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Mehr als 500 demonstrieren gegen Rassismus

Trotz Versammlungsverbot am Leonardo-Hotel in Freital gehen Pro-Asyl-Aktivisten auf die Straße. Die Lage ist angespannt.

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© Andreas Weihs

Von Andrea Schawe

Den ganzen Tag ist die Stimmung im Netz aufgeheizt. Auf den Facebook-Seiten der selbst ernannten „Bürgerwehr FTL“ und der Gruppe „Widerstand Freital“ wird mobilisiert. „Die Linken“ wollen angeblich „alle Bars, Banken und Frisör Läden [sic] in Schutt und Asche legen“, hieß es. Angeblich seien Hooligans aus Leipzig und Chemnitz auf dem Weg nach Freital. Schon am Mittag versammeln sich kleine Gruppen aus dem Umfeld der „Bürgerwehr FTL“ vor der Timba-Bar gegenüber dem Bahnhof Potschappel.

Sie stehen ab 16 Uhr einer Polizeikette gegenüber, die den Platz des Handwerks abriegelt. Dort treffen sich die Aktivisten des Leipziger Bündnisses „Refugees welcome“. „Wir werden am Freitag gegen rassistische Stimmungsmache und für eine offene Gesellschaft demonstrieren“, so Juliane Nagel vom Aktionsnetzwerk. „Die Hetze gegen Geflüchtete muss ein Ende haben.“ Die Demo soll zum Neumarkt führen.

Dorthin wurde die Kundgebung der Freitaler Organisation für Weltoffenheit und Toleranz verlegt. Eigentlich sollte ein Straßenfest am Leonardo-Hotel stattfinden, das schon seit Längerem gemeinsam mit Asylbewerbern organisiert wurde. Am Donnerstagabend hatte das Landratsamt allerdings alle für Freitag geplanten öffentlichen Versammlungen an der Asylbewerberunterkunft Am Langen Rain untersagt. Der Grund seien in den sozialen Netzwerken verbreitete Ankündigungen von Aktionen um das ehemalige Leonardo-Hotel, so das Landratsamt. Die Behörde sehe keine andere Möglichkeit als ein Versammlungsverbot, um die Sicherheit der Freitaler Anwohner und der Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung zu gewährleisten.

Rechtsextreme Gruppen aus dem Umfeld der „Bürgerwehr“ hatten gleichzeitig eine Veranstaltung am Leonardo angekündigt. Geplant war ein Auftritt der Band „A3stus“, gegen deren Mitglieder Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung anhängig sind. Am Mittwoch wurde die Anmeldung komplett zurückgezogen. Stattdessen wurde auf der Facebook-Seite „Sachsen wach auf“ ein „Fackelmarsch“ in Richtung der Asylunterkunft angekündigt. Auch dieser wurde aber wieder abgesagt.

Das Verwaltungsgericht Dresden bestätigte am Freitagnachmittag die Verlegung des Straßenfestes. „In Anbetracht der Eskalation der letzten Wochen und Tage erscheine die Befürchtung nachvollziehbar, dass konkret Ausschreitungen zwischen den verschiedenen Lagern drohen könnten“, teilte Gerichtssprecher Robert Bendner mit.

Die Stimmung ist auch am Abend noch angespannt. Etwa 100 Asylgegner und Leute aus der rechten Szene stehen vor der Timba-Bar, trinken Bier, beobachten die Demonstranten hinter den Polizeiautos, irgendwann hissen sie eine fünf mal drei Meter große Deutschlandflagge und singen die Nationalhymne. Kurzzeitig gibt es Rangeleien, weil ein offensichtlich Betrunkener einen Flaschensammler anpöbelt. Die Polizei muss dazwischengehen.

Inzwischen haben sich auf dem Platz des Handwerks mehr als 500 Demonstranten versammelt. Als die Demonstration der Pro-Asyl-Aktivisten um 19 Uhr startet, werden sie an der Ecke Coschützer Straße angepöbelt. Einer bedroht die Demonstranten mit einer abgebrochenen Bierflasche, er wird von Polizisten abgedrängt. Die Beamten in kompletter Schutzmontur sichern daraufhin alle Zugänge und Seitenstraßen der Dresdner Straße.

Immer wieder sind Sprechchöre wie „Nationalismus raus aus den Köpfen“ und „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“ zu hören, als die Demonstranten in Richtung Neumarkt ziehen. Viele Anwohner beobachten die Demo von ihren Fenstern aus, manche filmen und beschimpfen die Teilnehmer: „Geht erst mal arbeiten“, schreit einer. Als die Demonstration an der Kneipe Las Vegas vorbeikommt, zeigt ein älterer Herr den Hitlergruß. Er wird von Polizisten abgeführt.

„Dass so ein Polizeiaufgebot eine friedliche antirassistische Demo schützen muss, zeigt, welche Probleme in Sachsen herrschen“, schallt es aus dem Lautsprecherwagen. Gegen 20.30 Uhr erreichen die Demonstranten den Neumarkt. Dort warten zusätzlich etwa 100 Pro-Asyl-Aktivisten, eine Samba-Band spielt, es gibt einen Trödelmarkt für die Flüchtlinge, die Stimmung ist ausgelassen.

Mehr als 340 Polizeibeamte aus Sachsen, Thüringen, Brandenburg und die Bundespolizei sind im Einsatz. Bis Sonntag früh gilt in Freital außerdem wieder ein Kontrollbereich, sagte Sprecherin Jana Ulbricht. Entsprechend der Sondergenehmigung übt die Polizei ihr Hoheitsrecht aus und kontrolliert vermehrt Ausweise.