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Mit dem Klappmesser ins Gericht

Seit drei Jahren kontrollieren Wachmänner die Besucher des Amtsgerichts. Immer öfter finden sie dabei auch Waffen.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann

Riesa. Ein hohes Fiepen ertönt, als der ältere Herr durch die Lichtschranke am Eingang des Amtsgerichts läuft. Das Zeichen für eine detailliertere Kontrolle. „Einmal bitte hier zu mir treten.“ Mit einem Metalldetektor überprüft der Wachmann noch einmal, was die Lichtschranke ausgelöst haben könnte. Auf Brusthöhe schlägt das Gerät an. „Was haben wir denn da noch in der Tasche?“ Es ist das Portemonnaie, versichert der grauhaarige Mann. Darauf verlassen darf sich die Wache nicht. Der Herr muss die Geldbörse vorzeigen. Noch ein kurzer Blick auf den Schlüsselbund und in die mitgebrachte Plastiktüte, dann darf der Besucher das Gerichtsgebäude betreten.

Vor mittlerweile dreieinhalb Jahren wurden an den sächsischen Gerichten flächendeckend Personenkontrollen eingeführt, nachdem es eine Reihe von gewaltsamen Vorkommnissen gegeben hatte. Ein trauriger Höhepunkt war der Tod einer Zeugin 2009 im Dresdner Landgericht. Der Angeklagte hatte im Gerichtssaal mit einem Messer auf sie eingestochen. Noch im gleichen Jahr kündigte Sachsens Justizminister Jürgen Martens eine Verschärfung der Sicherheitskontrollen an.

In Riesa muss seit Oktober 2013 so gut wie jeder Besucher durch eine Schleuse gehen und sich filzen lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er als Angeklagter geladen ist, als Zeuge oder nur einen Termin beim Grundbuchamt hat. Ausgenommen sind die wenigsten, etwa Staatsanwälte, Richter, Polizisten, Pressevertreter und Rechtsanwälte – sofern sie sich ausweisen können. „Wenn ich jetzt an einem anderen Gericht einen Termin hätte und meinen Ausweis vergesse – was durchaus vorkommt – dann werde ich auch kontrolliert“, erklärt Amtsgerichts-Direktor Herbert Zapf. Die Besucher reagierten weitestgehend verständnisvoll auf die kleine Verzögerung. „Viele sehen, dass diese Schutzmaßnahme auch in ihrem eigenen Interesse ist.“

Der Amtsgerichts-Chef hat trotzdem so seine Bauchschmerzen angesichts der strengen Sicherheitsmaßnahmen. „Mir ist das ein Dorn im Auge. Vorher hatten wir den Anspruch: Das Gericht ist für jeden offen, wir fragen nicht nach dem Namen. Das ist auch jahrzehntelang gutgegangen.“ Wer eine öffentliche Verhandlung besuchen wollte, für den sollten die Hürden so niedrig wie möglich sein. Kontrollen habe es deshalb nicht gegeben. „Nur wenn absehbar war, dass es Probleme geben könnte, haben wir uns zum Beispiel von der Polizei unterstützen lassen. Das tun wir auch heute noch.“ Bis auf kleine Handgreiflichkeiten im Warteraum oder den Gängen sei bisher aber nie etwas passiert. „Aber die Zeiten haben sich geändert“, sagt Zapf. Das bestätigen auch die Justizwachtmeister, die seit Einführung der ständigen Kontrolle von den Mitarbeitern eines privaten Wachdienstes unterstützt werden. Was manche Besucher in ihrer Tasche mit sich herumtragen, verstößt bereits gegen das Waffengesetz. Der letzte Fall sei ein Messer mit einer 12 Zentimeter langen Klinge gewesen. Im Februar war das. Einen Monat zuvor: eine Taschenlampe mit eingebautem Elektroschocker, vermutlich aus dem benachbarten Ausland. Schlagringe, Elektroschocker, Klappmesser – die Liste lässt sich fortsetzen. Immer häufiger kommen solche Verstöße auch in Riesa vor, bestätigt das Wachpersonal. „Die Begründung lautet dann meist, man müsse sich in diesen gefährlichen Zeiten doch schützen“, sagt Herbert Zapf und kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Gemessen an der Gesamtzahl der sichergestellten Gegenstände sind diese Fälle aber immer noch die Ausnahme. Meist sind es Alltagsgegenstände, die die Gerichtsbesucher an der Schleuse abgeben müssen. „Schraubenzieher, Hammer, Taschenmesser“, zählt Herbert Zapf auf. Auch Pfefferspray sei immer öfter dabei. Eben alles, womit man einen anderen möglicherweise verletzen könnte. Auch Kopfhörer für das Handy müssen schon mal draußen bleiben. „Meist haben die Leute schlichtweg vergessen, dass sie die Sachen noch einstecken hatten“, sagt Zapf. Sie werden vom Wachdienst verwahrt und können nach der Verhandlung wieder abgeholt werden.

Anders dagegen bei Verstößen gegen das Waffengesetz. In solchen Fällen rufen die Wachtmeister die Polizei, die dann eine Anzeige aufnimmt. Die gefundenen Waffen werden beschlagnahmt, erklärt der Amtsgerichts-Direktor. „Meistens folgt dann ein Strafbefehl.“