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Lichdi bestreitet Schuld

Zivilcourage oder Straftat? In Dresden steht erneut ein Demonstrant gegen Neonazis vor Gericht. Diesmal ist es ein prominenter Fall. Der Angeklagte ist Landtagsabgeordneter der Grünen und selbst Jurist.

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© Ronald Bonß

Dresden. Der sächsische Grünen-Politiker Johannes Lichdi sieht sich wegen seiner Teilnahme an Protesten gegen Neonazis zu Unrecht angeklagt. Das machte der 50-Jährige am Montag zu Beginn seines Prozesses am Amtsgericht Dresden klar. Lichdi wird ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Er hatte sich bei Demonstrationen gegen Neonazis am 19. Februar 2011 in der Dresdner Südvorstadt an gewaltfreien Sitzblockaden beteiligt. Nach Ansicht von Lichdi ist das durch Grundgesetz-Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) gedeckt. Sachsens Justiz wertet aber auch friedliche Blockaden als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und damit als Straftat. Die Verhandlung wurde am Nachmittag unterbrochen und wird am 7. April fortgesetzt. Dann dürfte auch ein Urteil gesprochen werden.

Zu Beginn der Verhandlung unter Vorsitz von Richter Rainer Gerards gab Lichdi eine Erklärung ab. „Ich kann diese Strafverfolgung nur als politisch motiviertes Manöver verstehen“, sagte er. Lichdi warf der Staatsanwaltschaft und der schwarz-gelben Regierung im Freistaat vor, mit den Strafverfahren möglichst viele Bürger von „Platzbesetzungen“ abhalten zu wollen. Den Begriff Blockade vermied er. „Ich bin stolz darauf, dass ich mich an der friedlichen Platzbesetzung aus Protest gegen den Nazi-Aufmarsch beteiligen konnte.“ Lichdi - von Beruf selbst Jurist - führte auch eine ganze Reihe formaler und juristischer Gründe an, weshalb eine Bestrafung für ihn nicht in Frage komme.

Lichdi hatte sich seinerzeit bei der Sitzblockade auf einer Straßenkreuzung im Pulk von etwa 1000 Menschen befunden. An jenem 19. Februar waren wie schon im Jahr zuvor mehr als 10.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um den jährlichen Aufzug Rechtsextremer zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg zu verhindern. 2011 kam es dabei zu gewaltsamen Ausschreitungen - jedoch nicht an der Stelle, die Lichdi und andere besetzten.

Ein damals verantwortlicher Polizeiführer gab am Montag vor Gericht zu Protokoll, dass wegen der vielen Gegendemonstranten schon am Vormittag des 19. Februar 2011 feststand, dass die Neonazis ihren genehmigten Marsch nicht würden absolvieren können. Demnach hätten Lichdi und Gleichgesinnte am Nachmittag mit ihrer Blockade etwas verhindert, was zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr erwogen wurde.

Insgesamt hörte das Gericht fünf Zeugen - allesamt Polizisten, die damals in unterschiedlicher Funktion an dem Einsatz beteiligt waren. Sie schilderten das Geschehen aus ihrer Sicht und bestätigten, dass von der Blockade mit Lichdi keine Gewalt ausging. Wegen einer technischen Panne scheiterte am Nachmittag der Versuch, ein Video vom 19. Februar 2011 in Dresden zu sehen. Während zuvor stundenlang der Bildschirmschoner des Beamers über dem Kopf von Richter Gerards schwebte, fehlte im entscheidenden Augenblick ein Kabel. (dpa)

Persönliche Erklärung von Johannes Lichdi in der Hauptverhandlung seines Prozesses.