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Mittelalter-Baupfusch entdeckt

Im Gewölbe der Meißner Frauenkirche klaffen Risse. Dort hat man sich vor 500 Jahren mit merkwürdigen Methoden zu schaffen gemacht. Nun soll alles stabiler werden.

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© Claudia Hübschmann

Von Christoph Scharf

Meißen. Ohne Probleme erreicht Frithjof Müller mit ausgestreckter Hand die Gewölbebögen in der Frauenkirche. Das klappt nur, weil der Steinmetz-Bildhauermeister auf einem gut zehn Meter hohen Gerüst im Altarraum steht – 52 Stufen vom Boden der Kirche entfernt. Hier oben hat Müller den besten Blick auf die historischen Gewölbe. Und er sieht einiges, was ihm nicht gefällt.

Dort gibt es nicht nur Risse und merkwürdig schiefe Bögen. Die Arbeiter haben bei der Sanierung der Kirche am Markt auch allerhand Baupfusch entdeckt. „Unsere Vorfahren haben mit Eisenkeilen, Holzkeilen, Bleikonstruktionen improvisiert“, sagt der Chef der Dombauhütte Meißen. „Manchmal wundert man sich, dass es überhaupt hält.“ Stimmen seine Beobachtungen, hat es schon kurz nach dem Bau des Gewölbes im 15. Jahrhundert Probleme mit der Stabilität gegeben. Deshalb bauten Müllers Kollegen vor 500 Jahren einige sichtbare Hilfskonstruktionen in der Kirche ein: handgeschmiedete Eisenanker, die sich um die filigranen Gewölberippen klammerten und sie von oben hielten.

Moderne Lösungen

Diese eher unpassenden Einbauten können jetzt im Zug der Kirchensanierung entfallen. Heute lässt sich mit kleinen Edelstahlplatten, die nicht mal halb so groß sind wie eine Schokoladentafel, derselbe Effekt erzielen. Sie werden direkt in die Gewölberippen eingelassen und mit Steinklötzchen verblendet. Sind die Handwerker mit Abschleifen und Anstreichen fertig, sieht keiner mehr, dass eine Edelstahl-Konstruktion das Gewölbe zusammenhält.

Und auch ein zweites Problem ist bald nicht mehr zu sehen: die Risse, die seit dem Hochwasser 2002 in der Kirchenwand entstanden waren. Zwar reichte das Wasser nie bis zur Frauenkirche am Markt. „Allerdings änderten sich seit der Flut 2002 der Grundwasserspiegel und die Bodenverhältnisse“, sagt Architekt Jürgen Singer von der Kirchgemeinde St. Afra. Seitdem waren immer neue Risse zu beobachten. Deshalb ließ die Kirchgemeinde als Erstes 2013 das Fundament bis zum Fels hinab verlängern. Seitdem wurden auch noch Dach, Turm und Heizung erneuert. Derzeit entsteht in der seit zwei Jahren gesperrten Kirche ein separater Raum der Stille und eine behindertengerechte Toilette, die sich unter einer neuen Eingangstreppe versteckt.

Kirche bleibt länger gesperrt

Eigentlich sollte die Kirche schon längst wieder auf sein – tatsächlich wird es nun wohl aber erst im Sommer 2016 so weit sein. Das hat auch seinen guten Grund, sagt Ina Heß von der Kirchgemeinde St. Afra. „Anfangs wollten wir nur das Fundament und die Heizung erneuern – für mehr reichte damals das Geld nicht.“ Doch nach und nach standen mehr Mittel für die Erneuerung der Hauptkirche von Meißens größter Kirchgemeinde zur Verfügung. Mittlerweile ist man bereits beim vierten Bauabschnitt, der allein 360 000 Euro kostet. „Am Ende werden hier mehr als zwei Millionen Euro verbaut sein“, sagt Architekt Singer. Das klappt nur, weil nicht nur die Evangelische Landeskirche das Vorhaben unterstützt, sondern auch der Freistaat, der Bund, der Landkreis, das Gustav-Adolf-Werk. Außerdem engagieren sich Privatleute und Musiker für die Arbeiten in der Frauenkirche: Am 28. Oktober treten etwa Pascal von Wroblewsky, Posaunist Micha Winkler und Pianist Tomas Kreibich beim nächsten Benefizkonzert zugunsten der Porzellanorgel in der Frauenkirche auf.

Das Konzert um 19.30 Uhr in der St.-Afra-Kirche ist auch aus einem anderen Grund spannend: Dort will man fünf der mittelalterlichen Eisenanker aus dem Kirchengewölbe versteigern, die nun ausgedient haben. So helfen sie der Frauenkirche auch noch nach ihrem Ausbau.

Karten für das Benefizkonzert für 15, ermäßigt 12 Euro gibt es in der Touristinformation, 03521 419417.