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Mission Futtersuche

Der Wildpark Osterzgebirge beschreitet ungewöhnliche Wege, um die Tiere satt zu bekommen. Viehzüchter ergreifen Notmaßnahmen.

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© Egbert Kamprath

Von Anja Ehrhartsmann und Mandy Schaks

Osterzgebirge. Zum Glück ist Frank Gössel seit Juni im Ruhestand. Und zum Glück kümmert er sich trotzdem weiter als Chef um den Wildpark Osterzgebirge. Dort wird jetzt jede helfende Hand dringender denn je gebraucht. Gössel ist nicht nur ein umtriebiger Senior, er ist sich auch nicht zu schade Klinken zu putzen, sich selbst auf die Wiese zu stellen und Futter zu machen. „In den Gehegen steht doch kein Halm mehr“, sagt er. Alles ist schon weggefuttert, und angesichts der Trockenheit wächst auch so gut wie nichts nach.

Wildpark-Leiter Frank Gössel mäht mit ehrenamtlicher Hilfe von Lutz Langer (vorn) und Roland Barthel in Fürstenwalde auf einem Grundstück an der Querstraße frisches Gras für die Tiere im Wildpark.
Wildpark-Leiter Frank Gössel mäht mit ehrenamtlicher Hilfe von Lutz Langer (vorn) und Roland Barthel in Fürstenwalde auf einem Grundstück an der Querstraße frisches Gras für die Tiere im Wildpark. © Egbert Kamprath

Gössel, selbst ein Mann vom Dorfe, der viele Leute kennt, die wieder jemanden kennen, ist in seinem Heimatort fündig geworden. Ein paar Fürstenwalder haben dem Wildpark Wiesen zur Verfügung gestellt, die mäht er mit ehrenamtlichen Helfern ab. Das frische Gras wird sofort in den Wildpark geschafft und an die Tiere verfüttert. Was übrig ist, daraus wird Heu gemacht. Das klingt erst mal gut. Doch Gössel mag gar nicht an den Winter denken.

Die Weiden werden braun

er Wildpark konnte sich in den vergangenen Jahren auch in der kalten Jahreszeit der Unterstützung von Sponsoren gewiss sein. So haben zum Beispiel Landwirtschaftsbetriebe wie die Agrargenossenschaften Johnsbach, Liebenau und Fürstenau, aber auch der Förderverein für die Natur des Osterzgebirges, unentgeltlich Futter bereitgestellt. Doch was sollen sie geben, wenn sie selbst nicht genug haben?

In den vergangenen Wochen und Monaten hat es zu wenig geregnet. Meteorologen stufen den Monat Juli sogar als „starke Dürre“ ein. Die vier Wetterstationen des Wettervereins Zinnwald-Georgenfeld haben nur 20 bis 25 Prozent des üblichen Niederschlags gemessen. Das wirkt sich nicht nur auf die Erträge der Getreide- oder Kartoffel-Ernte aus, sondern zeigt sich auch beim Futter, das die Tiere über den Winter bringen soll. Bereits der sogenannte erste Schnitt, bei dem das Gras von den Wiesen eingefahren wird, war weitaus weniger ergiebig als in Durchschnittsjahren. Nicht besser sieht es bei der Heuernte aus. „Auf knapp 200 Hektar haben wir dieses Jahr 300 Ballen Heu eingefahren, sonst sind es 800 bis 1 000“, sagt Michael Klemm, der auf seinem Hof in Hartmannsdorf Limousinrinder züchtet und das Futter für seine Tiere selbst produziert. Bisher habe er nur knapp 50 Prozent dessen eingefahren, was er sonst in normalen Jahren an Heu und Grassilage bekomme.

„Die Futterknappheit betrifft uns alle“, sagt Michael Klemm und spricht damit wohl für viele Viehhalter. Die Weiden werden langsam braun, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Tiere dort kein Futter mehr finden und die Landwirte zufüttern müssen. „Wir haben zum Glück wenig Vieh auf viel Weide, sodass die Tiere noch länger etwas finden.“ Wichtig sei außerdem eine ausreichende Wasserversorgung. „Wir fahren jeden Tag die Wasserfässer durch die Gegend.“

Seine Hoffnung liegt nun auf dem Mais und angekündigten Niederschlägen, die in den kommenden Wochen dringend gebraucht werden. Denn nur wenn es bald regnet, bestehe die Chance, dass bis Oktober noch mal etwas wächst, das an die Tiere verfüttert werden kann. „Es gibt immer noch viele Betriebe, die nicht wissen, wie sie ihre Tiere über den Winter bekommen sollen“, macht er die teils prekäre Situation klar, in der sich manch Landwirt befindet. Schließlich hat es in einigen Gebieten über Wochen so gut wie gar nicht geregnet. „Ein Gewitterguss hilft ein bisschen was, aber hauptsächlich müsste es mehrere Tage so richtig schön regnen, damit der Boden aufweichen und das Wasser aufnehmen kann“, sagt Michael Klemm. „Wenn es die nächsten 14 Tage aber nicht regnet, beginnen wir zuzufüttern.“ Zum Glück habe er vom letzten Jahr noch etwas übrig, „das ist unsere eiserne Reserve“, erklärt der Rinderzüchter. „Wenn ich aber im September schon anfangen muss zuzufüttern, dann sind das zwei Monate mehr als sonst.“

Rindfleischgeschäft bricht ein

Obwohl der Winter noch in weiter Ferne scheint und die Tiere noch etwas Gras auf den Weiden finden, hat das schlechte Ernteergebnis bereits Konsequenzen. Durch die Hitze sei das Rindfleischgeschäft derzeit auf einem Tiefpunkt. Da sich oftmals bereits abzeichne, dass das Tierfutter über den Winter knapp wird, verkaufen viele Bauern ihre Tiere billig. „Die Schlachthöfe kommen nicht mehr hinterher“, sagt Michael Klemm, der selbst auch im Viehhandel tätig ist. Im Großhandel bekämen die Bauern für das Fleisch ihrer Kühe mittlerweile fast 70 Cent pro Kilogramm weniger, berichtet er. „Es ist eine sehr ernstzunehmende Situation“, betont Klemm, die vor allem ganz Mitteleuropa betreffe. „Ich habe mit Freunden in Dänemark und Irland gesprochen, Letzteres eigentlich bekannt als die Grüne Insel, dort ist es so trocken wie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie.“ Er wisse auch von Viehhaltern, die gerade mit einem Kredit der Bank einen neuen Stall gebaut haben, den sie nun aber nicht voll mit Tieren besetzen können, weil sie das nötige Futter nicht haben. Das bedeutet finanzielle Verluste. „Auch wir werden bis zum Winter 40 bis 50 Kühe abbauen, um uns an die Futtersituation anzupassen. Denn für uns ist es das A und O, dass die Tiere gut versorgt sind, dann lieber weniger.“

Wildpark-Chef Frank Gössel läuft mit seinen Helfern derweil jedem Grashalm hinterher. Er fragt inständig: „Wer kann uns Heu abgeben?“