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Letzte Ausfahrt vor dem Urlaub

Auf der Autobahnraststätte „Am Eichelberg“ bei Ottendorf-Okrilla legen Urlauber oft einen Stopp ein. Die SZ hat sich bei ihnen umgehört.

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© Thorsten Eckert

Von Rainer Könen

Ottendorf-Okrilla. Für das holländische Ehepaar steht fest, dass hier an der A 4, an der Autobahnraststätte „Am Eichelberg“ der Osten Deutschlands beginnt.

Die Bochumer Familie Nellner legte auf dem Weg zum Saurierpark in Kleinwelka eine kurze Pause ein.
Die Bochumer Familie Nellner legte auf dem Weg zum Saurierpark in Kleinwelka eine kurze Pause ein. © Thorsten Eckert
In der Mittagszeit wird es auch auf einem Rastplatz wie dem am Eichelberg etwas voller.
In der Mittagszeit wird es auch auf einem Rastplatz wie dem am Eichelberg etwas voller. © Thorsten Eckert
Von Leipzig nach Bad Muskau. Die Familie Heszberg auf dem Weg in den Kurzurlaub.
Von Leipzig nach Bad Muskau. Die Familie Heszberg auf dem Weg in den Kurzurlaub. © Thorsten Eckert

„Wir waren noch nie in diesem Teil Deutschlands“, so das Ehepaar, das aus Rotterdam kommt und in den folgenden zwei Wochen in dem für sie „unbekannten Land“ auf Entdeckungsreise gehen wird. Eine, die erholen als auch den Bildungshorizont erweitern soll. Er habe sich vor Beginn der Fahrt informiert, meint der Endfünfziger in fast akzentfreiem Deutsch. Nach Herrnhut wolle man, ins dortige Völkerkundemuseum und einen Abstecher in die Görlitzer Altstadt machen.

Ein Mittwochvormittag auf dem zwischen den beiden Autobahnanschlussstellen Ottendorf-Okrilla und Hermsdorf gelegenen Autobahnrastplatz. Wer nach Polen oder Tschechien will oder muss, wie die vielen Lkws, oder seinen Urlaub in der Lausitz verbringen möchte, für den ist das eine gute Gelegenheit, an dieser Stelle einen Zwischenstopp einzulegen. Auf dem Pkw-Parkplatz findet man noch freie Plätze, was wahrscheinlich am kommenden Wochenende, wenn in mehreren Bundesländern die Ferien zu Ende gehen, sicher völlig anders aussehen wird. So wirken die Menschen, die aus ihren Fahrzeugen steigen, sich recken oder sich schnurstracks auf den Sanitärtrakt zu bewegen, ziemlich entspannt. Gerd Spieß ist mit seiner Frau Steffi auf dem Weg nach Bautzen. „Haben dort heute eine Familienfeier“, erzählt er. Aus Nordhausen kommen die beiden. Ein Kurzurlaub wird es sein, nach der Familienfeier wollen die beiden noch einen Abstecher irgendwo in die Lausitz machen. Kennen sie diese Region? „Waren schon mal im Tropical Island in Brand“, erzählt er.

Auf Autobahnraststätten wie der am Eichelberg trifft sich das Spiegelbild der Gesellschaft: Dort die vielen Fernfahrer, die ihre Ruhezeiten einhalten müssen, hier der gut verdienende Geschäftsmann, der auf der Fahrt zum Termin eine kurze Pause einlegt, und während der Ferienzeit kommt noch eine besondere Gruppe dazu: die Urlaubsreisenden.

Urlauber wie Uwe Nellner. Mit seiner Familie will er nach Kleinwelka, in den Saurierpark. „Soll ja ganz toll sein, dort“, hat er dem Internet entnommen. Aus Bochum kommt die Familie, für seine Frau und seine Kinder sei dieser Teil Deutschlands absolutes Neuland, erzählt Nellner, der im Speditionsgewerbe tätig ist. Er selbst war nach der Wende „eine Weile in den neuen Bundesländern“ unterwegs. Das war die Zeit, als viele ostdeutsche Autobahnen mehr einer Rüttelpiste ähnelten als einer Schnellstraße. Vielleicht mache er noch einen Abstecher nach Bautzen, vorausgesetzt, „die haben in der Stadt was Schönes für Kinder“. Nach ein paar Minuten klettern alle wieder in den Wagen, weiter geht es.

Schnell ist das Stichwort, denn wer an Raststätten wie der am Eichelberg hält, will vor allem nur eines: Schnell wieder weg. Bevor sich der nächste Stau anbahnt, der Kilometerschnitt kaputt ist. In knapp 45 Minuten wollen Nellners in Kleinwelka sein.

Auf dem Weg in die Heimat

Im Schnitt machen deutsche Urlauber nach ADAC-Angaben 13 bis 15 Minuten Pause. Vor zwanzig Jahren nahm man sich bei derartigen Pausenstopps mehr Zeit, war es noch eine halbe Stunde. Die Heszbergs aus Leipzig haben Zeit mitgebracht. Als die vierköpfige Familie ihren Wagen abstellt, gibt es erst einmal eine Entspannungszigarette für Simone Heszberg. Wohin es geht? Nach Bad Muskau, Pücklerpark und Schloss anschauen. Und auch der Hund darf mit. Sohn Benjamin geht mit ihm eine Runde Gassi. Wer einen solchen Rastplatz ansteuert, schaut natürlich genau auf die Symbole auf den Schildern. Was wird hier geboten? Nun, der am Eichelberg gelegene Pausenplatz hat das, was Urlaubern wie einem Münchner Ehepaar auf solchen Reisen einfach wichtig ist: „Hauptsache, das Toilettensymbol ist drauf“, meint der Mann. Beide stammen aus Polen. Sind auf dem Weg in ihre Heimat, wollen eine Woche in der Gegend um Lodz verbringen. Bänke und Tische auf der Wiesenfläche sind kaum besetzt. Ein Mann, Typ Manager, sitzt dort, raucht, schaut sich interessiert um. Aus Heidelberg komme er, erzählt er, dabei wirft er einen Blick auf seine Uhr. „Habe noch Zeit für meinen Termin in Ottendorf-Okrilla.“ Bis dahin werde er sich noch ein wenig von der Anreise erholen.

Keine Verwirrung auslösen

Im Gegensatz zu vielen Autobahnraststätten, wo man auf Erlebnisgastronomie setzt, auf einen gewissen Unterhaltungswert für Familien, ist der Rastplatz am Eichelberg einer, der beim Urlauber, beim Fernfahrer keine Verwirrung auslöst. Hier gibt es keine Unmengen von Zapfsäulen, keine Buffets, keine Raststätte mit Premium-Charakter. Wer hier anhält, wie die Frau aus Bad Bernburg, die sich auf ihren zweiwöchigen Urlaub in Hracharov in der Tschechei freut, will einfach nur kurz ausscheren aus dem Fluss des Autobahnverkehrs. Innehalten, verschnaufen, bei einer Zigarette, bei einem Snack, um dann wieder nahtlos im Urlauberverkehr mitzufließen. Frage an einen älteren Mann, der aus dem nordrhein-westfälischen Gummersbach kommt: Behält man eine Raststätte wie diese eigentlich in Erinnerung? Lachen. Was sei denn das für eine Frage. „Mich interessiert eijentlich nur, ob esu eene Platz ´en vernünftisch Klohäuschen hat“ erklärt er in seinem rheinischen Dialekt. Er sei in seinem Urlaubsort im Zittauer Gebirge früher aufgebrochen. Denn am Wochenende „hab´ isch keene Bock auf Stau“.