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Mit dem Rollstuhl durch Riesa

Die Stadt lässt ein Angebot für Behinderte wieder aufleben. Die Stadtführung auf Rädern soll sich dauerhaft etablieren.

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© Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Riesa. Solch professionelle Hilfe erlebt man im Alltag selten: Zwei Verkehrspolizisten in gelben Warnwesten sperren die Dr.-Külz-Straße auf Höhe der Poppitzer Straße ab, damit die rund 20 Rollstuhlfahrer und ihre Begleiter die Fahrbahn sicher und in Ruhe überqueren können. Schnell bilden sich zwei Blechkolonnen, die Autos warten geduldig. Die Rollstuhlfahrer schenken der Szene derweil wenig Beachtung, ihre Augen und Ohren gehören allein Volker Thomas, der sie an diesem Sonnabendvormittag durch die Riesaer Altstadt führt.

Die Aktion nennt sich Rollstuhlwanderung und ist eine Kooperation der Kreisarbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände und der Riesaer Stadtverwaltung. Eingeführt hatte die Aktion der Kreis Meißen bereits vor einigen Jahre, doch das Ganze ebbte ab. „Bis ein Riesaer Bürger deswegen unseren Oberbürgermeister kontaktierte“, sagt Martina Wasch. Sie hat sich darum gekümmert, dass das Angebot wiederbelebt worden ist. „Wir alle waren sofort angetan von der Idee, die Wanderung wieder anzubieten. Ich habe mich dann auch gleich an die Umsetzung gemacht“, so die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt.

Und so warten am Sonnabend gegen halb zehn auf dem Rathausplatz bei milden 14 Grad Celsius rund 20 Rollstuhlfahrer und ihre Begleiter. Nach einer kurzen Begrüßung im Namen der Stadtverwaltung übernimmt auch Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) einen Rollstuhl, und die Gruppe setzt sich in Bewegung. Vom Rathausplatz geht es über die Großenhainer Straße auf die Dr.-Külz-Straße bis zum Gasthaus „Goldener Löwe“. Immer wieder stoppt die Gruppe, um den Erklärungen von Volker Thomas zuzuhören. Über den von Bäumen gesäumten Heimweg geht es zur Stegerstraße bis zum Haus am Poppitzer Platz. Kurze Verschnaufpause für alle Beteiligten.

Die Rollstuhlfahrer sind zufrieden mit dem kleinen Ausflug. „Ich bin wirklich angetan von der neuen Wanderung hier in Riesa“, sagt Volkmar Patzelt. Der Behindertenbeauftragte des Landkreises Meißen war schon früher dabei, als die Führungen durch Riesa noch von einem Vorgänger organisiert wurden. „Damals sind wir immer die gleiche Strecke gefahren. Das war nach ein paar Jahren natürlich nicht mehr so spannend.“ Sollte es der Stadt Riesa tatsächlich gelingen, die Wanderungen von nun jährlich mit immer wieder anderen Routen anzubieten, wäre das in den Augen von Patzelt eine enorme Bereicherung für die Region. „Ein solches dauerhaftes Angebot gibt es im Landkreis meines Wissens nach derzeit nicht.“

Martina Wasch will sich bemühen, das Angebot dauerhaft zu etablieren. Dieses Jahr freut sie sich aber erst einmal, dass die anderthalb Kilometer lange Strecke bei den Rollstuhlfahrern gut ankommt. „Wir wollten den Teilnehmern etwas anderes bieten als die altbekannte Route. Die Neue habe ich dann einfach nach Gefühl geplant.“ Über die Felgenhauerstraße geht es weiter Richtung Altmarkt. Die Wolkendecke hält dann doch nicht dicht. Als die Gruppe die Marktgasse erreicht, muss sich Stadtführer Volker Thomas mit seinen Erklärungen sputen. Auf den kurzen Sprühregen folgen immer größere Regentropfen. Die Beteiligten retten sich in das Foyer der Stadthalle Stern. Bei Getränken und Bratwürsten klingt die Rollstuhlwanderung im Trockenen aus. Und für das kommende Jahr erklärt Oberbürgermeister Marco Müller das Wetter zur Chefsache. „Darum werde ich mich bei unserer nächsten Tour höchstpersönlich kümmern.“