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Kontinuität statt Visionen

Carola Balk ist die klare Siegerin der Bürgermeisterwahl. Warum ihr Mitbewerber Sven Böttger aus Coswig scheitern musste.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Diera-Zehren. Die Überraschung ist ausgeblieben. Amtsinhaberin Carola Balk (parteilos) hat sich bei der Bürgermeister-wahl in Diera-Zehren mit knapp 67 Prozent der Stimmen überzeugend durchgesetzt. Wenn es eine Überraschung gab, dann ist es das Wahlergebnis von Herausforderer Sven Böttger. Der Coswiger holte immerhin exakt ein Drittel aller abgegebenen gültigen Stimmen. Das war ihm von vielen nicht zugetraut worden. Dennoch stand er von vornherein auf verlorenem Posten. Sechs Gründe, warum er scheiterte.

Der Amtsbonus

Carola Balk ist seit sieben Jahren Bürgermeisterin der Gemeinde, war zuvor viele Jahre Kämmerin. Als solche schaut sie mehr als andere aufs Geld. Mit Erfolg. Die Pro-Kopf-Verschuldung ist mit 145 Euro sensationell niedrig. Carola Balk und ihre Verwaltung arbeiten unauffällig und unspektakulär, aber kontinuierlich und zuverlässig. So etwas wissen Wähler zu schätzen. Sven Böttger hingegen sprach von Visionen. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, empfahl einst Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD). Die Diera-Zehrener haben mit ihrer Wahl auf Kontinuität gesetzt statt auf Visionen.

Das Wahlergebnis

Wahlberechtigte 2819

abgegebene Stimmen 1695

Wahlbeteiligung 60,1 Prozent

gültige Stimmen 1676

davon Carola Balk 1122 (67 Prozent)

davon Sven Böttger 554 (33 Prozent)

Wahllokal Zadel: gültige Stimmen 822

davon Carola Balk 731 (89 Prozent)

davon Sven Böttger 91 (11 Prozent)

Wahllokal Zehren: gültige Stimmen 506

davon Carola Balk 176 (35 Prozent)

davon Sven Böttger 330 (65 Prozent)

Briefwahl: Carola Balk 215 (62 Prozent) und Sven Böttger 133 (38 Prozent)

(Quelle: Gemeinde Diera-Zehren)

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Einheimische gegen Auswärtigen

Auswärtige haben es traditionell schwer bei Bürgermeisterwahlen in Diera-Zehren. So erreichte 2011 Bernhard Kroemer aus Coswig rund 30 Prozent der Stimmen, Helge Landmann aus Meißen kam sogar nur auf 5,55 Prozent. Auch diesmal wollten die Wähler nicht von einem Auswärtigen regiert werden, gleich gar nicht von einem Städter. Carola Balk, die in Golk wohnt, profitierte von ihrem Heimvorteil und ihrem Bekanntheitsgrad in der Gemeinde.

Parteilose gegen CDU-Mann

Die Zeiten, in denen die CDU irgendjemanden aufstellen konnte und dieser gewählt wurde aus dem einzigen Grund, weil er Mitglied der CDU ist, sind eindeutig vorbei. Nicht erst das Scheitern von Jamaika und die jetzigen ständigen Querelen in der Großen Koalition in Berlin haben das Vertrauen in Parteien weiter zerstört. Bei Sven Böttger kommt erschwerend dazu, dass er zwar in der CDU ist, früher aber Mitglied der SPD war. Solche Wechsel sind zwar möglich und legitim, kommen aber beim Wähler nicht gut an. Carola Balk punktete damit, parteilos zu sein und ohne Parteiinteressen zu agieren.

Linke gegen rechte Elbseite

Es gäbe keine Spaltung der Gemeinde in links- und rechtselbische Ortsteile, betont Bürgermeisterin Carola Balk mantraartig. Das Wahlergebnis spricht aber eine ganz andere Sprache. Im Wahllokal Zadel bekam Carola Balk 89 Prozent der Stimmen, in Zehren nur 35 Prozent. Auch Amtsvorgänger Friedmar Haufe verlor 2006 bei seiner letzten Wahl in Zehren gegen den völlig unbekannten Kandidaten Pierre Brandes, wenn auch knapp. Dieser bekam damals linkselbisch 385 Stimmen, Haufe nur 380. Auch er gewann die Wahl damals rechtselbisch. Nimmt man die Ergebnisse der Bürgermeisterwahlen in Diera-Zehren zum Maßstab, ist die Spaltung der Gemeinde in den letzten Jahren also sogar deutlich größer geworden. Wahlen in Diera-Zehren werden nun mal rechtselbisch gewonnen. Und da hatte die Amtsinhaberin ganz klar die Nase vorn.

Frau gegen Mann

Bürgermeisterinnen sind im Landkreis Meißen nicht gerade überrepräsentiert. Nur in Radeburg, Priestewitz, Lommatzsch und eben Diera-Zehren gibt es eine Frau an der Verwaltungsspitze. In Diera-Zehren gab es zumindest zu Beginn der Amtszeit von Carola Balk im Gemeinderat von einigen Räten einen sehr respektlosen Umgang mit der Amtschefin. Offenbar konnten es einige Männer im Rat nicht verwinden, dass jetzt eine Frau auf dem Bürgermeisterstuhl sitzt. Mit ihrem Kandidaten wollte die CDU wieder einen Mann installieren. Von den Wählern in Diera-Zehren wurde das offenbar nicht präferiert.

Bürgermeisteramt als ABM?

Auf die Füße gefallen ist Sven Böttger auch seine berufliche Situation. Er befand sich in Elternzeit, war zuvor arbeitslos. Für viele stellte sich das so dar, er bewerbe sich um das Bürgermeisteramt nur deshalb, weil er einen neuen Job braucht. Das Bürgermeisteramt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Auch dass er sich bis Juni dieses Jahres kein bisschen für die Gemeinde Diera-Zehren interessiert hat, nie eine Gemeinderatsitzung besuchte, nahm man ihm übel. Sein plötzliches Interesse wirkte daher bei vielen Wählern unglaubwürdig.