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Kompromisse in der Nikolaivorstadt

Die Ausgleichsbeträge für die Sanierung des Görlitzer Stadtteils sind sehr umstritten. Aber wenn Hausbesitzer gute Argumente haben, erhalten sie deutliche Rabatte.

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© Archivfoto: Nikolai Schmidt

Von Ingo Kramer

Görlitz. Thomas Hain hat bezahlt. 2 345 Euro Ausgleichsbetrag für sein 423 Quadratmeter großes Grundstück am Steinweg in der Nikolaivorstadt. „Und ich rate anderen Leuten im Viertel, auch schnell zu zahlen, denn noch gibt es Rabatt“, sagt der Mann, der sich auch im Bürgerrat engagiert. Doch Hain weiß auch: Nicht jeder Hausbesitzer hat Verständnis, dass er jetzt, wo das Sanierungsgebiet ausläuft, zahlen soll. Seit Februar verlangt die Stadt das Geld für die Wertsteigerung der Grundstücke, zum Beispiel durch die Sanierung der Straßen. „Dabei sind noch gar nicht alle Straßen saniert, der Steinweg und der untere Teil des Obersteinwegs zum Beispiel sind es nicht“, sagt Hain. Viele fürchten nun, dass sie jetzt den Ausgleichsbetrag zahlen müssen – und später, wenn die Straße irgendwann saniert wird, auch den Straßenausbaubeitrag.

In den betroffenen Straßen zahlen die Hausbesitzer jetzt weniger Ausgleichsbetrag, sagt Uwe Berndt vom Amt für Stadtentwicklung. Konkret ist es ein Euro weniger pro Quadratmeter, also sechs statt sieben Euro. Und wer schnell zahlt, bekommt ohnehin noch einmal 8,9 Prozent Rabatt. „Wenn die Straßenausbaubeitragssatzung dann noch besteht, müssen die Hausbesitzer sich tatsächlich später an den Kosten des Straßenbaus beteiligen“, bestätigt Berndt. Das findet auch Hain ungerecht. Er hat jetzt 423 Euro Rabatt bekommen – und muss später womöglich 3 000 Euro oder mehr für den Straßenausbau zahlen. Auch bei einer Info-Veranstaltung im Camillo, zu der der Bürgerrat schon Mitte Juni eingeladen hatte, blieb dieses Problem ungelöst.

Hain und auch Hagen Aye vom Bürgerrat wollen sich deshalb in die anstehende Diskussion um Straßenausbaubeiträge einklinken. „Wir wollen, dass die Berücksichtigung der gezahlten Ausgleichsbeträge in der Satzung festgeschrieben wird“, sagt Aye. Die Bürgerräte wollen mit dieser Mission beim Stadtrat Klinken putzen gehen.

Insgesamt ist die Stadt jedoch mit dem Zahlungsverhalten in der Nikolaivorstadt recht zufrieden. Seit dem Beginn im Februar haben schon rund 65 Prozent der Besitzer vorzeitig abgelöst. Die Freiwilligkeitsphase läuft Ende 2019 aus. Von den etwa 180 offenen Erhebungsfällen gebe es Rückfragen von Eigentümern in der Großen Wallstraße, Am Hirschwinkel und eben am Steinweg, bestätigt Berndt: „Dazu wurden bereits zahlreiche Gespräche geführt.“

In der Großen Wallstraße und Am Hirschwinkel ist die Problemlage eine andere als am Steinweg. 14 Eigentümer haben sich hier zusammengetan, um die Beträge an sich anzuzweifeln. „Wir haben eine 14-seitige Stellungnahme an die Stadt geschrieben, in der wir auch auf Fehler im Gutachten hingewiesen haben“, sagt ein Hausherr, der namentlich nicht genannt werden will. Anschließend habe es eine Gesprächsrunde sowie Einzelgespräche gegeben. Ergebnis: Von den Beträgen insgesamt rückt die Stadt nicht ab – aber es gibt auch hier Rabatte. Zum einen war im Gutachten das Hochwassergebiet gar nicht berücksichtigt. Je nach Lage des Grundstückes gibt es nun zehn bis 30 Prozent Rabatt. „Die Zahlengrundlage dafür ist aber völlig unverständlich“, schimpft der Hausherr.

Zusätzlich gewährt die Stadt nun aber auch einen sogenannten „Bünger-Rabatt“ von bis zu 50 Prozent – und zwar da, wo der frühere Eigentümer Bünger einst einen Teil der Abrisskosten der Industriebrache selbst zahlen musste. Damals wurde ein Fördervertrag ausgehandelt, wonach diese Kosten später angerechnet werden. Das ist nun tatsächlich der Fall. „Inzwischen haben die meisten meiner Nachbarn bezahlt“, sagt der Hausherr. Er selbst überlegt noch, ob er das jetzt auch tun sollte.