Merken

Mörder mit Masken

Mafia-Killer auf dem Balkan setzen bei Auftragsmorden immer häufiger auf ein falsches Gesicht – aus Kunststoff.

Teilen
Folgen
© Screenshot Vijesti: SZ

Von Thomas Roser

Das Erstellen von Phantombildern wird für die geplagten Ermittler in den Balkanstaaten bei der Hatz nach Auftragskillern zunehmend zur sinnlosen Übung. „Wie soll man Mörder hinter Silikonmasken noch erkennen?“, fragt sich besorgt die montenegrinische Zeitung Vijesti. Von einem „neuen Trend“ in den Staaten der Region spricht Nedzad Korajlic, Dekan der Kriminalistik-Fakultät in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo: „Dies wird die Identifizierung der Täter stark erschweren.“

Laut Angaben des slowenischen Europaabgeordneten Ivo Vajgl sind allein beim EU-Anwärter Serbien in den letzten sechs Jahren 81 Menschen bei Mafia-Abrechnungen ermordet worden: Nur sechs der Auftragsmorde seien von den überforderten Ermittlern gelöst worden. Die karge Aufklärungsquote dürfte weiter sinken. „Noch mehr Liquidationen werden ungelöst bleiben“, fürchtet das Belgrader Boulevardblatt Alo! angesichts des Unterwelt-Trends zum falschen Kunststoffgesicht.

Nur mit ins Gesicht gezogener Kapuze oder auffälligen Strumpf- oder Karnevalsmasken hat sich kein Berufskiller mehr vor den Linsen der Sicherheitskameras zu schützen. Vor allem im Mafia-Eldorado Montenegro setzen Berufskiller bei der völlig aus dem Ruder gelaufenen Blutfehde zweier Drogenclans in Kotor schon seit Monaten verstärkt auf das falsche, aber täuschend echte Kunststoffgesicht. Von einer „neuen Handschrift der montenegrinischen Mörder“ schreibt beunruhigt die serbische Zeitung Blic.

Von einer Überwachungskamera gefilmt durchsiebte ein schwarz gekleideter Auftragsmörder mit Maske am helllichten Tag im Mai den Discothekenbesitzer Miodrag K. auf einer Café-Terrasse in der Hauptstadt Podgorica: Eine an seinem Tisch sitzende Journalistin kam wie durch ein Wunder mit dem Leben davon. Von der zunehmenden Popularität der Kunststoffvermummung in Montenegros Gangsterkreisen zeugte im letzten Monat auch die präventive Verhaftung von zwei potenziellen Tatverdächtigen in einem Hotel in Cetinje. Außer automatischen Schusswaffen, Sprengkörpern und Munition stellte die Polizei auch zwei Silikonmasken sicher.

Hochwertige Silikonmasken, deren Träger kaum als Maskenmänner zu erkennen sind, können im Internet derzeit für 400 bis 500 Euro erworben werden. Die Preise dürften nach Einschätzung von Kriminalistik-Professor Korajlic bald noch weiter fallen: „Schon jetzt kann man billigere und minderwertigere Masken von Prominenten auf Märkten und Messen finden.“ Zudem kursierten auf Youtube vermehrt Filme mit genauen Instruktionen, wie sich täuschend echte Menschenmasken selbst herstellen lassen: „Wenn sie direkt auf dem Gesichtsprofil des Trägers hergestellt werden, ist es kaum zu bemerken, dass es sich um Masken handelt.“

Liegen keine DNA-Spuren oder die Tatwaffen vor, können zur Identifizierung maskierter Täter seiner Ansicht nach allenfalls Körperbewegungen oder der Klang der Stimme genutzt werden: „Aber die Identifizierung des Gesichts ist völlig unmöglich.“ Außer der Ermittlung nach möglichen Verbindungen mutmaßlicher Täter zu den Herstellern der Masken empfiehlt Korajlic auch einen effizienteren internationalen Datenabgleich über gestohlene Identitäten und potenzielle Täter.