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Mit der Pferdebahn um die Welt

Norbert Kuschinski kennt fast alle Orte, die einmal eine solche Bahn hatten oder haben. Nicht umsonst ist Döbeln sein Alterssitz.

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© Lutz Weidler

Von Heike Heisig

Döbeln. Bei herrlichem Sonnenschein fährt Kutscher Mario Lommatzsch am Sonnabend dreiviertel Zehn mit seinem Auto samt Pferdeanhänger den Museumshof an. Die ersten Fahrgäste warten schon auf dem Niederwerder, während Elko mit routinierten Handgriffen vor den Straßenbahnwagen gespannt wird. „Jetzt wird erst ein kleines Probestück absolviert, dann können die Leute zusteigen“, sagt Norbert Kuschinski. Sein Platz ist für gewöhnlich das Pferdebahnmuseum. Dort führt er Besucher, erklärt wichtige Details, die sonst vielleicht unentdeckt geblieben wären. „Trotzdem bin ich natürlich schon einige Male mit der Pferdestraßenbahn mitgefahren“, versichert er lächelnd. Und bei weitem nicht nur mit der Döbelner.

Norbert Kuschinski hat viele Jahre beim Kraftverkehr und der Straßenbahn in Dresden gearbeitet, die letzten Jahre war er im Dresdener Verkehrsmuseum für den Bereich Nahverkehr zuständig. Darunter fallen Busse und Bahnen, auch die nicht alltäglichen wie Berg- und Pferdestraßenbahnen. Deshalb hatte der damalige Vorsitzende des Traditionsvereins Döbelner Pferdebahn Uwe Hitzschke zu ihm Kontakt aufgenommen. „Das war 2009. Damals ging es darum, das Deutsche Pferdebahnmuseum hier aufzubauen“, erinnert sich Kuschinski. Dabei half er schließlich nicht nur mit Rat, sondern in genauso großem Umfang mit Tat.

Sämtliche Anschauungstafeln an den Wänden im Museumsraum, dem Wagendepot und dem rückwärtigen Weg dahin hat er mit Informationen aus verschiedenen Quellen und dem, was er selbst weiß, gestaltet. Manches hat Norbert Kuschinski schon überarbeitet. Als er das erzählt, zeigt er auf eine indes übersichtliche und gut lesbare Karte mit den ehemals 100 Pferdestraßenbahn-Standorten, die es in Deutschland einmal gab. Viele der Orte hat der Fan dieser besonderen Straßenbahn inzwischen schon aufgesucht, manche mehrfach. In ein paar Tagen will er sich wieder aufmachen. Diesmal sind Bad Salzuflen und Bad Pyrmont sein Ziel. Auch dort gab es Pferdestraßenbahnen, die in Bad Salzuflen war wie die Döbelner bis 1926 in täglichem Betrieb. Noch etwas länger – bis 1949 – konnten Fahrgäste in der Saison auf der Nordseeinsel Spiekeroog in Straßenbahnwagen steigen, denen Pferde vorgespannt waren. Inzwischen verkehrt die genau wie die Döbelner als Museumsbahn.

In vielen Orten findet Norbert Kuschinski nur noch wenig von den historischen Bahnen, die meist von den Bussen abgelöst worden sind. Ausnahmen gibt es aber immer wieder. Zum Beispiel in Zerbst, wo auf dem Marktplatz noch Gleise liegen oder in Stendal, wo ein alter Wagen, montiert auf einem Fahrgestell, noch zu besonderen Anlässen zum Einsatz kommt.

Sein Faible für „schienengebundene Verkehrsmittel“ hat Norbert Kuschinski aber auch ein Stück weiter reisen lassen: nach Australien, England, Österreich und in einige Erlebnisparks. Selbstredend war er in Douglas auf der Isle of Man, wo die Pferdebahn noch mindestens bis Ende der Saison 2018 durch das Ministerium für Infrastruktur der Inselregierung betrieben wird. Schon zweimal war er in Japan, wo nahe der Stadt Sapporo ein Pferdebahnwagen noch in einem Freilichtmuseum ausgestellt ist.

Nach New York würde er sich auf jeden Fall aufmachen, wenn sich das Museum dort entschließen würde, einen Pferdebahnwagen aus den 1850er-Jahren zu zeigen. Zumindest auf dem Papier hat er ihn schon gesehen. Die Aufnahme hängt im Pferdebahnmuseum in Döbeln. Auch dafür gibt es Pläne. „Die sind aber noch nicht spruchreif“, vertröstet der 66-Jährige. Seit er vor einem Jahr in Rente gegangen ist, hat er seinen Lebensmittelpunkt von der Elbe an die Mulde verlagert. Als stellvertretender Vorsitzende des Traditionsvereins ist er sozusagen die rechte Hand von Chef Jörg Lippert. Sein Aufgabengebiet sieht er hauptsächlich im Museum und in der Gestaltung und Aktualisierung von Informations- und Werbematerial. Dass sich ein Besuch im Museum immer lohnt, veranschaulicht Norbert Kuschinski, indem er einen Fernseher anschaltet. Seit kurzem können die Besucher das einzige Filmdokument der Döbelner Pferdestraßenbahn sehen. „Wahrscheinlich aus dem Jahr 1912“, vermutet er. Die Filmsequenz belegt, dass es damals schon Verkehrssünder gab, die dem Zugpferd in die Quere kamen.

www.doebelner-pferdebahn.de