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Mangelware Azubi

In der Oberlausitz wird es für einige Branchen immer schwerer, Lehrlinge zu finden – ein Beispiel ist die Haustechnik.

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© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennig

Kamenz / Bautzen. Jan Schuster hat seine freie Lehrstelle gerade besetzt. Für den Unternehmer, der zusammen mit seiner Frau Annett die Jurisch Haustechnik GmbH in Deutschbaselitz bei Kamenz leitet, ist das fast schon ein Sechser im Lotto. Denn junge Leute für den Beruf als Anlagenmechaniker zu begeistern, ist inzwischen richtig schwer. Viele Unternehmen seien da nur noch ratlos, weiß der Chef der Innung für Sanitär-Heizung-Klima-Klempnertechnik im Raum Kamenz. Für einige der 47 Innungsmitglieder sei die Lage inzwischen prekär. Fachkräfte fehlen, von Lehrlingen ganz zu schweigen.

Gebaut wird aber immer mehr. „Es ist ein Riesenpotenzial an Arbeit da“, sagt Jan Schuster, selbst studierter Versorgungstechniker. Und da sei auch kein Umschwung abzusehen. Was nach der Wende saniert oder neu gebaut wurde, müsse jetzt überholt oder erneuert werden. Und in Dresden gehe es ohnehin erst einmal darum, genügend Wohnraum zu schaffen. Dort zum Beispiel ist das Unternehmen mit 23 Mitarbeitern und vier Auszubildenden tätig. Sie arbeiten in Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern. Längst gehe es nicht mir „lapidar um eine Wasserleitung oder eine Heizung“, betont Jan Schuster. Viele Häuser werden inzwischen hochwertig ausgestattet, mit Lüftungssystemen, mit Klimatechnik.

Aber die Branche habe immer noch ein schlechtes Image. Das umfasst die Idee von der kalten und schmutzigen Baustelle. Die schlechte Erfahrung vieler älterer Arbeitnehmer, die Anfang der 1990er-Jahre in den Bereich umschulten und keinen Job fanden. Und die Vorstellung, jede Woche Hunderte von Kilometern auf Montage zu fahren. „Aber da hat sich sehr viel gewandelt.“ Auftraggeber müssten gewisse Standards auf Baustellen erfüllen – eine Bauheizung, ein sauberes WC. Sonst lehnt eine Firma eine Anfrage eben ab. Viele Unternehmen fahren nicht mehr auf Montage. Und die Nachfrage sei so groß, dass mittelfristig jeder Lehrling mit einem halbwegs vernünftigen Abschluss auch eine Stelle finde.

Doch das lockt die Schulabgänger nicht wirklich. Im Berufsschulzentrum Bautzen lernen 16 Anlagenmechaniker im ersten Lehrjahr. Auf Ausbildungsmessen sei das Interesse minimal. Unter die Top Zehn der Wunschberufe schafft es der Job nicht. Der Verkäufer oder die Verkäuferin führt die Liste der Arbeitsagentur Bautzen seit Jahren an. Es folgen unter anderem Kfz-Mechatroniker, Tischler oder auch Koch.

Jan Schuster ist überzeugt, viele Schüler wissen nicht viel über den Anlagenmechaniker – oder über viele andere Möglichkeiten. Die Bandbreite sei riesig. Allein in der Oberlausitz verweist die Arbeitsagentur auf über 230 Ausbildungsberufe. Schuster sieht auch Schulen und Eltern in der Pflicht, dem Nachwuchs die nötigen Informationen zu vermitteln. An den Oberschulen funktioniere das gut. Bei den Gymnasien laufe vieles eher in Richtung Studium. Das weiß er, weil sein Sohn Abitur gemacht hat.

Die Jurisch Haustechnik GmbH bietet jungen Leuten ab 14, 15 Jahren die Möglichkeit, Ferienarbeit zu machen, ein Praktikum zu absolvieren oder probeweise zu arbeiten. Gegen Entgelt. Jan Schuster ist auch offen für ausländischen Nachwuchs aus Polen oder Tschechien. Allerdings seien bisherige Projekte nicht so erfolgreich gelaufen. Junge Tschechen haben zwar gern eine Ausbildung gemacht, weil die einen sehr guten Ruf genießt. Sie sind dann aber in die Heimat zurückgekehrt. „Da muss viel Integration passieren, um sie zu halten. Das liegt nicht in unserer Hand“, so der Unternehmer. Auch Mädchen kann er sich in dem Job vorstellen. Er sei nicht mehr so körperlich schwer wie früher. Es wäre eine Herausforderung: „Aber eigentlich warte ich auf so eine Bewerbung.“

Warten – das tun viele Unternehmen. Im August waren noch 13 von 28 Lehrstellen für Anlagenmechaniker in den Kreisen Bautzen und Görlitz unbesetzt. Und insgesamt – kurz vor Schuljahresende – gab es in der Region noch 1 642 freie Lehrstellen. 1 581 junge Frauen und Männer hatten noch nichts gefunden. Das ist fast ein Verhältnis von 1 zu 1. Vor 15 bis 20 Jahren kamen zehn und mehr Schulabgänger auf eine Lehrstelle. Doch nun schlagen die geburtenschwachen Jahrgänge zu Buche, streben viele nach dem Studium. Und bei einigen, die sich um einen Ausbildungsplatz bewerben, stimme die Leistung nicht.

„Es geht trotzdem, wenn jemand wirklich will. Einige beißen sich durch“, so Jan Schuster. Und wenn das handwerkliche Geschick da ist, sei vieles möglich. Was den Fachkräftebedarf in der Firma angeht, setzt der Unternehmer inzwischen auch auf Rückkehrer. Gerade hat er eine hundertprozentige Zusage von einem Ex-Oberlausitzer bekommen, der wieder in die Heimat will. Und für die Unternehmensnachfolge sieht es auch nicht so schlecht aus. Der älteste Sohn studiert Energie- und Umwelttechnik. Die jüngeren Kinder, zehn und zwölf Jahre alt, wollen im Moment das machen, was Vater und Mutter tun.