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Lehrermangel = Nachhilfe-Boom?

In Dresden fallen vermehrt Stunden aus. Ein Nachhilfelehrer spricht über Quereinsteiger und die Bildungsempfehlung.

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© Uwe Meinhold

Von Sarah Herrmann

Welche Folgen der Lehrermangel hat, zeigte sich erst jüngst in einer Grundschule am Dresdner Stadtrand. Weil kein Pädagoge da war, stellten die Eltern sich kurzerhand selber vor die Kinder der 90. Grundschule. Zwar hat die Sächsische Bildungsagentur mittlerweile für Ersatz gesorgt, und der Unterricht läuft wieder nach Plan. Doch auch an anderen Bildungseinrichtungen in der Stadt ist die Lage angespannt. Das macht sich auch bei den Dresdner Nachhilfeanbietern bemerkbar.

Der Studienkreis hat bundesweit knapp 1 000 Nachhilfebüros und zählt damit in der Branche zu den größten Anbietern. Auch in Dresden gibt es acht Anlaufpunkte für Schüler, im Umland kommen drei weitere dazu. „Viele Kunden geben den Stundenausfall als Grund für den Wissensrückstand des Kindes an“, sagt Leiterin Petra Kölling. In allen Filialen habe sie gesehen, dass die Kinder teilweise erst vier Wochen nach dem Schuljahresbeginn einen Stundenplan vorzeigen konnten. „Oft wird auch die mangelnde Qualität der Lehrer angesprochen“, ergänzt Frank Norenz. Der pensionierte Berufssoldat ist erst seit diesem Jahr Leiter des Nachhilfebüros in Klotzsche. „Viele sind unzufrieden mit pädagogischer Vermittlung oder Disziplin.“

Dass zunehmend Seiteneinsteiger eingesetzt werden, könne das Problem noch verschärfen. So haben in diesem Schuljahr allein im Regionalschulbezirk Dresden, zu dem nicht nur die Landeshauptstadt, sondern auch die Kreise Meißen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehören, 202 Quereinsteiger angefangen. Fast die Hälfte von ihnen wird an den Grundschulen eingesetzt. Die anderen gehen an die Ober-, Berufs- und Förderschulen. An den Gymnasien werden sie nicht unterrichten. Das Problem: Die neuen Lehrkräfte müssen selber noch die Schulbank drücken. Erst ab Dezember stehen sie vor den Klassen.

Ein fehlendes Lehramtsstudium muss indes nicht immer ein Nachteil sein, weiß Norenz. Auch in Klotzsche und den anderen Büros des Studienkreises werden nicht ausschließlich Lehrer eingesetzt. Neben Lehramtsstudenten geben auch Spezialisten wie Ingenieure oder Programmierer Nachhilfe. Bei den Fremdsprachen werden häufig Muttersprachler eingesetzt. „Das Wichtigste ist, dass sie gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen können“, so Norenz. Das hat auch ihn von der Bundeswehr zur Nachhilfe gebracht.

Er hat sich in der Offiziersschule des Heeres vor allem um die Ausbildung des Nachwuchses gekümmert. Als er mit 55 in den Ruhestand gehen musste, weil die Altersobergrenze bei der Bundeswehr erreicht war, wurde dem Berufssoldaten langweilig. So landete er im Studienkreis. „Es ist schön zu sehen, wie Nachhilfe Früchte trägt“, sagt Norenz. Doch er räumt ein: „Das klappt meistens, aber nicht immer.“ Wenn die Kinder schlechte Noten auf dem Zeugnis nach Hause bringen, sei es oft schon zu spät.

„Man sollte gar nicht erst etwas anbrennen lassen“, ermahnt er. Das sei nun umso wichtiger, seitdem die Regelung zur Bildungsempfehlung geändert wurde. Bislang konnten Kinder nur von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln, wenn sie in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathe einen Notendurchschnitt von mindestens 2,0 hatten. Zwar bleibt dieser Schnitt Voraussetzung dafür, dass ein Grundschüler die Empfehlung fürs Gymnasium bekommt. Allerdings können Eltern ihre Kinder nun auch ohne diese Empfehlung auf den Weg zum Abitur schicken. Dieses Schuljahr wechselten fast 80 Kinder ohne entsprechende Empfehlung ans Gymnasium. „Auf diesem Weg sollten die Eltern ihre Kinder nicht alleine lassen“, sagt Norenz. Er hat bislang allerdings nur zwei Verträge dieser Art abgeschlossen. Und auch, ob der Lehrermangel zum Run auf die Nachhilfebüros führt, bleibe noch abzuwarten. „Generell wird es einfach von Jahr zu Jahr mehr“, sagt der Studienkreis-Leiter.

Laut einer Bertelsmann-Studie von 2015 nehmen rund 1,2 Millionen Schüler in Deutschland Nachhilfe. Damit hinkt die Bundesrepublik im Ländervergleich allerdings hinterher. Auffällig sei, dass Nachhilfe in den östlichen Bundesländern häufiger in Anspruch genommen werde als in den westlichen. In Sachsen sind es demnach fast 14 Prozent der Schüler. Die meisten Eltern zahlen die Stunden selbst. Beim Studienkreis liegen die Preise je nach Vertragslaufzeit zwischen 7,44 und 10,25 Euro. Einkommensschwache Eltern haben aber mitunter die Möglichkeit, eine Förderung zu erhalten. „Ich würde mir wünschen, dass das mehr Leute in Anspruch nehmen“, so Norenz. Teilweise sei die Möglichkeit aber unbekannt.

Vom 2. bis 13. Oktober finden im Klotzscher Büro auf der Königsbrücker Landstraße 92 Beratungswochen zum Förderprogramm „Bildung und Teilhabe“ statt. Termine können unter 8901550 vereinbart werden.