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Mit vollen Segeln in die Fabelwelt

Die Görlitzerin Patricia Ansorge zog es in die weite Welt. Nun malt sie als Lil Bloom fantastische Bilder.

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© Wolfgang Wittchen

Von Frank Seibel

Görlitz. Die Melancholie, könnte man meinen, freut sich gerade auf die Hochsaison. Wenn der Herbstwind die Blätter von den Bäumen reißt, wenn Wolkengrau das Sonnengold verdeckt und die Tage eintrübt, dann, ja dann ist die Melancholie ganz in ihrem Element. Aber was machen geborene Melancholiker, wenn meist die Sonne scheint, der Himmel blau ist und die Wellen des Meeres fröhlich säuseln?

Patricia Ansorge hat eine Lösung gefunden. Sie hat sich ein zweites Ich, ein Alter Ego geschaffen, das auch bei Sonnenschein schwermütig sein kann. So kam Lil Bloom auf Mallorca zur Welt. Dabei ist „lil“ die Kurzform von „little“, also klein. Kleine Blüte, so könnte man den hübschen Namen übersetzen.

Patricia Ansorge ist ein neugieriger, lebenshungriger Mensch. Eine Frau, die manchmal Sachen macht, die ihre früheren Görlitzer Schulkameradinnen vielleicht für leichtsinnig halten würden. Zum Beispiel: einen sicheren und ziemlich respektablen Job im Hotel Tuchmacher aufgeben, um ziemlich ins Ungewisse hinein in London einen Hoteljob anzunehmen. Um mal rauszukommen aus der kleinen Görlitzer Welt. Oder, noch wilder, einfach dem schillernden Görlitzer Immobilienmakler Uwe Reppegather aus den abenteuerlichen Nachwendejahren auf sein Segelschiff zu folgen, um auf dem Zweimaster in der Karibik als Stewardess Promis wie Till Schweiger eine entspannte Zeit zu bereiten. Verrückt.

Aber Patricia Ansorge hat das alles gemacht. Ist dann nach zwei Jahren auf dem Meer 2006 auf Mallorca gelandet, weil das Segelschiff „Dolphin“ in Palma seinen Heimathafen hatte. Und dort hat sie daran angeknüpft, was sie seit ihrer Kindheit in Görlitz besonders gerne gemacht hat. Sie hat gezeichnet und gemalt.

Eine Welt neben der eigentlichen Welt hat sie sich so erschaffen. Ein bisschen, um in der Fremde Geld zu verdienen, vor allem aber, um ganz bei sich zu sein. „Ich habe schon als Kind immer gezeichnet und gemalt“, sagt Patrizia Ansorge. Ein roter Faden, ein Stück Geborgenheit in einem bewegten Leben.

Auf Mallorca und später auf dem spanischen Festland hat die heute 43-Jährige ihr Hobby zum Beruf gemacht und eine Welt aus fabelhaften, kindlichen Wesen mit großen Augen erschaffen – als Spiegel der Seele stehen sie im Mittelpunkt jedes Bildes und lassen tief blicken. Verträumt, melancholisch schauen sie, und fast immer sind es Mädchengesichter, oft mit blasser, fast weißer Haut. Oft heben sich die Figuren scharf von einem dunklen, bisweilen fast schwarzen Hintergrund ab, in den kleine Ornamente und Symbole eingelassen sind. Viele der großäugigen Figuren, die Lil Bloom malt, scheinen so in ihrem eigenen Universum zu schweben, umgeben von zart leuchtenden Sternen. „Das Feenhafte ist beabsichtigt“, sagt die Künstlerin über ihre Bilder. „Es ist eine Einladung an den Betrachter: Träum‘ Dich mal weg aus dieser Welt.“

Seit knapp zwei Jahren hat Patricia Ansorge ihr Atelier in Görlitz. Ein kleiner Raum in einer Dachwohnung in der Blumenstraße, mit weitem Blick über die Hinterhoflandschaft. Unzählige Pinsel und Farbtöpfchen stehen auf dem großen Tisch, der das Zentrum des Raumes bildet. Noch hat sie all die Farben hier, die sie in Spanien eingesetzt hat. Doch mittlerweile ist ihr Spektrum, aus dem sie auswählt, dunkler geworden. Sie selbst wirkt noch immer lebens- und farbenfroh. Und die drei Kinder, die sie samt Mann aus Spanien mitgebracht hat, lassen im Alltag kaum Wehmut zu. Aber die Melancholie, sagt sie, die Melancholie gehörte schon immer zu ihrem Wesen und war auch unter der Sonne Spaniens nie ganz verschwunden.

Zurzeit arbeitet Patricia Ansorge alias Lil Bloom intensiv an einer neuen Ausstellung, die sie bald im Theater zeigen möchte. Und dabei knüpft sie auf ganz besondere Weise an ihre Zeit des Aufbruchs vor fast 15 Jahren an. Die Vernissage verknüpft sie mit dem Konzert eines Künstlers, der eine zeitlang als Pianist auf dem Segelschiff „Dolphin“ gearbeitet hat – ihrem Schiff, mit dem sie um die halbe Welt gefahren ist. Ihre Wege haben sich damals nicht gekreuzt. Aber ein französischer Bootsmann, der mit ihr auf dem Schiff war und zu dem sie seitdem in Kontakt ist, hat ihr den Tipp gegeben: Dieser Pablo Peláez mache als Komponist und Pianist eine Musik, die perfekt zu Lil Blooms Bildern passe.

Es war nicht schwer, den Musiker „im Netz“ zu finden, denn der Spanier ist in seiner Heimat ziemlich bekannt. Und Patricia Ansorge war unmittelbar fasziniert von den ruhigen, meditativen Klängen. So lädt sie ihn nun schon zum zweiten Mal in ihre Heimatstadt zu einer Vernissage ein. Diesmal ins Theater. „Hör den Klang ihrer Augen“, nennen beide Künstler das Programm, bei dem die Bilder von Lil Bloom und die Musik von Pablo Peláez gleichermaßen im Zentrum stehen.

Auch wenn Lil Blooms Bilder so zart und verträumt wirken und meistens weibliche Helden zeigen, lassen sich ganz verschiedene Typen von Menschen davon berühren. So erinnert sich die Künstlerin an eine schöne Szene auf Mallorca. Damals kam ein Motorradfahrer mit allen Zutaten eines wilden Bikers an ihren Stand in Palma. Er rief seine Freundin herbei, zeigte auf das Bild einer kleinen Fee und rief begeistert aus: „Schau mal, ist das nicht süß!“

Vernissage am 16. November, 18 Uhr, im Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz; Konzert mit Pablo Peláez anschließend um 19.30 Uhr. Tickets: 03581 474747

www.lilbloom.net

www.pablopelaez.es

www.g-h-t