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„Mir ist der Hoeneß nicht davongelaufen“

Fußballlegende Frank Ganzera spricht über seine Highlights gegen Ajax, Juventus und Bayern. Und natürlich Dynamo.

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Von Thomas Riemer

Das stimmt.“ „Das ist richtig.“ Immer wieder muss Moderatoren-Legende Gert Zimmermann bei Frank Ganzera nachbohren. Der 71-Jährige ehemalige Spieler von Dynamo Dresden gibt sich bescheiden und recht wortkarg. Aber da hat er beim Fußballtalk in Schönfeld die Rechnung ohne „Zimmi“ gemacht. Denn der kennt sich in Ganzeras Fußball-Karriere besser aus als sein Gast selbst.

Und doch gibt es Themen, da taut der frühere Abwehrstratege auf. Vor allem, wenn es um Dynamo Dresden geht. Jenen Verein, bei dem Frank Ganzera 1959 anfing, mit dem er Höhen und Tiefen erlebte, zu dessen Spielen er noch heute regelmäßig geht und zu dessen Ehrenrat er gehört. „Wenn man so viele Jahre für Dynamo gespielt hat, dann bleibt man auch dabei“, sagt er. Und deshalb habe er auch für die aktuellen Querelen im Verein kein Verständnis. Während des krankheitsbedingten Ausfalls von Sportgeschäftsführer Ralf Minge habe es „einen Riss in der Geschäftsstelle“ gegeben. Minge, inzwischen wieder im Amt, habe mit dem neuen Trainer Maik Walpurgis einen Mann geholt, „der wieder Dynamik ins Spiel gebracht hat“. Warum ausgerechnet jetzt, da sich wieder Erfolge einstellen, an Minges Stuhl gesägt wird, verstehe er deshalb nicht. Nach einer Erklärung des Aufsichtsrates vom Donnerstag hofft Frank Ganzera aber, „dass jetzt Weichen gestellt werden, um wieder Ordnung in die verfahrene Kiste zu bringen“. Damit hat die Fußballlegende den Beifall von knapp 50 Schönfelder Zuhörern schon mal auf seiner Seite.

Weder Ganzera noch Gert Zimmermann wollen die kleine Dynamo-Erfolgswelle überbewerten. „Es sind Punkte gegen den Abstieg“, sagt der heutige Bannewitzer. Beim einstigen Erfolgsclub hat er viele Höhenflüge mitgemacht. Seine Oberliga-Karriere indes startete 1967 mit einem 0:3 – bei Wismut Gera. „Was am schlimmsten ist: Meine spätere Frau war da“, schmunzelt Ganzera. Sie war „höchstens 15“ und als Fan ins Thüringische mitgereist. „Damals kannten wir uns noch nicht“, sagt Frank Ganzera mit verschmitztem Lächeln. Sein Aufstieg bei Dynamo war dennoch unaufhaltsam. Unter Trainer Walther Fritzsch – „einer, der an die absoluten Grenzen ging“ – wurde er Stammspieler, gemeinsam mit dem starken 47er Geburtsjahrgang Wätzlich, Kreische, Heidler (48), Riedel.

Ein Bier mit dem Klassenfeind

Bei Ajax Amsterdam, einem der ersten Europacup-Highlights, schlug man sich beim 0:2 achtbar. Nach dem Spiel gab es für einige Akteure noch „ein Bier mit dem Klassenfeind. Das war verwerflich“. Frank Ganzera bekam es mit der Macht zu tun. Zwei Tage nach Amsterdam sollte er bei einem Länderspiel gegen Mexiko auflaufen. „Ich war schon umgezogen, da kam der Präsident Schneider und sagte zu mir: Du kannst Dich wieder ausziehen.“ Ob ihn das gewurmt hat, will Gert Zimmermann wissen. Die Antwort duldet keinen Widerspruch: „Ja, na klar.“.

Noch einmal kam Ganzera als Sportler mit der Politik ins Gehege. Die Dimension war eine andere: das Olympia-Attentat von München 1972. „Zuerst hat ein Ringer bei uns an der Tür geklopft und gesagt, dass draußen Leute mit Maschinenpistole stehen“, erzählt Frank Ganzera. Er habe gelacht, sich wieder ins Bett gelegt. Anderthalb Stunden später sah er es dann selbst, weckte seinen Mannschaftskollegen Reinhard Häfner. „Der hat sich an die Stirn getippt – und lag dann genauso schnell auf dem Boden.“ Was lustig klingt, war nicht zum Lachen. „Die Sache war nicht so locker wegzustecken“, so Frank Ganzera. Dass er in München mit dem dritten Olympiaplatz der DDR-Mannschaft seinen größten sportlichen Erfolg feierte, geriet für den ehrgeizigen Aktiven fast zur Nebensache. „Die Medaille ist gut, aber eben nur aus Bronze.“

Unvergessen bleibt die Saison danach mit Dynamo im Europapokal der Landesmeister. Gegner in Runde eins gleich Juventus Turin. „Es war vielleicht das beste Heimspiel, das Dynamo je gemacht hat“, erinnert sich Frank Ganzera an den 2:0-Erfolg. Beim Gastspiel in Turin gab‘s zwar eine 2:3-Niederlage – aber Dynamo war weiter. „Es war ein wahnsinniges Spiel. Aus Wut wollten diese verrückten Italiener nach dem Spiel unseren Bus umkippen.“

Und dann kam Bayern München. „Eine bessere Auslosung hätte es nicht geben können“, kommentiert Frank Ganzera. Ob es vor dem Ost-West-Aufeinandertreffen „mehr Politunterricht als Training“ gab, wie von Gert Zimmermann vermutet, lässt der 1,86-Hüne offen. Andere Dinge sind in Erinnerung geblieben. Ganzera tauschte als Dynamo-Kapitän den Wimpel mit „dem großen“ Franz Beckenbauer. Später, im Spiel, führte er den Kaiser mit einem simplen Übersteiger vor. „Beckenbauer ist voll darauf reingefallen“, freut sich Ganzera noch heute diebisch. Das Ergebnis ist bekannt: In München verlor Elbflorenz unglücklich mit 3:4, daheim reichte es „nur“ zu einem 3:3, nachdem der heutige Bayern-Manager Uli Hoeneß seinen Gegenspieler Eduard Geyer entwischte und zwei Konter eiskalt zur frühen Führung nutzte. „Klar wussten wir, wer Hoeneß ist“, sagt Frank Ganzera. Und fast schelmisch fügt er an: „MIR ist er nicht davongelaufen.“

Dass Dynamo in München verlor, daran habe übrigens auch Erfolgstrainer Fritzsch eine gewisse Mitschuld getragen, weil er taktisch falsch wechselte. Es war nicht der einzige „Irrtum“ des Coaches. Frank Ganzera muss lachen, bevor er erzählt. Als es gegen Partizan Belgrad 1970 im damaligen Messepokal nach torlosem Hinspiel 4:0 zur Halbzeit hieß, sei Fritzsch nervös in die Kabine gekommen. „Wenn Belgrad jetzt zwei Tore schießt, sind wir raus, weil Auswärtstore doppelt zählen“, soll er gesagt haben. Frank Ganzera: „Und er hat das ernst gemeint.“