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Der Splitterfund – eine Manipulation?

Der Verteidiger des Moscheebombers kritisiert zahlreiche Ermittlungspannen. Das Urteil fällt Ende August.

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© Ronald Bonß

Alexander Schneider

Dresden. Was genau war das Ziel von Nino K., als er am 26. September 2016 spätabends Sprengsätze vor einer Moschee in Dresden und auf der Dachterrasse des Kongresszentrums zündete? Was wussten Mitstreiter, die K. aufgerufen haben soll, sich an jenem Montagabend nachts auf die Marienbrücke zu stellen, um „Wir sind das Volk“ zu brüllen. Das Startsignal würden sie schon mitbekommen.

Das Urteil gegen Nino K. soll Ende August fallen.
Das Urteil gegen Nino K. soll Ende August fallen. © Robert Michael

Kati Lang und Kristin Pietrzyk, die Anwältinnen vertreten den Imam der Moschee und seine Frau, sind überzeugt, dass K. Mitwisser hatte. Bei einigen Zeugenvernehmungen in dem Prozess gegen K. sei offensichtlich gewesen, dass Bekannte von Nino mehr wussten, als sie auszusagen bereit waren. Am Freitag haben sich die Anwältinnen dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft von vergangener Woche angeschlossen. Sie machten deutlich, dass Nino K. aus einem rassistischen und islamfeindlichen Motiv heraus gehandelt habe und die parlamentarische Demokratie verachte.

Vor allem Pietrzyk fixierte den Angeklagten, sprach ihn direkt auf seine Gesinnung an. K. stierte auf den Tisch vor sich. In seiner Pegida-Rede im Juli 2015 habe K. den Islam als „größte Massenvernichtungswaffe“ bezeichnet, sagte Pietrzyk. Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz forderte zehn Jahre und neun Monate Haft für den sogenannten Moscheebomber. Ausdrücklich lobten Lang und Pietrzyk, dass Schulz ausführlich eine rassistische und islamfeindliche Motivation des Angeklagten thematisiert hatte.

Der 31-jährige Klimaanlagenmonteur Nino K. muss sich seit Ende Januar unter anderem wegen versuchten Mordes und Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen vor dem Landgericht Dresden verantworten. Nino K. hat sich laut Schulz 2016 weiter radikalisiert und schließlich als Einzeltäter eine selbst gefertigte Rohrbombe vor der Cottaer Moschee gezündet. Zumindest habe er in Kauf genommen, dass der Imam, seine Frau und die beiden Söhne ums Leben kommen könnten. Sie waren in ihrer Wohnung, vor deren Tür K.s Bombe platziert war. Der Angeklagte hat gestanden, einen angeblichen Brandsatz vor der Moschee und einen weiteren auf dem Dach des Kongresszentrums gezündet zu haben. Er habe ein Zeichen gegen die Asylpolitik der Bundesregierung setzen, allerdings niemanden verletzen oder gar töten wollen.

Während sich die Nebenklage-Anwältinnen dem Plädoyer der Generalstaatsanwaltschaft anschlossen, teilt Verteidiger Hansjörg Elbs diese Sicht nicht. Es sei seinem Mandanten nicht nachzuweisen, dass er jemanden verletzten wollte. K. sei davon ausgegangen, dass das Gebäude unbewohnt war. Elbs kritisierte die Ermittlungen massiv. „Rechtsstaatlichkeit fängt nicht an, wenn ein Beschuldigter vor Gericht sitzt, sie beginnt spätestens mit dem Eintreffen der Polizei am Tatort.“ Elbs zählte zahlreiche Fehler und Pannen der Ermittler auf: Beweise seien nicht gesucht, Spuren nicht ordnungsgemäß gesichert, wichtige Zeugen und Geschädigte gar nicht erst vernommen worden. Der Splitter, der für die Polizei der Beweis für die Explosion einer Rohrbombe ist, sei erst im April 2017 unter rätselhaften Umständen ins Verfahren gelangt. „Mein Mandant ist überzeugt, dass der Splitter nachträglich in eine Tüte mit Kehrschutt gelegt wurde“, so Elbs. Auch er selbst gehe davon aus, dass es sich bei dem angeblichen Splitterfund, der zu einer „völligen Neubewertung“ der Tat geführt habe, um einen Fake handelt – also eine Manipulation der Ermittlungen. Die Beamten hatten zunächst angenommen, K. habe vor der Moschee einen Brandsatz gezündet. Der Verteidiger forderte daher für K. eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Ein Mordversuch sei seinem Mandanten nicht zweifelsfrei nachzuweisen.

Wie Elbs kritisieren auch Kati Lang und Kristin Pietrzyk die Ermittlungen. Sie irritiert, dass die Polizei nicht von Beginn an von einer Sprengstoffexplosion ausgegangen war. Schon der Fund zweier intakter Rohrbomben sei ein Indiz, in diese Richtung zu ermitteln – und nach Spuren einer dritten Rohrbombe zu suchen. Die Frau des Imam fürchte, sie werde ihr Leben lang unter den psychischen Folgen des Anschlags leiden. Es sei reiner Zufall, dass in dem Haus niemand körperlich verletzt wurde, so Pietrzyk. Warum die Frau jedoch nie von der Polizei vernommen wurde, auch das ist eine dieser Ermittlungspannen.

Oberstaatsanwalt Schulz hatte in seinem Plädoyer die Ermittlungen der Beamten des Landeskriminalamtes und des Operativen Abwehrzentrums Sachsen (OAZ) verteidigt. Er räumte lediglich einige „Nachlässigkeiten“ ein, man könne jedoch nicht von Pannen sprechen, sagte er. Mit dieser Sicht, auch das zeigten nun die übrigen Plädoyers am Freitag, ist er ziemlich allein. Am kommenden Freitag, 24. August, ist das letzte Wort des Angeklagten geplant, ihr Urteil will die Kammer am Freitag, 31. August, um 14 Uhr verkünden.