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Mister Dreiseithof

Das neue Kulturzentrum ist so gut wie fertig. Ein Einwohner hat sich zehn Jahre lang an dem Projekt beteiligt – im Ehrenamt.

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© Eric Weser

Von Eric Weser

Gröditz. Seine Freunde haben ihn schon gefragt. Was er denn jetzt macht. Das mit dem Dreiseithof ist ja nun bald vorbei. Malte Dronigke lacht und sagt: „Ich würde noch weitermachen, wenn mich einer fragt.“

Das denkmalgeschützte Hofensemble ist seit 2012 saniert worden. Malte Dronigke hat das Bauprojekt von Beginn an betreut.
Das denkmalgeschützte Hofensemble ist seit 2012 saniert worden. Malte Dronigke hat das Bauprojekt von Beginn an betreut. © Eric Weser

Malte Dronigke, 76, ist eigentlich längst Rentner. Er könnte es ruhig angehen lassen. Könnte sich nur noch um seinen 6 000-Quadratmeter-Garten kümmern. Oder mit seiner Frau die Welt bereisen und noch ein paar Länder mehr anschauen, in 130 waren die Dronigkes ja schon. Oder mit seinem Sohn skypen, der in Mexiko lebt und arbeitet. All das macht der Gröditzer aber schon. Und noch mehr: Bis vor Kurzem hat der Mann mit der sonoren Stimme sogar noch gearbeitet. Bauaufsicht. Zwar hat ihn ein Gartenunfall vom Herbst 2017 ein wenig kürzer treten lassen. Aber Tatendrang und Wissensgier hat das nicht ausgelöscht.

Beides hat Malte Dronigke in den vergangenen Jahren zudem auf der größten Gröditzer Baustelle ausleben können: dem Dreiseithof. Der Umbau des historischen Bauerngehöfts zum neuen Kultur- und Vereinszentrum der Stadt – es ist ein Projekt, das viele Handschriften trägt. Unter anderem auch die von Malte Dronigke. Der Gröditzer war von Beginn an dabei, als vor zehn Jahren der Entschluss fiel, dass die Stadt das Gebäudetrio an der B 169 kauft. Gemeinsam mit anderen Gröditzern hatte sich Dronigke zuvor für den Erhalt des prägenden Baus starkgemacht. „Als der letzte Bewohner starb, haben wir gesagt, wir müssen hier was machen.“

Malte Dronigke wird zum Leiter der städtischen Arbeitsgruppe Dreiseithof auserkoren, die damals gemeinsam mit Bauplanern ein Konzept für das neue Kulturzentrum schmiedet. Die Wahl fällt nicht zufällig auf ihn. Dronigke bringt Führungserfahrung und Baukenntnisse mit. „Ich hab ein sehr interessantes Arbeitsleben gehabt, ich musste alle zehn Jahre was Neues machen“, sagt der 76-Jährige und erzählt, wie er einst von der Elektroabteilung des Gröditzer Stahlwerks in den Stahlbau beordert wurde. „Ich hab davon keine Ahnung, habe ich damals meinem Chef gesagt. Macht nichts, lernen Sie“, habe der geantwortet. In 15 Fernstudienjahren erwirbt Malte Dronigke drei Diplome in verschiedenen technischen Fächern. Nach der Wende verlässt er das Stahlwerk und führt eine Baufirma, ehe er kurz nach der Jahrtausendwende in den (Un-)Ruhestand geht.

Sein Wissen bringt Dronigke in die Dreiseithof-Planung ein. Er entscheidet mit, dass das Vorhaben quasi vom Ende her begonnen und die Scheune zuerst ausgebaut wird. „Weil es für die Solaranlage auf dem Dach damals noch eine superhohe Förderung gab.“ Als es 2012 mit dem Dreiseithof-Umbau losgeht, wird Dronigke eine Art ehrenamtlicher Bauleiter – neben den hauptamtlichen Kräften, die für diesen Job bezahlt werden. Dronigke darf Arbeiten in gewissem Umfang koordinieren. Als das Fachwerkhaus im Winter 2014/15 über warm gehalten werden muss, betreut er die Dieselheizanlage, wenn die Handwerker nicht vor Ort sind. Dank Schlüsselgewalt kann er die Arbeiter in die Gebäude lassen. Zeitweise ist er täglich auf der Baustelle. Mit der Architektin setzt er auf der Baustelle Pünktlichkeit durch: Wer zu spät zur Bauberatung kommt, muss Geld in „Henriette“ – ein Sparschwein – einzahlen.

Malte Dronigke ist dabei, als mit den Denkmalschützern um Entscheidungen gerungen wird, die das Gebäudeensemble innerlich und äußerlich prägen: Als die aufwendige Haus-im-Haus-Konstruktion beschlossen wird, damit das Fachwerkhaus eine zeitgemäße Raumhöhe bekommt. Oder als es um die Fachwerk-Farbe geht.

Gegen alle Zweifel

Nicht immer ist der Gröditzer mit den Vorschlägen der Experten einverstanden. „Ein Restaurator hatte das damals untersucht und gesagt, dass die Balken rot waren. Ich sagte, ich kenne das Gebäude seit 70 Jahren, die waren immer bräunlich-schwarz. Das wird schwarz gestrichen!“ Am Ende wird es doch Rot – und Malte Dronigke ist im Nachhinein ganz glücklich damit.

Gerade das 2015 fertiggestellte Fachwerkhaus macht Malte Dronigke heute stolz. „Weil es so vielfältig nutzbar ist.“ Mit der Bibliothek im Erdgeschoss und den vielen Zimmern für verschiedene Vereine im Stockwerk darüber. Mit Genugtuung erfülle ihn zudem, dass die Gröditzer die ersten Veranstaltungen im Dreiseithof so gut angenommen haben. Gröditz sei kein einfaches Pflaster, die Bewohner nur schwer hinterm Ofen vorzulocken, so Dronigke.

Stolz ist er darauf, dass sich das Projekt Dreiseithof gegen alle Zweifler durchgesetzt hat. „Eine riesige Aktie“ daran habe Bürgermeister Jochen Reinicke. „Er hat sich ins Zeug gelegt“, sagt Malte Dronigke und erinnert sich an die späten 2000er und frühen 2010er Jahre, als die Debatte über den mehrere Millionen Euro teuren Dreiseithof-Bau und die quasi gleichzeitige Schwimmhallen-Schließung Bürger und Stadtpolitik in Atem hielten. Dem Bürgermeister rechnet Malte Dronigke hoch an, das Risiko eingegangen zu sein, den Dreiseithof notfalls auch mit städtischem Geld bauen zu müssen. Dass die vom Land versprochenen Fördergelder wie erhofft fließen würden, habe den Gröditzern damals niemand garantieren können.

Heute sieht es so aus, als sei das Wagnis geglückt. Bis Ende März sollen im Auszugshaus mit der gelblichen Fassade die letzten Arbeiten laufen. Malte Dronigkes Hilfe als Bau- und Technikexperte wird bald nicht mehr gefragt sein. „Ich komme dann nur noch als Gast“, scherzt der 76-Jährige. Das Mitglied im Gröditzer Heimatverein will jetzt helfen, den Dreiseithof weiter zu beleben. Und vielleicht demnächst auch mal den historischen Backofen im Erdgeschoss des Auszugshauses bedienen. „Ein bisschen kenn’ ich mich mit Backen aus, mein Schwiegervater war Bäcker“, sagt Dronigke und lacht.

Der praktisch veranlagte Techniker kann sich aber auch anderes vorstellen. Ein neues städtisches Vorhaben, das er betreuen könnte, gäbe es mit dem ab 2019 geplanten Sporthallenbau am Eichenhain. Gefragt habe ihn da aber noch keiner. Ob er es machen würde? „Na klar!“