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Mit Massagen und Sport gegen den Krankenstand

Arbeitnehmer im Landkreis Görlitz fallen häufig aus gesundheitlichen Gründen aus. Betriebe steuern gegen, zum Beispiel in Zittau.

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© Matthias Weber

Von Irmela Hennig

Mittwochs ist Massagetag beim Elektronik-Spezialist Digades in Zittau. Im wochenweisen Wechsel kommt Physiotherapeut Olaf Böhmer dazu ins Unternehmen. So haben auch die Kollegen im Schichtbetrieb die Gelegenheit, das Angebot zu nutzen. Bezahlen müssen die Mitarbeiter das selbst. Wer dafür Arbeitszeit nutzt, holt die nach. Doch um die Organisation, das Eintakten, die Termine kümmert sich das Gesundheitsmanagement der Firma. Das ist ein Team aus drei Leuten mit Kerstin Berger, Assistentin der Geschäftsleitung, an der Spitze. Sie war früher beruflich im Sport tätig, deswegen sind ihr Gesundheit und Fitness sehr wichtig.

© SZ-Grafik

Und darum stellt sie so einiges in diesen Bereichen auf die Beine. Im Speisesaal hängt momentan zum Beispiel eine Einladung zur Rückenschule und eine weitere zum Vortrag „Herzgesunde Ernährung“. Mitarbeiter können sich für die Teilnahme eintragen. Einmal im Monat gibt es Yoga, durchgeführt von einer zertifizierten Fachfrau. Es gibt die Möglichkeit zur Grippeschutzimpfung, alle zwei Jahre einen Gesundheitstag mit Informationen zu Dingen wie gesunder Ernährung. Digades bringt die Kollegen regelmäßig zum Sport zusammen – das geht von Fußball, über Badminton und Tischtennis bis hin zum Skilaufen, Radeln oder der gemeinsamen Teilnahme an Aktionen wie dem Zittauer Gebirgslauf oder dem Triathlon O-See Challenge. Dort übernimmt das Unternehmen dann die Startgebühr oder vergibt durch Sponsoring erhaltene Startplätze an die Angestellten weiter. „Alles ist freiwillig“, sagt Kerstin Berger. Doch es bringe etwas – die krankheitsbedingten Ausfälle seien in den letzten Jahren zurückgegangen.

Ein Unternehmen, das sich aktiv für die Gesundheit seiner Mitarbeiter engagiert – Digades ist da laut der Industrie- und Handelskammer in Zittau ein „Spitzenunternehmen“. Ein Einzelbeispiel ist die Firma aber nicht. IHK-Geschäftsstellenleiter Matthias Schwarzbach nennt unter anderem das Klebetechnik- und Automatisierungsunternehmen ATN in Oppach.

Blickt man auf den hohen Krankenstand bei Arbeitnehmern im Landkreis Görlitz, macht der betriebliche Einsatz für die Gesundheit Sinn. Das geht unter anderem aus dem Gesundheitsreport der Barmer-Krankenkasse hervor. Jeder Beschäftigte war 2016 im Schnitt 20,6 Tage krank und damit nicht arbeitsfähig. Nur in Nordsachsen gab es landesweit mehr Fehltage, nämlich 20,9. Bundesweit liegt der Durchschnitt bei 17,7 Tagen Arbeitsunfähigkeit pro Versichertem und Jahr.

Die Daten der Barmer zeigen auch – die Zahl der Mitarbeiter, die krankheitsbedingt zu Hause bleiben, wächst leicht. Waren 2014 insgesamt 5,4 Prozent der Barmerkunden betroffen, lag der Anteil 2016 bei 5,7 Prozent. Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.

Der Rücken sei Ausfallursache Nummer eins, sagt Barmer-Regionalgeschäftsführer Ronny Scharntke. Im Fachjargon ausgedrückt, geht es um Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems. Da gab es im Kreis bei Barmer-Versicherten 513 Fehltage je hundert Beschäftigte. Es folgten Atemwegserkrankungen mit 302 und psychische Störungen mit 286 Fehltagen.

Ältere sind seltener krank

Ein möglicher Grund für die im Sachsenvergleich hohen Ausfälle ist das Durchschnittsalter der Arbeitnehmer. Das liegt im Kreis bei 47,5 Jahren. Ältere Menschen werden häufiger krank, weiß die Bautzener Amtsärztin Dr. Ilona Walter. Zudem habe sich die Arbeit in den vergangenen Jahren weiter verdichtet. Das führe zu einer höheren Belastung.

Ronny Scharntke hat für die Barmer-Versicherten im Kreis Görlitz aber auch Folgendes festgestellt: „Junge Menschen sind häufiger, aber kürzer krank, ältere seltener, dafür schwerwiegender.“ Rund 35 000 Mitglieder hat die Barmer im Kreis. Der Altersschnitt liegt bei Ende 40. Im Jahr 2016 waren an einem durchschnittlichen Kalendertag von 1 000 Beschäftigten 57 arbeitsunfähig gemeldet. Jeder Erwerbstätige war im Schnitt 1,3-mal krankgeschrieben.

Viele Barmerkunden arbeiten in Büroberufen. Da sitzt man oft. Rückenprobleme sind nichts Ungewöhnliches. Ronny Scharntke sagt darum auch: „Es muss uns noch besser gelingen, Bewegung in den Büroalltag von Beschäftigten zu bringen.“ Mitarbeiter der Krankenkasse gehen darum gezielt in Unternehmen und beraten dort. Es geht um gesunde Ernährung, Achtsamkeitstraining, psychische Gesundheit, die Gestaltung des Arbeitsumfeldes vom Bürostuhl bis zur richtigen Bildschirmeinstellung. Wer Interesse hat an einer Beratung durch die Barmer, könne sich in der Geschäftsstelle melden.

Die Daten des Statistischen Landesamtes von Sachsen zeigen, dass der Landestrend ähnlich ist. Der Krankenstand ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen. Blickt man weiter zurück, sank die Zahl der Ausfälle bis Anfang der 2000er Jahre. Das könnte daran liegen, dass das Durchschnittsalter der Menschen damals niedriger war. Bei der AOK Plus sind im Kreis 58 592 Beschäftigte versichert; hinzu kommen Rentner, Arbeitslose und Familienmitglieder. 2017 lag der Krankenstand bei Arbeitnehmern bei 5,8 Prozent (Bundesschnitt 5,3 Prozent). Das ist etwas mehr als 2016. Knapp 58 Prozent der Mitglieder waren letztes Jahr mindestens einmal aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig, heißt es aus der Pressestelle. Der Ausfall dauert im Schnitt etwas mehr als 14 Tage. Bei knapp 24 Prozent der Betroffenen ging es um Atemwegserkrankungen. Gefolgt von Problemen mit dem Muskel- und Skelettsystem sowie der Verdauung. Auf Platz vier lagen Verletzungen. In der Branche Öffentliche Verwaltung/Sozialversicherung gab es mit 6,7 Prozent den höchsten Krankenstand. „Der niedrigste Wert war im Wirtschaftszweig Handel mit 4,9 Prozent festzustellen“, teilt die Versicherung mit.

Ein großer Arbeitgeber im Landkreis Görlitz ist das Landratsamt. Dort gibt es aus technischen Gründen derzeit keine genauen Daten zum Krankenstand. Pressesprecherin Susanne Lehmann teilt aber mit, dass der Kreis verschiedene Maßnahmen im Rahmen des Gesundheitsmanagements durchgeführt hat. So haben vom 2. Mai bis 1. Juni 2017 etwa 460 Mitarbeiter mit einem von der DAK-Gesundheit zur Verfügung gestellten Schrittzähler ihre täglichen Schritte, private wie berufliche, erfasst und bei einem Wettbewerb auswerten lassen. Im Schnitt legten die Beteiligten 210 788 Schritte zurück. Nach der Aktion hätten sie den spürbaren Effekt für Gesundheit sowie Fitness betont. Weitere Maßnahmen zur Gesundheitsförderung befinden sich derzeit in Vorbereitung.