Von Tino Meyer

Die Angst vor dem Tod ist mit den Jahren nicht kleiner geworden. „Man geht nicht besser damit um, wenn man weiß, dass er recht nah ist“, sagte Katja Hermann. Die Diagnose Krebs kannte die leidenschaftliche Lauftrainerin seit 2004, und die Ärzte gaben ihr den Hinweis, den geplanten Kauf des neuen Fahrrades gleich zu erledigen. Da wusste Katja Hermann: „Die geben mir nicht mehr viel. Und nun sind es schon mehr als zehn Jahre geworden.“

Im Sommer 2015 hatte sie davon erzählt, nach dem Rückfall, als alles wieder von vorn begann – nur schlimmer. Den Begriff Palliativ-Chemo musste sie erst nachschlagen. „Mein Krebs ist nicht mehr heilbar.“ Akzeptieren wollte sie diese Endgültigkeit nie. Weitere zehn Jahre, erklärte sie den Ärzten, brauche sie mindestens noch. „So lange muss ich noch für meine Läufer da sein, bis die richtig groß sind.“

Kraft gab Katja Hermann, die 1970 unter ihrem Mädchennamen Clausnitzer bei der Junioren-EM über 1 500 Meter gewann, jede Art von Sport. Ihre Trainingsgruppe mit Lauftalenten beim Dresdner SC aber ging ihr über alles. Für wichtige Meisterschaften unterbrach sie wie selbstverständlich die Chemotherapie. „Sport ist meine Selbsthilfe“, meinte sie und beantwortete die Frage nach den harten Stunden mit einer Gegenfrage: „Aber soll ich deshalb rumheulen?“ Katja Hermann hatte gelernt, mit dem Auf und Ab des Lebens umzugehen. Ihre Sternstunde als Auswahlläuferin erlebte sie 1975 beim Länderkampf in Oslo, als Grete Andersen über 3 000 Meter lief – und sie im Sog der Norwegerin den DDR-Rekord um 15 Sekunden auf 9:01,8 verbesserte. Der erhoffte Olympiastart 1976 blieb dagegen ein unerfüllter Traum.

Am Donnerstag erlag Katja Hermann im Alter von 66 Jahren dem Krebs – nachdem sie anderthalb Wochen zuvor ein letztes Mal auf dem Sportplatz stand. Ihre Läufer sind noch nicht richtig groß, aber einer von ihnen hatte beim Oberelbe-Marathon die 5 km gewonnen. (mit SZ/may, mw)