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Kunst für Märchen

Georg von Welck hat über 1000 Kinderbücher gesammelt. Sehr alte zeigt das Görlitzer Barockhaus.

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© OLB

Von Ines Eifler

Wenn sich im Märchen die Geschichte wandelt, dann oft auf geheimnisvolle Weise. Ein Tisch deckt sich von Zauberhand, ein Schloss rankt unentwirrbar zu, ein Spiegel zeigt, was weit hinter den Bergen geschieht. Solche Zauberei haben frühere Künstler unter anderem in Verwandlungsbildern dargestellt, die aus zwei transparenten Schichten bestehen. Hält man sie vor ein Licht, wird das Märchen wie von Zauberhand weitererzählt, das Bild verwandelt sich in die nächste Szene.

Ab heute sind im Barockhaus Neißstraße 30 und der OLB Kinderbücher aus der Zeit vor 1880 zu sehen. Foto: Nikolai Schmidt
Ab heute sind im Barockhaus Neißstraße 30 und der OLB Kinderbücher aus der Zeit vor 1880 zu sehen. Foto: Nikolai Schmidt © nikolaischmidt.de

Ein solches Buch ist Teil der Ausstellung „Häwelmann und Suppenkasper“, die heute anlässlich des bundesweiten Vorlesetags im Barockhaus Neißstraße 30 eröffnet. Sowohl in der Schatzkammer der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften als auch in der Ameis’schen Wohnung im Museum sind 60 historische Kinderbücher zu sehen, die zwischen 1785 und etwa 1880 entstanden sind. Diese wertvollen Bücher stammen aus der Privatsammlung von Georg von Welck, der beruflich allerdings wenig mit Kunst und Literatur zu tun hat, sondern Richter am Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen ist.

Insgesamt hat er über 1000 Kinderbücher gesammelt. Den Grundstock dieser Sammlung bilden einige Bücher, die seiner Mutter gehörten. Vor allem aber besaß seine in Dresden geborene Tante, eine freie Schriftstellerin und Übersetzerin, großartig illustrierte Kinderbücher und pflegte aufgrund ihrer Arbeit viel Kontakt mit Kinderbuchillustratorinnen. „In diese Bücher habe ich mich als Kind schon gern vertieft“, erzählt Georg von Welck. „Sie waren der Anlass, mich auch später wieder mit Kinderbüchern zu beschäftigen.“ Als er vor etwa 25 Jahren begann, gezielt nach seltenen, künstlerisch hochwertig illustrierten Kinderbüchern Ausschau zu halten, lebte er schon in Dresden. In München aufgewachsen, zog er Anfang der 1990er Jahre dahin, arbeitete im Sächsischen Kultus-, später im Justizministerium und seit 2009 am Oberverwaltungsgericht auf der Ortenburg. Nebenbei stöberte er nach Kinderbüchern, anfangs auf Flohmärkten, heute vor allem im Internet. „Die Flohmärkte geben heute nicht mehr so viel her wie früher“, sagt Georg von Welck. Im Internet aber könne man immer wieder interessante Ausgaben aus der ganzen Welt finden.

Dabei geht es ihm vor allem um die grafische Gestaltung der Werke. „Kinderbücher scheinen eine Nische für Künstler gewesen zu sein, in der sie viele Freiheiten zur Entfaltung fanden.“ Die Mehrzahl der Bücher sei von Frauen illustriert worden, vielleicht weil sie es als bildende Künstlerinnen schwerer hatten als Männer, anerkannt zu werden und sich zu etablieren. In Kinderbüchern seien sie mit all ihrem grafisch-künstlerischen Können vertreten.

Besonders interessiert sich Georg von Welck für die innovativen, moderneren Darstellungen in Kinderbüchern der Zwischenkriegszeit. In den 1920/30er Jahren seien auch in Russland und den umliegenden Republiken sehr anspruchsvolle, von Künstlern illustrierte Bücher erschienen, ebenso in den Niederlanden und den skandinavischen Ländern.

Die nun in Görlitz zusammen mit dem historischen Puppenhaus präsentierte Auswahl aus der frühen Zeit des Kinderbuches enthält Klassiker wie Theodor Storms „Kleinen Häwelmann“, die ersten Bildergeschichten von Wilhelm Busch und den „Struwwelpeter“. Der überwiegende Teil sind Bücher, die der Bildung, der Erziehung oder der Erbauung dienten. Manche enthalten Darstellungen von Vögeln oder exotischen Tieren, andere lehren Kinder vernünftiges, sittsames Verhalten.

Einige besondere Bücher zeugen von der technischen Ideenvielfalt im 19. Jahrhundert. Dazu gehören „Ziehbilderbücher“ mit beweglichen Abbildungen oder Scherenschnittsammlungen. In einem Buch kann man Blumensträuße aus Papier zusammenstellen, ähnlich wie früher die papiernen Anziehpuppen. All diese Bücher sind so wertvoll, dass sie nur hinter Glas zu sehen sind. Die „Verwandlungsbilder“ allerdings kann man ausprobieren. Sechs der Doppelbilder hat das Museum nachgefertigt, sodass man selbst erleben kann, wie sich der Tisch deckt oder Schneewittchens Gesicht im Spiegel erscheint.

Eröffnung „Häwelmann und Suppenkasper“ am Freitag, 15 Uhr in Anwesenheit des Sammlers, OLB, Handwerk 2