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„Lieber die wichtigen Brunnen erlebbar machen“

Historiker Rainer Rippich ist dagegen, den Schacht auf der Dohnaischen Straße in Pirna freizulegen – und erklärt, warum.

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© Daniel Schäfer

Pirna. Herr Rippich, Sie sind ein profunder Kenner von Pirnas Brunnen, monolithischen Wassertrögen und historischer Wasserversorgung. Soll der Brunnen auf der Dohnaischen Straße wieder ausgebuddelt und innen beleuchtet werden, um ihn erlebbar zu machen?

Erinnerung im Straßenpflaster: Der Brunnen auf der Dohnaischen Straße wurde verfüllt, sein Standort aber sichtbar gemacht.
Erinnerung im Straßenpflaster: Der Brunnen auf der Dohnaischen Straße wurde verfüllt, sein Standort aber sichtbar gemacht. © SZ/Thomas Möckel

Nein, ich würde alles so lassen, wie es ist. Der Brunnen ist dokumentiert, archiviert, kartographiert und damit wissenschaftlich nachhaltig gesichert. Das ist alles gut gelaufen. Die Lage des Brunnens ist mit einem Sandsteinring gekennzeichnet, es gibt eine Erklär-Tafel. Das ist alles ordentlich und gut so, wie es ist.

Aber Städte wie Reutlingen haben der Fußgängerzone einen beleuchteten Brunnen, in den man hineinschauen kann. Selbst in Pirna gibt es ein solches Exemplar im Bibliothekshof.

Das stimmt, aber ich halte es für falsch, jetzt einen verfüllten, eher unbedeutenden Hausbrunnen wieder freizulegen. Da gäbe es Wichtigeres.

Zum Beispiel?

Was kaum einer weiß: Pirna hat auch einen Festungsbrunnen, nicht so berühmt wie die auf der Festung Königstein oder der Burg Stolpen, aber dafür ungeheuer bedeutsam.

Wo liegt denn dieser Festungsbrunnen?

Im Schlosshof, direkt am Schloss, zu erkennen ist er nur noch an einem eisernen Pumpenschwengel. Er ist etwa 30 Meter tief und wurde leider in den 1960er-Jahren mit Bauschutt verfüllt, weil ihn keiner mehr brauchte.

Und was macht den Schacht so bedeutsam?

Pirna war im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden umzingelt. Die Belagerer haben natürlich die Wasserleitungen in der Stadt gekappt, weil sie wussten, wie überlebenswichtig Wasser ist. Pirnas oberster Verteidiger, Johann Siegmund von Liebenau, ließ daraufhin den Festungsbrunnen graben. So konnte er die Festung Sonnenstein erfolgreich verteidigen, weil die Wasserversorgung gesichert war. Dieser Brunnen hätte es eher verdient, freigelegt zu werden.

Aber nun hat ja eine Initiative um Ronny Kürschner, den Chef des Vereins „Pirna in Aktion“, Geld gesammelt, um den Brunnen auf der Dohnaischen Straße freizulegen. Sie will das historische Erbe retten und mit einer weiteren Sehenswürdigkeit Gäste in die Stadt locken. Kann das gelingen?

Einzig mit dem Brunnen auf der Dohnaischen Straße wohl kaum. Aus meiner Sicht ist es wichtiger, den Touristen die Historie der großen Sandsteintröge auf dem Markt nahezubringen und wie sie früher mit Wasser gespeist wurden. Und wenn genug Geld da wäre, könnte man einen richtigen Hingucker für Gäste schaffen, indem man das alte Holzröhrensystem, über das die Innenstadt früher mit Wasser versorgt wurde und von dem noch einiges existiert, wieder freilegt und sichtbar macht. Das wäre ein großartiges Projekt für Pirna.

Aber hat Pirna im Sommer 2016 nicht vielleicht doch ein wenig voreilig gehandelt, indem das Rathaus den Brunnen sechs Stunden nach der Entdeckung wieder zuschütten ließ?

Die übertriebene Eile ist das eine, aber die Stadt hat damals auf ganz anderer Ebene versagt. Sie hat den Pirnaern gegenüber nicht offen kommuniziert, welch eher geringen historischen Wert der Brunnen hatte und ob er überhaupt für die Wasserversorgung bedeutsam war. Und die Stadt hat auch nicht klar gesagt, dass sie, als sie den Schacht verfüllte, fachgerecht handelte und dem Rat der Archäologen folgte. Weil sich niemand erklärte, ist meines Erachtens der ganze Streit erst entstanden.

Welchen historischen Wert hat denn der Brunnen, der laut der Archäologen aus dem 13. Jahrhundert stammt?

Es ist ein einfacher Hausbrunnen, nichts Besonderes, davon gibt es in Pirna eine ganze Menge. Beim Tag des offenen Denkmals kann man manchmal einige davon in den Häusern bewundern. Solche Wasserspeicher konnten sich damals eigentlich nur betuchte Leute leisten.

Welche Rolle spielte dieser Brunnen für die Wasserversorgung in der Stadt?

Es ist ein eher kleiner Brunnen, für die Wasserversorgung generell eher unwichtig und spielte kaum eine Rolle. Er speiste sich aus Grundwasser und versorgte wahrscheinlich lediglich ein einziges Haus.

Pirna hatte schon sehr früh, also im 18. Jahrhundert, eine moderne Wasserversorgung. Worüber lief diese denn, wenn nicht über Hausbrunnen?

Die zentrale Versorgung wurde gespeist aus Quellen in der Nähe des früheren Wasserwerkes am Sonnensteiner Elbhang. Das Wasser lief über ein System als Holzröhren in die Stadt, genannt „Pirnaer Röhrenfahrten“. Es gab zwei Kreisläufe, einer versorgte zehn Brunnen rund um Kirche und Obermarkt, der andere acht Brunnen am Untermarkt und Umgebung. Das Wasser lief zunächst in Holzbrunnen.

Von denen es heute keine mehr gibt …

… weil das Material nicht von Dauer war. Die Holzbrunnen mussten aller 20 bis 30 Jahre erneuert werden. Und irgendwann, als die ganze Sächsische Schweiz abgeholzt und kein Holz mehr da war, ersetzte man die Brunnen durch die Steintröge, einer der größten stand übrigens einmal auf der Dohnaischen Straße vor dem heutigen Optik-Geschäft Reuscher.

Und jeder konnte sich damals an den Brunnen bedienen?

Ja, das Wasser war für jedermann, Arme bekamen es kostenlos, Vermögende mussten etwas dafür bezahlen, erst recht die Brauereien, die ja mit dem Wasser wieder Geld verdienten.

Ist von diesem System noch was übrig?

Leider versumpfen die Quellen am Wasserwerk langsam. Aber vom Röhrensystem ist noch etwas da, beispielsweise liegen Am Plan noch zwei dieser Rohre. Wenn man das System, auch den großen Pienitz-Wasserbehälter unterhalb des Sonnensteins, wieder erlebbar macht, das wäre toll. So könnte Pirna zeigen: Wir hatten damals eines der fortschrittlichsten Wasserversorgungs-Systeme in Sachsen.

Wie könnte es aber zuvor gelingen, für den Brunnen auf der Dohnaischen Straße eine Lösung zu finden?

Eine Arbeitsgruppe ist schon mal gut, sie müsste aber anders besetzt sein. Nur mit Vertretern der Brunnen-Initiative, der Stadt und des Stadtrates sollte eine Entscheidung nicht getroffen werden. Ein solches Gremium braucht Fachleute, wie Dr. Ralf-Peter Pinkwart vom Landesamt für Denkmalpflege oder Claudia Straube, die schon mal einen großen Beitrag für die Pirnaer Hefte über Pirnas Wassertröge geschrieben hat, auch jemand vom Kuratorium Altstadt wäre in der Arbeitsgruppe von Vorteil.

Das Gespräch führte Thomas Möckel.