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Mehr als ein Assistent

Selten im Mittelpunkt und doch enorm wichtig: Zsolt Löw arbeitet bei RB Leipzig, wie er in Cottbus gespielt hat.

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© Ronald Bonß

Von Daniel Klein

Hütchenaufsteller. Es gab Zeiten, da war dies eine ziemlich exakte Tätigkeitsbeschreibung für die Assistenztrainer im Fußball. Diese Zeiten sind längst vorbei, heute ist das Wort eine Beleidigung. Und wer mal eine Einheit von RB Leipzig auf dem teuren, neuen Trainingsgelände verfolgt hat, dem käme der Ausdruck ohnehin nicht in den Sinn.

2004 verpassen Löw und Trainer Eduard Geyer mit Energie Cottbus am letzten Spieltag ganz knapp die Rückkehr in die Bundesliga.
2004 verpassen Löw und Trainer Eduard Geyer mit Energie Cottbus am letzten Spieltag ganz knapp die Rückkehr in die Bundesliga. © Wende

Bei den Rasenballern ist Zsolt Löw der Nachfolger der Hütchenaufsteller-Generation. Oft erklärt er die Übungen, gibt die Kommandos, korrigiert, während sein Chef Ralph Hasenhüttl am Rand steht und beobachtet. „Er kann sich so besser auf das Wesentliche konzentrieren“, erklärt Löw, der auch für die Spielnachbereitung, also die Videoauswertung der vergangenen Partie, verantwortlich ist. Der überraschende Erfolg des Bundesliga-Neulings und Spitzenreiters, das Lob vieler Experten für den Überfall-Fußball – all das ist also auch ein Stück weit sein Verdienst.

Nur würde er das selbst so nie formulieren. Und wenn Löw sagt, dass er bei RB „deutlich mehr Verantwortung und mehr Mitspracherecht als bei anderen Vereinen“ habe, dann will er damit nicht die Werbetrommel in eigener Sache rühren, sondern das als Lob für seinen Arbeitgeber verstanden wissen. Er selbst sieht sich als „Dienstleister“, der bisher das Schicksal der Co-Trainer teilte: Sie sind enorm wichtig, treten öffentlich aber fast nie in Erscheinung. Seit dem Aufstieg von RB ist das zumindest ein bisschen anders, muss der 37-Jährige öfter in den Pausen für den Bezahlsender Sky die erste Hälfte analysieren.

Seit anderthalb Jahren ist der Ungar Leipziger. Als Sportdirektor Ralf Rangnick nach einigen Absagen als Cheftrainer einsprang und einen Assistenten brauchte, baute er auf seine bewährte Suchstrategie: Er klopfte bei einem alten Bekannten an, dem er vertraut. Die beiden kennen sich seit 2006, als Rangnick Trainer beim Regionalligisten Hoffenheim war und Löw von Rostock in den Kraichgau lotste.

„Ich war nie der Talentierteste und Begabteste, aber immer ehrgeizig“, sagt der Trainer Löw über den Linksverteidiger Löw. Damit hat er es weit gebracht. Mit der TSG stieg er zweimal auf, war 2008 Herbstmeister in der Bundesliga, doch weil seine Einsatzzeiten immer weiter schrumpften, wechselte er in der Winterpause zu Mainz 05, seiner letzten Station als Spieler.

Unmittelbar nach dem Karriereende 2011 meldete sich wieder Rangnick, diesmal hatte er eine Stelle als Co-Trainer beim FC Liefering zu vergeben, der Ausbildungsmannschaft von Red Bull Salzburg. Die RB-Familie hat er bis heute nicht verlassen, nach einer Zwischenstation in Salzburg ist er nun in Leipzig.

Rangnick als Karrierehelfer

Wem er den schnörkellosen Übergang von der Spieler- zur Trainerlaufbahn zu verdanken hat, weiß Löw. Redet er über Rangnick, gleicht es einer Schwärmerei. Er charakterisiert seinen Förderer als einen Fachmann, „der dem Fußball in Deutschland neue Impulse gegeben hat“. Vor allem aber bewundert er dessen Blick für die scheinbaren Kleinigkeiten. Als Beispiel nennt er den Sichtschutz an den Trainingsplätzen, auf den Rangnick Zitate berühmter Sportler drucken ließ. Oder die Funktionsräume, die ihm zu steril vorkamen. „Er war damals Cheftrainer und Sportdirektor, hatte mehr als genug zu tun. Aber er kümmerte sich auch um die kleinen Details“, sagt Löw. „Er ist ein Perfektionist im positiven Sinn.“

Und dies gelte nicht nur für ihn, sondern die gesamte Fußball-Abteilung von Red Bull. „Die haben einen ganz klaren Plan, jeder einzelne Bereich ist da superprofessionell aufgebaut.“ Darin sieht er auch den Hauptgrund für den Erfolg der Rasenballer, den Sturm des Neulings an die Bundesliga-Spitze. „Trotzdem: Mit diesen Ergebnissen hatten wir so nicht gerechnet.“ Am Sonnabend könnte Leipzig in Ingolstadt den neunten Sieg in Folge feiern.

Löw kennt sich bestens aus mit den erfolgreichen Seiten des Fußballs. Wo er als Spieler oder Trainer auch Station machte – ein Aufstieg war fast immer dabei. Selbst mit Energie Cottbus, doch 2004 verpassen die Lausitzer die Bundesliga-Rückkehr denkbar knapp. „Mit Cottbus bin ich ein Jahr zuvor auch das einzige Mal abgestiegen. Das ist sozusagen der schwarze Punkt in meiner Karriere“, sagt er und grinst. Es war seine erste Station in Deutschland, Ede Geyer anfangs Trainer. Löw ist ihm und dem Verein noch immer dankbar für die Chance, in die Bundesliga wechseln zu können. Den Absturz bis hinunter in die vierte Liga verfolgte er und findet es „schade für die Region. Für mich ist Energie ein stabiler Zweitligist“.

Für einen Aufsteiger wie Löw sind untere Ligen derzeit kein Thema. Vielmehr stellt sich die Frage, wann der Co-Trainer selbst Chef werden möchte. Es würde ihn zwar reizen, aber in den nächsten zwei, drei Jahren käme das nicht infrage, sagt er. „Ich würde mich schwertun, die drei Schritte Distanz zu den Spielern zu halten. Mir gefällt diese Bindefunktion zum Chefcoach.“ Im kommenden Jahr beginnt in seiner ungarischen Heimat ein Fußballlehrer-Kurs, mit RB prüft er, ob sich das zeitlich einrichten ließe. „Da ist vom Verein eine hohe Kompromissbereitschaft nötig“, sagt er. „Und auch von meiner Familie.“

Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern, eine geht in die 2. Klasse, eine in den Kindergarten, wohnt er in Leipzig. Eine Rückkehr in seine Heimat kann er sich momentan nur schwer vorstellen, was sicher auch mit der Qualität der ungarischen Liga zu tun hat. „Ich lebe seit 14 Jahren nicht mehr dort, meine Kinder sind nicht dort geboren, sie sprechen besser Deutsch als ich“, erzählt er, wobei ihn fast nur noch der Akzent als Ungarn verrät.

Helfen will er dem Verband und der Nationalmannschaft trotzdem. Gemeinsam mit Hertha-Coach Pal Dardai hält er Vorträge, gibt Tipps, kürzlich erst waren fünf Jugendtrainer zur Fortbildung in Leipzig. Und als Dardai 2014 als Auswahltrainer einsprang, sollte Löw sein Assistent werden. „Ich war damals in Salzburg, wir hatten 50 Spiele in der Saison, der Verein lehnte es ab. Das habe ich akzeptiert“, erklärt er. Vielleicht klappt es ja im zweiten Anlauf – und dann als Cheftrainer?