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„Man muss nicht als Unternehmer geboren sein“

Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, braucht es mehr als Kickertisch und Kronleuchter, sagt Saxxess-Referent Felix Plötz.

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© Sebastian Berger

In der Digitalisierungsdebatte rät der Buchautor Felix Plötz zu mehr Gelassenheit. Bei allem Streben nach Neuem sollte man alte Stärken nicht vergessen. Warum, verrät er im Gespräch.

Herr Plötz, der Fachkräftemangel ist in sächsischen Unternehmen eines der drängendsten Probleme. Alle buhlen um die Generation Y. Firmen richten Büros mit Ledersesseln und Kronleuchtern ein, stellen Kickertische und Kühlschränke mit Smoothies auf. Ist es das, was die Angehörigen Ihrer Generation wirklich suchen?

Es funktioniert nicht, einen Kicker anzuschaffen und eine gelbe Sitzecke vor die Kantine zu stellen und dann zu glauben, man wäre ein attraktiver Arbeitgeber. Das ist in etwa so, als würde ich mir Federn anstecken und denken, ich könnte aus dem Fenster springen und fliegen. Das sind alles nur Symbole. Diese dürfen ruhig sein, aber sie müssen auch etwas repräsentieren. Sie stammen aus der Start-up-Kultur und sie stehen für ein Versprechen. Sie stehen für das Versprechen an die jungen Leute: Wir wollen dich, Du kannst dich hier einbringen, und Du kannst an etwas Großem mitarbeiten. Es geht der Generation Y darum, etwas Sinnvolles zu tun.

Ihre Kernbotschaft lautet also, weg von Oberflächlichkeiten, hin zu einer neuen Unternehmenskultur. Wie offen sind die Firmen in den unterschiedlichen Branchen und Regionen für diesen Wandel?

Regional gibt es kaum Unterschiede. Bei den Branchen schon. Die Bereitschaft ist umso größer, je stärker die Branchen in ihren Geschäftsmodellen durch die Digitalisierung bedroht sind. Ich halte derzeit sehr viele Vorträge in der Automobilbranche, bei Banken und Versicherungen. Da ist der Leidensdruck groß und die Veränderungsbereitschaft auch.

Was wäre ein zentraler Punkt in der neuen Unternehmenskultur?

Flache Hierarchien. Die Generation Y möchte mitbestimmen, und das funktioniert nur, wenn für die Umsetzung von Ideen und Vorschlägen nicht ein halbes Dutzend Abteilungsleiter eingebunden werden muss. Meine feste Überzeugung ist, die Menschen möchten in smarten Unternehmen arbeiten. Sie verzichten dafür vielleicht sogar auf Karrieresprünge, berufliche Sicherheit und monetäre Anreize.

Das bedeutet ja auch, dass die unternehmerischen Fähigkeiten jedes einzelnen Mitarbeiters künftig mehr zählen werden. Erwarten Sie daraus auch positive Effekte für die Gründerkultur in Deutschland?

Absolut. Vor zehn Jahren hat keiner über Start-ups gesprochen, heute ist das Mainstream. Meine Mission in meinen Vorträgen und Büchern ist, zu zeigen, dass dieser Gründergeist auch in die kleinen, mittelständischen oder großen Firmen gehört – auch in Sachsen.

Welche Eigenschaften machen eine gute Unternehmerpersönlichkeit aus?

Grundsätzlich bin ich der Ansicht, man muss nicht zum Unternehmer geboren worden sein. Es können sehr viel mehr Leute unternehmerisch etwas machen, als sie selbst denken. Was man aber braucht, ist Mut. Mut, den Status quo nach dem Motto zu hinterfragen: „Geht das nicht auch anders?“ Das Zweite ist eine sehr hohe Frustrationstoleranz. Es ist ein anstrengender steiniger Weg, der es aber lohnt, ihn zu gehen. Ich bin der Meinung, dass ganz viele tolle Ideen nicht umgesetzt werden, weil viele Leute die sprichwörtliche Flinte zu früh ins Korn werfen.

Sie werben in ihrem Buch „Das 4-Stunden-Start-up“ für einen sanften Weg in die Selbstständigkeit. Man soll quasi aus dem Angestelltenverhältnis heraus seine Selbstständigkeit vorbereiten. Sie sind diesen Weg selbst gegangen. Was ist der größte Vorteil?

Man setzt nicht alles auf eine Karte, ist in gewisser Weise finanziell abgesichert. Oft beginnt es mit einem Hobby, oder einem persönlichen Interesse, einfach etwas, das Spaß macht. Und im zweiten Schritt stellt man fest: Toll, damit kann ich ja sogar Geld verdienen.

Sie haben, damals noch im Angestelltenverhältnis, einen Verlag gegründet, eine Plattform für Influencer, die erste deutschlandweit. Jetzt veröffentlichen Sie Bücher und halten Vorträge, zurück zur analogen Kommunikation also. Ist das nicht ein Rückschritt?

In der Debatte um die Digitalisierung hat man häufig das Gefühl, alles Alte funktioniert nicht mehr, es muss was völlig Neues kommen. Das stimmt nicht. Wir haben uns ganz viele Gedanken über einen digitalen Kanal gemacht. Die Produkte, die wir darüber vertreiben, sind keine Virtual-Reality-E-Books oder irgendwas Verrücktes, sondern ganz normale Printbücher. Die Kombination aus Altem und Neuen, die funktioniert. Das ist auch die Botschaft, die ich den Unternehmern weitergeben möchte. Jetzt nicht die Brechstange ansetzen und alles erneuern. Ganz ruhig, durchatmen, und darauf schauen, was man gut kann. Daran sollte man festhalten.

Wieviel Zeit bleibt den Firmen vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des Fachkräftemangels noch, um sich auf die neue Ära einzustellen?

Da kann man keine konkrete Zahl als seriöse Antwort geben, aber wahrscheinlich ist es weniger, als man denkt. Der Ratschlag kann nur lauten, fangt an und kümmert Euch.

Gespräch: Ines Mallek-Klein

Der erste sächsische Wirtschaftsdialog Saxxess, ausgerichtet von „Wirtschaft in Sachsen“, dem Entscheidermagazin der Sächsischen Zeitung, findet am 8. November 2018 im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion statt. Außer Felix Plötz referieren Ibrahim Evsan über Mitarbeiterführung im digitalen Zeitalter, Mela Chu über neue Methoden agilen Arbeitens und Dieter Georg Adlmaier-Herbst über neue Wege im Kundendialog. Im Interview wird zudem Uli Hoeneß, Nationalspieler, Fußballclubmanager und Unternehmer, zu erleben sein. Tickets unter Wirtschaft in Sachsen.