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Lebt der Drahtzieher in Kroatien?

Der Prozess gegen den Vermittler des ominösen Venedig-Deals von Unister-Chef Thomas Wagner geht vorfristig zu Ende.

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© dpa

Ulrich Wolf

Leipzig. Der mutmaßliche Kopf der Bande, die den Chef des Leipziger Internetunternehmens Unister betrogen hat, lebt wahrscheinlich auf dem Balkan. Ein Beamter des Landeskriminalamtes Sachsen sagte am Dienstag vor dem Landgericht Leipzig, der millionenschwere Darlehensvertrag zwischen Unister-Gründer Thomas Wagner und seinem vermeintlichen Investor Levy Vass sei via Mail von einem Copyshop in Kroatien aus an den angeklagten Kreditvermittler Wilfried Schwätter geschickt worden. Nach SZ-Informationen liegt der Kopierladen in der Stadt Split.

Bereits in der vergangenen Woche hatten Gesprächsmitschnitte des überwachten Telefons von Schwätter den Eindruck vermittelt, der dubiose Investor Vass könnte in Kroatien leben. Demnach wollten sich der angebliche Multimillionär und der nahezu mittellose Angeklagte Ende Juli 2016 in Zagreb oder Split treffen. Der Akzent von Vass klang am Telefon nach Jugoslawien, er sprach nur gebrochen Deutsch. In Ermittlerkreisen wird nicht ausgeschlossen, dass es sich um einen Roma handeln könnte. Deren Banden sind mit der Betrugsmethode, der Unister-Chef Thomas Wagner zum Opfer fiel, bereits mehrfach in Norditalien aufgefallen. Erst im Dezember 2016 nahm die Polizei im Raum Varese in der Lombardei mehrere Roma unterschiedlicher Nationalitäten nach einem vollzogenen Betrug fest. Im Prozess gegen Schwätter war deutlich geworden, dass ein Golfclub-Restaurant bei Varese für Levy Vass bereits in früheren Zeiten eine wichtige Operations-Basis war.

Der 69 Jahre alte Angeklagte, der bis zu seiner Verhaftung Ende Juli 2016 in einer 200 Quadratmeter großen Eigentumswohnung in Unna in Westfalen lebte, räumte zwar ein, „in die Sache involviert“ gewesen zu sein, aber eher als Mitläufer. Eine konkrete Beschreibung seines Bekannten Levy Vass, einem angeblich erfolgreichen israelischen Di-amantenhändler, lieferte er nicht. In teils verlesenen Anzeigen anderer Betrugsopfer hieß es vor Gericht, es handle sich um einen Mittfünfziger mit braun gelockten Haaren, eher kleiner Statur, sympathisch wirkend, sehr gut Italienisch sprechend. Andere beschrieben ihn als älteren Herrn mit Halbglatze. Die Ermittler, die DNA und Fingerabdrücke von ihm sicherstellen konnten, gehen davon aus, dass der Mann mit Maskeraden zu seinen Geschäftstreffen kam. Vass trat zudem unter dem Namen „Wiaiss“ auf. Mal gibt er eine Fantasie-Adresse in Varese an, dann wieder eine in Florenz.

Bei Vollzug des angeblichen 15-Millionen-Euro-Darlehens war Wagner am 13. Juli 2016 in Venedig um 1,5 Millionen Euro gebracht worden. Diese Summe hatte er in bar als Sicherheit für den Kreditgeber Vass mitgebracht. Im Gegenzug sollte Wagner ein Viertel der Darlehenssumme ebenfalls in bar erhalten. Dieses Geld war in einem Koffer, doch nur die oberste Schicht Scheine war echt, der Rest falsch. Diese als Rip-Deal bezeichnete Betrugsmethode ist ein Produkt organisierter Wirtschaftskriminalität. Der zusammengesetzte englische Begriff bedeutet so viel wie Abzock-Geschäft. Bevorzugte Tatorte solcher Deals sind norditalienische Städte. Zum einen wird dort der Betrug mitunter als Kavaliersdelikt angesehen, zum anderen ist der Balkan als Rückzugsort nahe. Die Köpfe dieser Banden bedienen sich oft zahlreicher Mittelsmänner, bei denen aber sich meist nur maximal zwei Personen wirklich kennen.

Das Kleinflugzeug, das Wagner einen Tag nach dem Betrug zurück nach Leipzig bringen sollte, stürzte über Slowenien ab. Wagner starb mit nur 38 Jahren. Mit ihm kamen ein Vertrauter von ihm, ein ebenfalls in den Betrug involvierter Finanzmakler und der Pilot ums Leben.

Dem angeklagten Schwätter wirft die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zweifachen Betrug in besonders schwerem Fall vor. Schwätters Verteidiger sieht eher nur Beihilfe. Bereits am nächsten Dienstag sollen die Plädoyers gehalten werden, dann will die Kammer ihr Urteil fällen. Bei einem Schuldspruch ist eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren möglich.