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Kontrolle an der Neiße

Vor 60 Jahren wurde die Stadtbrücke als offizieller Grenzübergang eingeweiht.

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Von Ralph Schermann

Görlitz. Die Reichenberger Brücke löste die Altstadtbrücke als Hauptträger des Verkehrs über die Neiße ab. Im Juni 1875 wurde sie eingeweiht, vorher gab es an dieser Stelle lediglich eine Furt (der Name Furtstraße erinnert noch heute daran). Die Bedeutung der Reichenberger Brücke war enorm, beiderseits begleitet von einer Bebauung neuer Stadtviertel.

Heute wird nur noch operativ kontrolliert.
Heute wird nur noch operativ kontrolliert. © Bundespolizei Ludwigsdorf

Auch die Straßenbahn rollte über die neue Flussquerung. 1945 war damit Schluss, als alle Görlitzer Brücken noch am Kriegsende von der Wehrmacht gesprengt wurden. Über die Trümmer der Reichenberger Brücke wurde schnell ein Behelfsbau errichtet, über den ab 15. Mai 1945 die Vertriebenen aus dem früheren deutschen Osten gen Görlitz kamen. Denn die Neiße wurde fortan zu einer Staatsgrenze.

Als diesen Fakt im Juli 1950 DDR-Ministerpräsident Grotewohl und Polens Staatschef Cyrankiewicz in Zgorzelec und Görlitz bekräftigten („Görlitzer Abkommen“), war die Stadtbrücke wieder instandgesetzt. Der Reparaturbau begann im Juli 1946. Da nannte man ihn „Grenzlandbrücke“. Später hieß es „Brücke der Freundschaft“ (eine Namensgebung, die übrigens bis heute offiziell noch gar nicht geändert wurde). Dennoch war die Stadtbrücke – von gelegentlichen Ausnahmen, darunter der Friedensfahrt, abgesehen – kein Grenzübergang. Als solcher wurde er erst am 1. Oktober 1958 offiziell eingeweiht, war von 1972 bis 1980 für DDR-Bürger auch pass- und visafrei benutzbar. Ein Grenzübergang ist diese Brücke bis heute, wenn auch mittlerweile selbst den Personalausweis niemand mehr sehen will.

Im Oktober 1955 hatte die Deutsche Grenzpolizei die Sicherung der Brücken an Oder und Neiße übernommen. Ständige Brückensicherungen mit Posten führten die Grenztruppen bis 1971 durch. 1958 wurde eine Grenzbrigade DDR/Polen gebildet, zu der die 20. Grenzbereitschaft Görlitz gehörte. 1961 gab es mit Bildung des Warschauer Vertrages eine Umformierung. Fortan sorgte ein sogenanntes koordiniertes System kollektiver Sicherheit für gemeinsame Grenzsicherungen durch DDR- und polnische Grenztruppen, was die Reduzierung von Kräften auf deutscher Seite zur Folge hatte (Verlegung an die Westgrenze). Es gab dann sechs Kommandantenbereiche und sechs Grenzunterabschnitte, einer davon war Görlitz. Hier aber waren seit 1961 keine kasernierten Grenztruppen mehr. Unabhängig von den Kontrollkräften an Grenzübergängen (Staatssicherheit und Zoll) unterhielten die Grenztruppen Grenzabschnittsposten, die ähnlich der ABVs der Polizei selbstständig und mit freiwilligen Helfern den Grenzverlauf kontrollierten und Gespräche mit grenznahen Bürgern suchten.

Die Verwaltung der Grenzbereitschaft befand sich im Haus Schützenstraße/Ecke James-von-Moltke-Straße. Es gab auch auf deutscher Seite Wachtürme, zum Beispiel in Ludwigsdorf. Stadtbrücke und Viadukt wurden bis 1958 von sowjetischen Einheiten bewacht. Diese hatten ihren Sitz im Bereitschaftsobjekt Schützenstraße (ab Einmündung Moltkestraße bis zum Ständehaus). Chef der Grenzpolizei war Oberst Marschlanka. Ihm als Berater zugeordnet war der sowjetische Oberst Romanow, der mit Frau und Kind im Objekt wohnte und erstaunlicherweise mal die sowjetische, mal eine deutsche Uniform trug.

Nach 1990 wurde die Neiße zur EU-Außengrenze mit entsprechenden Kontrollen. Seit 2007 ist auch das Geschichte. Heute wird polizeilich und zollamtlich stichprobenartig und eher auf der Autobahn als an der Stadtbrücke kontrolliert. Die deutsch-polnische Grenze hat mittlerweile eher einen symbolischen Charakter.