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Mit Leib und Seele Landwirte

Nach einem Brand gibt ein Ehepaar in Kunnersdorf seinen Hof auf. Der Schlussstrich fällt den beiden überhaupt nicht leicht.

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© Constanze Junghanß

Constanze Junghanß

Der Schreck sitzt bei Eva-Maria Brussig und ihrem Mann Rainer immer noch tief. Der Brand hat das Dach ihrer Scheune völlig zerstört. Das war am letzten Septemberwochenende, an einem Sonntag. Brussigs saßen gerade beim Kaffeetrinken, als die Nachbarin Sturm klingelte. „Sie hatte von ihrem Grundstück aus gesehen, dass Qualm aus dem Gebäude kam“, erzählt die Kunnersdorfer Landwirtin. Gemeinsam hätten sie noch versucht, mit Wasserschlauch und Feuerlöschern das Schlimmste zu verhindern. Auch andere Nachbarn eilten zu Hilfe – die Wohnhäuser befinden sich nicht allzu weit weg vom Geschehen. Aus dem Qualm züngelten rasant die Flammen. Feuer loderte auf. Da war die Feuerwehr schon informiert worden. Die rückte zum Großeinsatz aus. Neben den Wehren aus Ebersbach/Girbigsdorf und Kunnersdorf kamen die Kameraden der Görlitzer Berufsfeuerwehr. Insgesamt waren 46 Feuerwehrleute mit acht Löschfahrzeugen im Einsatz. Die Scheune mit den 20 Ballen Heu konnten die Feuerwehrleute trotzdem nicht mehr retten. An den Mauerwerksresten hat der Ruß schwarz gezeichnet. Sämtliche Holzbalken sind weggekohlt. Vom Dach blieb nichts mehr übrig. Den Traktor, den habe ihr Mann noch rausziehen können, erzählt die 71-Jährige.

Nur noch die Grundmauern stehen: Die Scheune ist abgebrannt.
Nur noch die Grundmauern stehen: Die Scheune ist abgebrannt. © Constanze Junghanß

Aktuell dauern die Ermittlungen der Kriminalpolizei zur Brandursache an. Das bestätigt Polizeisprecher Thomas Knaup auf Nachfrage der SZ. Er sagt: „Im Ergebnis der bisherigen Untersuchungen kann ein technischer Defekt ausgeschlossen werden.“ Die weiteren Ermittlungen der Kripo würden der Frage nachgehen, ob der Brand vorsätzlich gelegt oder fahrlässig verursacht wurde. Der Eigentümer habe den Schaden mit rund 40 000 Euro beziffert. Die Familie hofft, dass die Versicherung für den Schaden aufkommt.

Eva-Maria Brussig erinnert sich an Brände aus der Vergangenheit. Die sind Jahrzehnte her und der Hof gehörte damals der LPG. „Zu DDR-Zeiten wurde einmal mit Absicht Feuer gelegt“, sagt sie. Ein weiterer Brand habe sich vermutlich durch Aschefunken entwickelt. 1993 brannte ein Stapel Reifen und Holz. „Da ermittelte auch die Polizei“, sagt die Landwirtin. Sie und ihr Mann sind zuallererst froh, dass jetzt beim Scheunenbrand weder Menschen noch Tiere zu Schaden kamen. Der Qualm sei zwar bis in den Stall gezogen, die Tiere jedoch zum Glück nicht in Panik verfallen. Nur mit dem Stroh, da wird es jetzt knapp. Bis zum Jahresende werde das Heu aber noch reichen. Dann ist sowieso Feierabend.

Den Hof wollen die Kunnersdorfer abgeben – vielleicht zur Pacht. Gleich nebenan hinter der Wand der Brandscheune ist lautes Schmatzen zu hören: Vier Schweine drängen sich um den Futtertrog. Nur wenige Meter entfernt springen 15 Kälber um einige Mutterkühe. Die haben Brussigs in diesem Jahr eher als üblich von der Weide holen müssen – rein in den offenen Stall, dessen Boden mit frischer Spreu ausgelegt ist. „Es gab draußen wegen der Dürre kaum noch Futter“, so die Schöpstalerin. Im Stall wuseln ein Dutzend oder mehr Meerschweinchen auf dem Boden. Zwei junge Katzen beobachten die Wuselei. Eva-Maria Brussig schaut auf die Vierbeiner, wischt die Hände an der Kittelschürze ab und seufzt. Die Landwirtschaft geben Brussigs zum Jahresende auf. Nicht wegen des Brandes. Der sei kein ausschlaggebender Grund gewesen. Die Entscheidung zur Hofaufgabe habe schon länger im Raum gestanden. Rainer ist 75, seine Eva-Maria – mit der er über 50 Jahre verheiratet ist – schon lange im Rentenalter. Weit über den wohlverdienten Ruhestand haben die zwei weiter fleißig gearbeitet. Hofeigentümer sind sie seit 1991, kauften das Anwesen von der ehemaligen LPG und zogen drei Kinder groß. Das Ehepaar hängt an den Tieren. Doch die Gesundheit werde im Alter nicht unbedingt besser. Und der Pachtvertrag mit den Wiesen laufe sowieso aus. Verlängern werden Brussigs ihn nicht. Nun einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen, falle trotzdem nicht leicht. „Das Herz hängt ja dran“, sagt die Bäuerin. Beruf und Berufung – ein erfüllter Lebenstraum: Das sei der Hof gewesen. Der Viehaufkäufer aus Stuttgart komme die nächsten Tage, um die Kälber zu holen. Die Schweine werden geschlachtet und das Fleisch gleich für den Selbstverbrauch verarbeitet: Wurst, Schinken, Speck. Während Eva-Maria Brussig erzählt, krault sie den Schweinen die Ohren. Die grunzen.