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Meißen nach der Wahl

Richters Unterstützer wollen den OB genau auf die Finger schauen. Er selbst meldet sich arbeitslos und plant ein Buch.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson und Ulf Mallek

Meißen. Die Wunden lecken, den Kater vertreiben: Den Montag nach dem knappen Sieg des parteilosen Olaf Raschke über seinen ebenfalls parteilosen Herausforderer Frank Richter haben die Unterstützer der beiden Kontrahenten ganz unterschiedlich verbracht. Erste Analysen werden unternommen. Fragen tauchen auf, die durch die Konzentration auf den Endspurt zum zweiten Wahlgang am Sonntag zunächst in den Hintergrund verdrängt worden waren.

Stadt bleibt geteilt

Kurz zusammengefasst: Meißen rechts der Elbe hat sich – wie schon vor zwei Wochen – erneut größtenteils für den amtierenden Rathauschef entschieden. In insgesamt acht Wahlbezirken holte Raschke dort die Mehrheit. Die Stadtteile links der Elbe bleiben dagegen Hochburgen für Frank Richter. Der 58-Jährige lag dort in fünf, teils sehr stimmstarken Wahllokalen vorn. Zusätzlich holte er den Sieg gleich in beiden Briefwahlbezirken.

Spekulationen um Stimmwanderung

Schon während die ersten Resultate am Sonntagabend im Ratssaal an die Wand geworfen wurden, begann die Diskussion darum, wie das Ergebnis zustande gekommen sein könnte. Der Theologe Frank Richter griff dabei eine Formulierung der alternativen Berliner Tageszeitung taz auf, wonach Raschke nun ein Oberbürgermeister von Gnaden der AfD sei. Nochmals schärfer fiel dann am Montag eine Mitteilung des Meißner Linken-Chefs Tilo Hellmann aus. Eine „unheilige Allianz aus CDU, AfD und weiterer reaktionärer Kräften“ habe gewonnen. Ihre „Kleingeistigkeit“ habe „diese Stadt genau dorthin geführt, wo sie jetzt ist.“

Am Wahlabend hatten sich mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter und dem unterlegenen AfD-Mitbewerber Joachim Keiler zwei Vertreter der Partei forsch an Raschke gedrängt, um diesem zu seinem Sieg zu gratulieren. Über die tatsächliche Wählerschaft des amtierenden Rathauschefs sagt dies nichts aus. Dass dieser an Richter vorbeizog, könnte auch mit neu erschlossenem Potenzial unter Nichtwählern zu begründen sein.

„Die Formulierung von Richter passt nicht“, sagte der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Meißner Stadtrat Falk Werner Orgus. Für Raschke könnten genauso gut ehemalige Wähler der Linken gestimmt haben, wie AfD-Sympathisanten für Richter, so am Montag der Christdemokrat. Er halte es für falsch, die Raschke-Wähler derart abzustempeln. Er ziehe ein ganz anderes Fazit: Seiner Ansicht nach habe die Wahl sehr gut demonstriert, dass am Ende jede Stimme zähle.

Weitgehend Einigkeit herrscht unter Beobachtern des Wahlkampfes dagegen darüber, dass die Kandidatur von FDP-Stadt- und Kreisrat Martin Bahrmann vor allem aus dem Richter-Lager Stimmen abgezogen haben dürfte. Dafür spricht, dass Bahrmann wie Richter für einen Wechsel an der Rathausspitze stand und vor allem jüngere Wähler angesprochen hat.

Buch über den Wahlkampf

Der unterlegene Herausforderer Frank Richter hat sich SZ-Informationen zufolge jetzt als arbeitslos gemeldet. Gleichzeitig wurde bekannt, dass er ein Buch über seine Erlebnisse im Meißner Wahlkampf während der vergangenen rund fünf Monate plant. Der ihn unterstützende Verein „Meißen kann mehr“ kündigte an, Stadtrat und Oberbürgermeister auch künftig weiter „auf die Finger zu schauen“. Insbesondere solle geprüft werden, ob Raschke seine Wahlversprechen einhalte, so Sprecher Walter Hannot. Überlegt werde zudem, eigene Kandidaten bei der im kommenden Jahr anstehenden Stadtratswahl ins Rennen zu schicken.

Bahrmann sucht Mitstreiter

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Martin Bahrmann richtet den Blick ebenfalls nach vorn. „Nächstes Jahr sind Kommunalwahlen, und ich bin für jede Hilfe dankbar“, teilte der 31-Jährige am Montag mit. Besonders über den Stadtrat sei es möglich, Entscheidungen zu beeinflussen und Meißen auf neue Wege zu führen. Er suche Unterstützer für seine Stadtratsliste.

Wichtige Beschlüsse im Stadtrat

Am Mittwochabend dürfte sich zeigen, inwieweit es im Stadtrat möglich ist, Raschkes Forderung nach einer schnellen Rückkehr zur Sachpolitik zu folgen. Die Tagesordnung umfasst jede Menge städtischer Streitthemen. So soll über einen modernen Caravan-Stellplatz am Elbkai diskutiert werden. An den Landkreis sind für die Umlage zusätzlich rund 420 000 Euro zu zahlen – angesichts der angespannten Haushaltslage kein Pappenstiel. Zu den weiteren Punkten zählen ein Lkw-Verbot für den Plossenaufstieg und die Barrierefreiheit des grob gepflasterten Domplatzes.

CDU-Fraktion berät Kurs

Zu einer regulären Sitzung kommen am Montagabend die Mitglieder der CDU-Fraktion im Meißner Stadtrat zusammen. Während des Wahlkampfs hatte Fraktionschef Falk Werner Orgus sich mit mehren Spitzen gegen Olaf Raschke gewandt. Er habe sich jedoch nicht ausdrücklich als Gegner des Oberbürgermeisters positioniert und eine Wahlempfehlung gegen diesen abgegeben, sagte Orgus am Montag bei einem Anruf der SZ. Er verstehe seine Hinweise und Kritiken vielmehr als Anregungen, die ja auch bereits einiges bewirkt hätten. Aus den Reihen seiner Fraktionsmitglieder, die zu großen Teilen Raschke unterstützten, sei bislang sein Posten als Vorsitzender nicht infrage gestellt worden. CDU-Stadtrat Jörg Schlechte sieht in Orgus’ Verhalten derzeit ebenfalls keinen Grund, diesen abzulösen. „Die Fernsehkameras sind jetzt weg, wir sind aber noch da und machen unseren Job“, so der Christdemokrat.