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Millimeterarbeit auf der Autobahn

Der Bau einer Brücke über die A 4 ist minutiös geplant. Die Bauleute haben genau 34 Stunden.

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© Thorsten Eckert

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Karsten Mühlmann wirkt vollkommen gelassen. Ab Donnerstag hat er Urlaub. Er wird das große Finale also schlichtweg verpassen. Zum ersten Mal wird der Referatsleiter aus dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr nicht dabei sein, wenn eine neue Brücke über eine sächsische Autobahn gehoben wird. Dabei hat der 52-Jährige auf diesen Moment seit Monaten hingearbeitet. „Macht nichts“, sagt der Projektleiter und schiebt sich den gelben Bauhelm ein Stückchen aus dem Gesicht. „Das läuft jetzt hier auch ohne mich.“

© SZ-Grafik

Karsten Mühlmann steht oben auf einem der fertigen Brückenpfeiler und blickt hinunter auf die Autobahn, wo der Verkehr sich langsam den Weg durch die Baustelle bahnt. Er sieht die Bauarbeiter bei den letzten Vorbereitungen. „Alles Vollprofis“, sagt er anerkennend. Es ist alles vorbereitet, was vorbereitet werden kann. Minutiös und auf den Millimeter genau: „Nach allem menschlichen Ermessen kann jetzt nichts mehr schiefgehen“, ist Mühlmann sich sicher. „Es ist alles mehrfach durchdacht, mehrfach besprochen und mehrfach geprüft.“ Was soll den Projektleiter da jetzt noch aus der Ruhe bringen?

Spezialkräne für Tonnenlasten

Hier, in Sichtweite der Leppersdorfer Sachsenmilch-Werke, wird an diesem Wochenende eine tonnenschwere Zweifelder-Brücke über die A 4 gehoben. Die Brücke ist Teil der neuen Umgehungsstraße S 177, an der schon jahrelang gebaut wird und die – wenn sie dann mal fertig ist – nahtlos von Pirna bis nach Dresden führen wird. Mehr als ein halbes Jahr lang haben Mühlmann und seine Mitarbeiter auf dieses eine Wochenende hingearbeitet.

Vollsperrung auf der A 4

Die Vollsperrung beginnt am Sonnabend, 18 Uhr, dauert den ganzen Sonntag über an und soll planmäßig am Montagmorgen, 4 Uhr, wieder aufgehoben werden.

Die Umleitung erfolgt in beiden Fahrtrichtungen auf der ausgeschilderten Umleitungsstrecke U 20 und U21 über Seifersdorf, Feldschlösschen, Radeberg und Leppersdorf.

In Richtung Dresden wird auf der Umleitungsstrecke ab Sonntagnachmittag mit erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet.

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Die Bauleute, alles Spezialisten, die das nicht zum ersten Mal machen, haben genau 34 Stunden – von Sonnabend, 18 Uhr, bis Montagfrüh, 4 Uhr. So lange soll und muss die Autobahn zwischen den Anschlussstellen Ottendorf-Okrilla und Pulsnitz gesperrt werden. Ohne eine Vollsperrung geht es nicht, weiß Karsten Mühlmann. So ein Brückenbau braucht Baufreiheit – allein schon für die zwei riesengroßen Spezialkräne, die die einzelnen Brückenelemente gemeinsam hochhieven und an die exakte Einbauposition bringen müssen. Achtmal muss das passieren. Jedes Trägerelement ist mehr als 40 Meter lang und über 70 Tonnen schwer. Ein Kran alleine könnte so eine Last gar nicht in Position bringen. Unten am Boden wird dann der Richtmeister stehen und den beiden Kranführern über Funk die Anweisungen geben. Tonnenschwere Millimeterarbeit wird das. „Den ersten Träger zu setzen, das ist immer das Schwierigste“, weiß Brückenbauingenieur Mühlmann. Der muss exakt nach der Vermessung ausgerichtet werden. Zehneinhalb Stunden sind im eng gestrickten Zeitplan allein dafür vorgesehen: von Sonntag früh, 6 Uhr, bis Sonntagnachmittag, 16.30 Uhr. Dann muss es geschafft sein.

Auch wenn Tag und Nacht durchgearbeitet wird, wenn die Baustelle nachts vom Scheinwerferlicht taghell erleuchtet ist, so lässt sich Millimeterarbeit doch viel besser bei Tageslicht machen. „Es ist unser hehres Ziel, alle Elemente noch bei Tageslicht auf die Widerlager zu bekommen“, sagt Karsten Mühlmann, „und es ist theoretisch auch zu schaffen.“

Hauptsache kein Wind

Die über 40 Meter langen Trägerelemente werden schon am Sonnabend zur Baustelle gebracht. Acht Tieflader fahren damit in der Nacht vom Betonwerk Elster an der Elbe, wo sie passgenau hergestellt wurden, über die A 9 und die A 14 bis zur Baustelle auf der A 4. Auch dieser Schwerlasttransport ist minutiös geplant. Und auf den Millimeter genau ist in den Bauplänen aufgezeichnet, wo exakt die Träger dann liegen und die beiden Kräne andocken müssen. Die Kräne werden dafür direkt auf der Autobahn aufgebaut. Sobald die Strecke am Sonnabendabend gesperrt ist, geht es los. Spätestens Sonntag früh um vier müssen sie stehen.

Oben auf dem Widerlager kommt eine Windböe auf. Karsten Mühlmann blickt zum Himmel und runzelt die Stirn. „Starken Wind können wir am Wochenende überhaupt nicht gebrauchen“, sagt er. Wenn so ein tonnenschweres Element einmal am Kran hängt, darf es nicht ins Wanken geraten. Das würde der Kran nicht halten können. Aber das Wetter kann nun mal niemand planen. Und bisher, erinnert sich der Projektleiter, hat es auch nur ein einziges Mal bei so einem Brückenbau dazwischengefunkt. Das war im Winter. Auf der Autobahn war Eisglätte, und die Thüringer Polizei hatte sich veranlasst gesehen, den Tiefladern mit den Trägerelementen die Weiterfahrt zu untersagen. Als Vorsichtsmaßnahme. Der ganze minutiös geplante Coup musste abgebrochen werden.

Auch für das kommende Wochenende gibt es einen Ausweichtermin. Den aber wird es nicht brauchen, ist Karsten Mühlmann zuversichtlich. Es wir alles laufen wie geplant, verspricht er. Und er bittet schon jetzt um Verständnis. Vor allem die Anwohner an der Umleitungsstrecke und die Pendler, die am Sonntagabend in Richtung Dresden fahren. Am Sonntagabend wird es in dieser Richtung erfahrungsgemäß eng auf der A 4, vor allem auch nach 22 Uhr, wenn das Sonntagsfahrverbot für Lkw wieder aufgehoben ist.

Aber anders ist es nicht zu machen. Die Bauleute werden sie brauchen, die 34 minutiös geplanten Stunden.