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Mehr Eiben hat keiner

Der Wald zwischen Schlottwitz und Großröhrsdorf ist besonders. Förster Holger Lohse erklärt, warum.

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© Frank Baldauf

Osterzgebirge. Entlang der Grenze zwischen den früheren Kreisen Pirna und Dippoldiswalde befindet sich ein ganz besonderer Wald. Hier, an den Steilhängen bei Schlottwitz, stehen besonders viele Eiben. Diese Baumart gilt als gefährdet. Deshalb steht sie auf der Roten Liste. Die SZ traf sich mit Holger Lohse. Der Hermsdorfer arbeitet im Landratsamt Pirna beim Referat Forst des Umweltamtes. Dort kümmert man sich darum, dass der Bestand erhalten bleibt.

So sehen Eiben aus, wenn sie noch ganz klein sind.
So sehen Eiben aus, wenn sie noch ganz klein sind. © Frank Baldauf
Holger Lohse arbeitet beim Referat Forst des Landratamtes. Der Förster aus Hermsdorf/Erzgebirge steht vor der Tausendjährigen Eibe. Sie ist das Wahrzeichen von Schlottwitz.
Holger Lohse arbeitet beim Referat Forst des Landratamtes. Der Förster aus Hermsdorf/Erzgebirge steht vor der Tausendjährigen Eibe. Sie ist das Wahrzeichen von Schlottwitz. © Frank Baldauf

Herr Lohse, kürzlich fand eine Wanderung am Müglitztalhang in Schlottwitz statt. Der Veranstalter warb damit, dass dort Sachsens größter Eibenwald steht. Können Sie das bestätigen?

Ja. Oberhalb von Schlottwitz gibt es den größten zusammenstehenden, natürlich entstandenen Eibenbestand in Sachsen. Hier stehen etwa 300 große und kleine Eiben. In Sachsen gibt es nur einen Wald, der mehr Eiben hat. Dieser befindet sich bei Tharandt. Dort stehen etwa 400 Eiben. Im Unterschied zum Schlottwitzer Bestand wurde dieser Wald von Menschen und aus wissenschaftlichem Interesse angelegt. Tharandt ist ja seit gut 200 Jahren ein Zentrum der Forstwissenschaften. Einen weiteren größeren Bestand an Eiben haben wir im Seidewitztal. Hier stehen etwa 180 dieser bei uns sehr seltenen Bäume.

Wie schneidet Sachsen im Vergleich zu anderen Bundesländern ab?

Wir haben im Vergleich zu anderen Ländern nur sehr wenige Eiben. Wälder mit viel größeren Eibenbeständen gibt es zum Beispiel in Oberbayern am Nordrand der Alpen, entlang der Werra zwischen Thüringen und Hessen sowie im Eichsfeld. Deutschlands bedeutendstes Eibenvorkommen gibt es übrigens unweit der Ortschaft Paterzell. In dem rund 88 Hektar großem Naturschutzgebiet wurden rund 2 300 Eiben gezählt. Europas größter Wald mit Eiben steht hingegen in der Slowakei. Dort soll es rund 300 000 Eiben geben.

Den Begriff „Eibenwald“ scheuen Sie. Warum?

Reine Eibenwälder gibt es nicht.

Warum?

Eiben bilden mit anderen Bäumen Mischwälder, so ist es auch in Schlottwitz. In diesem 78 Hektar großen Naturschutzgebiet stehen Kiefern, Hainbuchen, Eichen, Ahornbäume und Buchen. Die Eiben stehen im Unterstand, sie kommen gut mit dem Schatten zurecht. Selbst die berühmte Tausendjährige Eibe steht mitten im Wald und wird von anderen Bäumen überragt.

Sie erwähnten die Tausendjährige Eibe. Ist sie wirklich so alt?

Das ist schwer zu sagen, weil der Stamm sehr knorrig ist. Forstwissenschaftler sind sich einig, dass Eiben durchaus tausend Jahre alt werden können, und bei dieser könnte man es glauben. Doch ich gehe davon aus, dass dieser Baum etwa 500 Jahre alt ist. Damit hat er es trotzdem in die Liste von Sachsens Baumchampions geschafft. Außerdem gilt dieser Baum als Naturdenkmal. In Schlottwitz weiß man das übrigens zu würdigen. Die Wanderwege in diesem Wald sind in einem sehr gepflegten Zustand. Andernorts wachsen Wege zu, hier stehen sogar Bänke zur Rast. Es macht Spaß, den Wald zu erkunden.

Warum steht gerade bei Schlottwitz das größte Eibenvorkommen Sachsens?

Das liegt am Boden. Die Eiben kommen mit dem Gneis und Quarzporphyr, der sich hier unter dem Boden befindet, gut zurecht. Zudem ist der Wald hier sehr steil und schwer zugänglich. Das hat die Eiben vor der Rodung bewahrt.

Was ist das Besondere an der Eibe?

Sie ist nicht nur ein sehr seltener Baum, der in Deutschland sogar auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Dass es heute nur noch sehr wenige Bäume gibt, liegt auch an den Eigenschaften des Holzes. Eiben wachsen sehr langsam. Deshalb ist ihr Holz sehr hart und vor allem in England sehr begehrt. Es gab Zeiten, da wurden in Deutschland viele Eiben gerodet und über den Kanal verschifft. Das ist vorbei, die Eibe steht unter Schutz. In Schlottwitz kümmert sich übrigens der Forstbezirk Neustadt/Sachsen um den Erhalt dieses Bestandes.

Wie sieht das aus?

Damit Rehe die Nadeln der kleinen Bäumchen nicht wegbeißen, werden denen kleine Drahtkörbchen übergestülpt. Manchmal wird es bei größeren Bäumen nötig, einen anderen für das Wachstum störenden Baum herauszunehmen. Das wird dann gemacht, ist aber die absolute Ausnahme. Eiben gelten als sehr robust und anpassungsfähig. Das ist bei der Tausendjährigen Eibe zu sehen. Sie besitzt ein Wurzelgeflecht, dass es ihr möglich macht, an diesem Steilhang zu stehen. Aus dem Stamm wachsen kleine Triebe – so etwas gibt es bei den meisten anderen Bäumen nicht. Wenn man zum Beispiel eine Fichte fällt, wächst da nichts mehr.

Eiben gelten auch als giftig. Ist da etwas dran?

Das stimmt. Wer die Nadeln, das Holz, die Rinde oder den Samen berührt hat, sollte sich danach die Hände waschen. Das Gift wirkt schädlich auf die Verdauungsorgane, das Nervensystem, die Leber und die Herzmuskeln aus. Deshalb ist Vorsicht geboten.

Das Gespräch führte Maik Brückner.