtner leiteten es ehrenamtlich. 1971 zog das Museum ins Geburtshaus von Robert Volkmann um. Wegen eines Tiefkellereinbruchs musste das Haus 1986 abgerissen werden. Mehr als zehn Jahre lang gab es in Lommatzsch kein Heimatmuseum mehr. 1996 zog es in ein Gebäude am Markt ein, das zuvor für 2,6 Millionen Mark saniert wurde. Das damalige Regierungspräsidium Dresden stellte 80 Prozent Fördermittel zur Verfügung. Am 24. Oktober 1999 wurde das alte Museum am neuen Standort eröffnet. Dort befindet es sich bis heute. Doch wie lange noch?

Monika Hellmich redet nicht um den heißen Brei herum. Wenn es uns nicht gelingt, Ehrenamtliche zu finden, müssen wir das Museum schließen.“ Sie und auch die Bürgermeisterin hoffen, dass Angelika Skrentwa ihren Entschluss noch mal überdenkt. „Sonst haben wir das Problem schneller als gedacht“, so Angelika Hellmich. Und dennoch wäre es nur ein Aufschub. „Es ist schwer, Nachhaltigkeit in die Arbeit zu bringen, wenn kein Verein dahinter steht wie beispielsweise in Schleinitz“, so die Bürgermeisterin. Sie möchte einen Pool von Ehrenamtlichen aufbauen. Bei 200 bis 250 Besuchern im Jahr stelle sich aber die Frage, ob das Museum tatsächlich jeden Tag geöffnet sein müsse. „Wichtig ist für mich, vor allem erst einmal den Betrieb an den Wochenenden abzusichern“, sagt sie. Geld hat die Stadt allerdings nicht. „Es gibt im Haushalt kein Budget dafür. Das Museum ist eine freiwillige Aufgabe. Wir möchten es trotzdem erhalten“, so Anita Maaß.

Das Problem eines solch kleinen Heimatmuseums ist nun mal, das Einheimische, die es schon mal besucht haben, kaum ein zweites mal hingehen. Und so sind es vor allem Radfahrer und andere Touristen, oder auch ehemalige Lommatzscher, die in der Stadt Klassentreffen veranstalten, die zu den Gästen des Museums zählen. Platz für Sonderausstellungen, die regelmäßig mehr Leute anziehen würden, ist nicht vorhanden.

Die Bürgermeisterin hofft auf mehr Besucher, wenn der Marktplatz fertig ist. Im nächsten Jahr beginnt die letzte Bauphase. „Zum Markt gehört das Museum einfach dazu“, sagt sie. Zumal es dort auch ein Hochzeitszimmer gibt. 18 Paare gaben sich in diesem Jahr dort schon das Ja-Wort. Und nach der Eheschließung wird auch gern das Museum besucht.

Auf ein oder mehrere Ja-Worte hofft nun auch die Bürgermeisterin auf der Suche nach Ehrenamtlichen. Sie ist optimistisch: „Ich habe da ein paar Leute im Kopf, die Interesse signalisiert haben“, sagt sie.