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Lehrer-Verbeamtung löst kaum Probleme

Die SPD informiert zur Regierungsdebatte in der Bildungspolitik. Dabei trifft sie auf die Realität an Weißwassers Schulen.

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© Joachim Rehle

Von Christian Köhler

Weißwasser. Derzeit verhandeln die Regierungsparteien in Sachsen über eine Neuausrichtung der Bildungspolitik. An der avisierten Verbeamtung von Lehrern spalten sich seit einigen Wochen die Geister im Freistaat. „Wir halten die Verbeamtung für keine gute Lösung“, sagt Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Sie hat am Donnerstagabend in der Weißwasseraner Telux ihre Vorstellung von Bildungspolitik erläutert. Lehrer an Schulen im Altkreis Weißwasser konfrontierten sie dabei mit Problemen vor Ort.

Während Sabine Friedel kaum auf Details der Koalitionsdebatte in Dresden einging, konstatierte sie dennoch strukturelle Defizite in Sachsens Bildungspolitik. „Die Lehrerbedarfsplanung des Kultusministeriums schreibt unserer Ansicht nach nur den Lehrermangel fort“, sagte sie in Richtung CDU. 2018 fehlten laut SPD-Angaben mehr als 800 Lehrer an sächsischen Grund- und Oberschulen. Und die Trennung beim Lehramtsstudium nach Schularten führe nicht dazu, dass die späteren Lehrer flexibel zwischen den Schularten eingesetzt werden und so mögliche Ausfälle problemloser kompensieren könnten. Ohnehin werde es den Lehramtsstudenten schwer gemacht, so Sabine Friedel: „Sie erhalten ihre Zeugnisse am 30. September, Bewerbungsfrist für das Referendariat ist aber der 1. September. Und da das Referendariat erst im Februar losgeht, ist die Frage, was machen die Absolventen in den vier Monaten?“ Es sei also kein Wunder, dass mehr und mehr in andere Bundesländer abwandern.

Um Lehrer generell mehr zu entlasten, schlägt die SPD zudem eine Schulassistenz vor. Schulfremdes Personal solle beispielsweise das Sekretariat besetzen oder die IT-Technik verwalten, Fördermittel beantragen oder Organisatorisches übernehmen. Letzteres wiederum hält Ina Kokel, Referatsleiterin für Soziales in Weißwasser, für problematisch: „In Weißwasser kümmert sich nicht ein Lehrer um die IT-Technik, sondern wir.“ Schließlich bleiben die Kosten für „schulfremdes Personal“ wie beispielsweise an der Bruno-Bürgel-Oberschule beim Schulträger hängen, also der Stadt.

Und in Zeiten von Haushaltseinsparungen, in denen sich Weißwasser befindet, könne die Stadt auch keine weiteren Stellen finanzieren, etwa für Ergotherapeuten oder für Sozialpädagogen, die die Ganztagsangebote erweitern. Das nämlich schlägt die SPD vor. Geht es nach ihr, müsste auch der Stundenplan für Schüler und Lehrer gestutzt werden, „und das nicht wegen eines Lehrermangels“, wie Sabine Friedel betonte. Vielmehr müssten bisherige Ganztagsangebote auf den gesamten Schultag verteilt werden, um die Heranwachsenden noch besser auf das Berufsleben vorzubereiten. Schüler müssten nämlich derzeit in der siebten Klasse durchschnittlich 33 Unterrichtsstunden absolvieren. Hinzu kommen Hausaufgaben, ein langer Schulweg im ländlichen Raum und, und, und.

„Wenn das Ganztagsangebot ausgebaut werden soll, stellt sich mir die Frage, wer dafür zuständig ist“, fragte Ina Kokel. Schulträger müssten schlicht finanziell besser ausgestattet sein, um dies zu leisten. Es sei zwar gut, wenn es Fördermittel gibt, „aber wenn darin keine Personalkosten eingestellt sind, bringen die Mittel sehr wenig“, sagte die Referatsleiterin und fügte hinzu: „Wir hätten vieles, was wir dem Kultusministerium persönlich sagen würden.“

Ein ganz anderes Anliegen hat Sylvia Gottschall vom Landau-Gymnasium in Weißwasser. „Die Abiturprüfungen sollten an der Schule bleiben“, sagte sie. Es sei ein riesiger Aufwand, dass jährlich Tausende Prüfungen durch ganz Sachsen geschickt werden, um kontrolliert zu werden. Darüber hinaus würden jährlich zig Prüfungen von Lehrern ausgearbeitet, von denen am Ende nur ein Bruchteil tatsächlich im Abi abgefragt wird. Karsten Höink, ebenfalls Lehrer am Landau-Gymnasium, fasst als Mitglied des Lehrerverbandes die Hilferufe aus den Lehrerzimmern des Freistaates zusammen: „Pflichtstunden reduzieren, mehr Zeit für Fortbildung, flächendeckend bessere Medienausstattung.“ Dazu zähle auch die Breitbandanbindung. Es bringe nämlich nichts, „wenn eine 16000er-Verbindung auf dem Papier steht und, nachdem ich mich angemeldet habe und 100 Schüler online sind, dann nichts mehr geht.“ Höink merkte an: „Und kurz gesagt: Wir brauchen mehr Personal. Ich bin zwar nicht unbedingt für Verbeamtung, aber Anreize für angehende Lehrer in den ländlichen Raum zu kommen, muss es geben.“

Thomas Baum, SPD-Landtagsabgeordneter, hakte ein und sagte: „Wir setzen uns deshalb für eine große Lösung ein.“ Inwiefern sich die SPD dabei gegen die CDU durchsetzt, bleibe abzuwarten. Dass nämlich nicht nur Gymnasial- und Oberschullehrer vor Problemen stehen, sondern auch Grundschullehrer, berichtet die Bad Muskauer Schulleiterin Bärbel Aulich: „Der Burgfrieden ist massiv gestört“, sagt sie. Viele Grundschullehrer fühlten sich wie das letzte Glied in der Kette: „Bei uns findet keine Selektion der Schüler statt, wir haben große Klassen und Schüler mit Migrations- und Integrationshintergrund. Da fragt niemand, ob die Lehrer gut vorbereitet sind.“ Grundschullehrer seien schlicht nicht gleichberechtigt und „Kollegen, die einen DDR-Abschluss haben, der nicht anerkannt wird, fühlen sich wie Lehrer zweiter Klasse“. Bärbel Aulich wurde ehrlich: „Ich bin froh, dass ich bald in den Ruhestand gehen kann. Unsere Lehrer sind fertig und ausgebrannt.“ Sie müssten endlich gleichgestellt und gleich bezahlt werden.

Thomas Baum verspricht: „Wir werden keinem Kompromiss zustimmen, in dem die DDR-Abschlüsse nicht anerkannt sind.“