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Mit dem Messer im Ärmel

Ein Mann klaut ein paar Lebensmittel im Discounter. Weil er eine Waffe dabei hatte, muss er ins Gefängnis.

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© SZ

Von Thomas Riemer

Riesa. Die Entfernung der Handschellen nimmt er mit einem dankbaren Blick wahr. Auf der Anklagebank wirkt er verlegen und gefasst. Weiß, dass er Mist gebaut hat: Am 28. November 2017 soll der 34-Jährige in einem Discounter in Gröditz ein Käse-Sandwich, einen Energy-Drink und eine Packung Frischkäse im Wert von wenigen Euro in seinem Rucksack gepackt haben – bezahlt hat er indes lediglich ein Brötchen. Ein selbstständiger Ladendetektiv stellte ihn, führte ihn ins Büro.

Dort kam ein Messer zutage, das der Angeklagte in der Ärmeltasche seiner Jacke mitführte. „Diebstahl mit Waffen“ (Paragraf 244 StGB) lautet deshalb nun die Anklage vor dem Riesaer Amtsgericht. Darauf steht eine Strafe von mindestens sechs Monaten Gefängnis, im minderschweren Fall auf jeden Fall drei Monate.

Der junge Mann gesteht den Klau freimütig. „Ich hatte kein Geld und drei Tage nichts gegessen“, sagt er. Für das Brötchen habe es gerade noch gereicht. Und da habe er beschlossen, die anderen Dinge zu stehlen. Beklemmende Stille für einen kurzen Moment. Dass das Portemonnaie wieder einmal leer war, hat mehrere Gründe. Rund 5000 Euro Schulden gibt der Beschuldigte an, von denen er pro Monat rund 50 Euro als Raten abzahlt. Zum Tatzeitpunkt sei die Stromrechnung hinzugekommen – weitere 50 Euro. Als Empfänger von Hartz IV ist ein üppiges Leben sowieso nicht möglich. Wobei: Das meiste Geld gibt der Angeklagte bis heute für Drogen aus. Zwar sieht man das dem 34-Jährigen überhaupt nicht an. Doch nach eigenen Angaben nimmt er täglich seine „Portion“. „Ich mach das schon seit zehn Jahren“, sagt er leise.

Zum Verhängnis jedoch wird ihm das Messer. „Ich wusste gar nicht, dass ich es dabei habe“, beschwört der 34-Jährige. Er habe besagte Jacke vorher längere Zeit nicht getragen und eher gedankenlos angezogen, als er sich auf den Weg von Prösen in den Gröditzer Discounter machte. Das Messer sei noch von einem Arbeitseinsatz bei seinem Onkel Wochen vorher in der Ärmeltasche gewesen.

Wie es im Büro des Discounters ans Licht kam, kann vor Gericht nicht endgültig geklärt werden. Der Angeklagte glaubt, es selbst aus dem Ärmel gezogen zu haben, der Detektiv als Zeuge ist sich nicht sicher. Auch aus dem Protokoll der herzugeholten Polizei geht dazu nichts hervor. Bei der Befragung und Durchsuchung sei der Beschuldigte jedoch „unauffällig und kooperativ“ gewesen, sagt der 39-jährige Zeuge.

Einen festen Wohnsitz kann der Mann zurzeit nicht vorweisen. Seine bisherige Wohnung in Prösen, vom Jobcenter versorgt, wurde ihm gekündigt, weil er dort mehrmals von den Bediensteten nicht angetroffen wurde. Er sei seinerzeit meist bei einem Freund gewesen, zu dem er auch ziehen will, begründet er. Post an die alte Adresse blieb daher ungeöffnet, sodass er auch Termine bei Gericht und der Polizei versäumte. Derzeit verbüßt der gebürtige Elsterwerdaer eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe, weil er wegen Geldnot die Tagessätze aus einer früheren Verurteilung nicht zahlen konnte.

Das Leben hinter Gitter ist nicht neu für ihn – insgesamt neun Vorstrafen sind im Auszug des Bundeszentralregisters vermerkt. Unter anderem wegen Betrug, Hausfriedensbruch, Diebstahl, Unterschlagung und Drogendelikten stand er vor Gericht. Dabei schien sich für den getrennt lebenden Vater einer achtjährigen Tochter einiges zum Guten zu entwickeln. Rund anderthalb Jahre war der Ungelernte als Koch in Österreich tätig. Doch 2013 packte ihn das Heimweh. Hier allerdings fand er seitdem keine Arbeit.

Staatsanwalt und Verteidigung gehen in ihren Plädoyers recht weit auseinander. Das Geständnis sei glaubhaft, die Diebesbeute gering, also könne man von einem minderschweren Fall ausgehen, sagt der Staatsanwalt. Aber: Der Angeklagte stehe unter Bewährung und habe eben das Messer dabei gehabt. Daher sein Antrag: drei Monate Gefängnis. Der Verteidiger plädiert auf eine Geldstrafe. Sein Mandant habe den Diebstahl zugegeben. Bezüglich des Messers „ist keine Gebrauchsabsicht zu erkennen“, der Angeklagte habe es „unbewusst mitgeführt“. Übrig bleibe daher ein „einfacher Diebstahl“.

Dem kann Richterin Ingeborg Schäfer nicht folgen. „Es ist unstrittig: Er hatte eine Waffe dabei“, sagt sie. Sie glaube dem Angeklagten, dass er es nicht wusste. Aber für die Mindeststrafe reiche es aus, „dass man klaut und ein Messer dabei hat“. Deshalb schließt sie sich dem Antrag des Staatsanwaltes an, schickt den Mann für weitere drei Monate in die JVA. Dort kann er sich nun noch auf ein weiteres Strafverfahren vor dem Amtsgericht Bad Liebenwerda vorbereiten. „Sie tanzen auf der Rasierklinge“, gibt ihm die Richterin noch vielsagend mit auf den Weg. Der nunmehr Verurteilte nickt beiläufig, bedankt sich artig bei seinem Verteidiger. Dann klicken wieder die Handschellen.