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Mammutprozess ausgesetzt

Der Prozess begann verspätet – und war nach wenigen Minuten auch schon wieder beendet. Einer der mutmaßlichen „Freien Kameraden Dresdens“ ist nicht erschienen.

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© Sven Ellger

Von Alexander Schneider

Der Prozess begann verspätet – und war nach wenigen Minuten auch schon wieder beendet. Am Dienstag, kurz nach 12.30 Uhr, setzte Richter Thomas Mrodzinsky die Hauptverhandlung gegen vier mutmaßliche Mitglieder beziehungsweise Unterstützer der rechtsextremen „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) aus. Der Grund: Einer der Angeklagten, der 31-jährige André M., war krankheitsbedingt nicht erschienen, angeblich ist er reiseunfähig, es bestehe Infektionsgefahr.

Um 12 Uhr war der Prozessauftakt gegen vier Männer vor der Staatsschutzkammer geplant. Doch zu diesem Zeitpunkt war das Gericht dabei, sich mit der überraschenden Neuigkeit auseinanderzusetzen. Erst 20 Minuten zuvor war die Kammer von der Krankschreibung des 31-Jährigen informiert worden. Nach kurzer Debatte mit den Prozessbeteiligten sah sich die Kammer gezwungen, den Prozess auszusetzen. Mrodzinsky: „Ein neuer Termin ergeht von Amtswegen.“ André M. soll bis dahin einem Amtsarzt vorgestellt werden.

So weit, so schlecht. 54 Sitzungstage bis Ende Juni 2019 hatte die Staatsschutzkammer mit den Prozessbeteiligten abgestimmt – acht Verteidiger, drei Nebenkläger-Anwälte, dazu Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffe. Mit dem hohen Personaleinsatz soll vermieden werden, dass die Hauptverhandlung platzt, nur weil ein Richter, ein Schöffe oder ein Anwalt ausfallen könnte. Nun ist das Gericht gezwungen, für den nächsten Prozessauftakt neue Schöffen zu finden. „Voraussichtlich wird die Hauptverhandlung am 15. November beginnen“, sagte Landgerichtssprecher Thomas Ziegler am Nachmittag. Die Kammer hoffe, die bereits abgestimmten Sitzungstage zu halten.

Es ist bereits der vierte Prozess gegen die FKD. Die rechtsextreme Gruppe hatte sich im Juli 2015 gegründet. Den Mitgliedern hatten die Dresdner Pegida-Demonstrationen offenbar nicht mehr genügt, um etwas gegen die wachsende Anzahl von Asylbewerbern zu unternehmen. Sie planten jedoch neben eigenen politischen Aktionen auch gewalttätige Übergriffe auf Ausländer und Andersdenkende, auch Polizisten und Asylbewerberunterkünfte.

So hatten Mitglieder der FKD im August 2015 an den Ausschreitungen in Heidenau mitgewirkt, wo Hunderte Chaoten zwei Nächte lang vor einer Erstaufnahmeeinrichtung Polizisten angegriffen hatten. Am selben Wochenende griffen sie auch in Dresden zwei Asylbewerberunterkünfte an. Im Oktober überfielen FKD-ler gemeinsam mit den bereits dafür verurteilten Rechtsterroristen der „Gruppe Freital“ ein alternatives Wohnprojekt namens Mangelwirtschaft in Übigau. Auch dort wurden Menschen verletzt. Darüber hinaus haben auch Mitglieder der FKD im Januar 2016 an einem Überfall in Leipzig mitgewirkt, als weit über 200 Rechtsextreme und Fußball-Hooligans abends durch den Stadtteil Connewitz zogen und wahllos Läden und Einrichtungen demolierten.

Fünf Angeklagte verurteilt

Zwei junge Männer wurden bereits im August 2017 als Mitglieder der FKD am Landgericht Dresden zu Haftstrafen von jeweils drei Jahren und acht Monaten verurteilt – wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Herbeiführens von Sprengstoffexplosionen. Im August dieses Jahres verurteilte eine Jugendkammer des Landgerichts drei Heranwachsende zu Bewährungsstrafen. Und seit September 2017 verhandelt eine Staatsschutzkammer gegen fünf Männer und eine Frau, die zum harten Kern der FKD zählen sollen.

Auch die Angeklagten in diesem nun vierten FKD-Prozess sollen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft an den genannten Überfällen mitgewirkt haben – teilweise als Mitglieder teilweise als Unterstützer der kriminellen Vereinigung. Nur einer der Männer sitzt in Untersuchungshaft – René H., ein 32-jähriger Wachmann aus Dresden. Auch er scheint angeschlagen zu sein. Er kam mit einer Gehhilfe in den Gerichtssaal. H. wurde am 18. Dezember 2017 verhaftet, nachdem ihn Angeklagte zuvor im Prozess gegen die Gruppe Freital und in FKD-Verhandlungen schwer belastet hatten. Demnach soll H. etwa bei der Gründung der FKD in einer Kneipe in Dresden-Gruna gezielt Leute gesucht haben, die bereit seien, Gewalt auszuüben.

Christian L. (29) ist ein mehrfach vorbestrafter Rechtsextremist. Erst im Mai dieses Jahres wurde er am Amtsgericht Rudolstadt wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt. Er soll am 1. Mai 2015 bei einer Nazi-Demonstration im thüringischen Saalfeld einen Mann zusammengeschlagen haben. Gegen das Urteil hat L. Berufung eingelegt, wie die Staatsanwaltschaft Gera mitteilte.

Seit jenem Prozess wird in Gera auch gegen René H. und weitere FKD-ler ermittelt. Sie waren als „Reisegruppe 44“ zu der Saalfelder Nazi-Demo gefahren und sollen sich ebenfalls an den Auseinandersetzungen beteiligt haben. Angeblich trugen sie einheitliche T-Shirts mit der Aufschrift „Division Sachsen“.

Wenn sich also nicht wieder ein Angeklagter krank meldet, wird auch die Anklage im nächsten Dresdner FKD-Prozess Mitte November verlesen.