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Kolkraben aus dem Nest geholt

Kletterexperten-Aktion am Felsen: Mit einer Sondergenehmigung wird das Karl-May-Fest am Kleinen Stein gerettet.

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© Norbert Millauer

Von Peter Redlich.

Radebeul. Freitagmorgen im Lößnitzgrund. An der Straße und in der Westernstadt Little Tombstone herrscht geschäftiges Treiben. Stände aufbauen, Wasserleitungen verlegen, Stromkabel ziehen. In wenigen Stunden startet das Karl-May-Fest.

Schließlich werden die Rabenbabys sicher in einer Korbkiste mit Stroh verstaut.
Schließlich werden die Rabenbabys sicher in einer Korbkiste mit Stroh verstaut. © Norbert Millauer

8 Uhr: Im Schatten der großen Aufbau aktion steigen fünf Männer aus Kleintransportern. Drei von ihnen tragen Seile und Haken. Einer hat einen großen geflochtenen Korb dabei, drinnen weiches Stroh. Michael Karlshaus, Radebeuls Ordnungsamtsleiter, hat gemeinsam mit Stephan Paletschek, dem technischen Leiter des Karl-May-Festes, den Termin festgelegt. Die Aufgabe: Kolkrabenjunge aus dem Nest an der Felswand bergen.

Anlass für diese Aktion ist das Fest der Cowboy- und Indianerfreunde. Seit vorigem Jahr nistet im Großen Steinbruch ein Wanderfalkenpärchen. Weil es von diesen sehr seltenen Paaren nur zwei im Kreis Meißen gibt und diese unter absolutem Schutz stehen, musste der Tanzplatz der Indianer am Großen Stein – auch Hoher Stein genannt – für das Fest geschlossen werden.

Einen Ausweichplatz fanden die Veranstalter vom Kulturamt gemeinsam mit der Naturschutzbehörde im benachbarten Kleinen Steinbruch. Doch vor wenigen Wochen, zur Begehung vor dem Fest, entdeckten die Veranstalter das Nest von Kolkraben mit Jungen darin. Michael Karlshaus: „Weil Kolkraben aber nicht so gefährdet sind wie Wanderfalken und deren Population auch viel größer hier in der Gegend ist, haben wir von der Naturschutzbehörde eine Sondergenehmigung zur Umsiedlung der Vögel bekommen.“

8.20 Uhr: Doch noch ist es nicht soweit. Uwe Marten und sein Kollege Alexandru Lovas steigen einen schmalen Geröllpfad am Felsen nach oben. Gut 35 Meter ist der Felsen hoch. Thomas Löwinger von der gleichnamigen Firma Alpin und Umweltservice kennt das Steinbruchrevier seit Jahrzehnten. Der Bergsteiger zeigt auf die Sicherungshaken am Felsen. Viele Jahre, bis zum Verbot wegen Landschaftsschutz, haben Sachsens Kletterer hier trainiert.

Noch bis vor zwei Jahren hat der Radebeuler am Großen Stein mit seinen Männern die Felsmalaktion der Indianer gesichert. An diesem Freitagmorgen nun diese Sonderaufgabe.

8.40 Uhr: Das aus groben Zweigen gebaute Nest der Kolkraben ist etwa in 20 Metern Höhe so angelegt, dass weder Regen reinfällt noch Steine von oben gefährlich werden können. Die beiden Alpinexperten haben sich einen fest verwurzelten Baum auf der Felsspitze gesucht, um hier das Seil für die Bergungsaktion zu befestigen. Thomas Löwinger gibt von unten Hinweise, wo der treffsicherste Abstieg sein kann.

Hoch über den Männern kreisen die Eltern der Kolkrabenjungen. Europas größte Rabenart mit einer Spannweite bis 130 Meter flößt beim Zusammentreffen Respekt ein. Die großen Vögel haben inzwischen bemerkt, was am Felsen passiert und warnen mit lauten Rufen ihren Nachwuchs, während sich Uwe Marten Meter für Meter abseilt. Auf dem Rücken hat der Kletterer einen Leinenrucksack.

9 Uhr: Das Nest ist erreicht. Zwei Jungvögel sind es. Uwe Marten greift nicht gleich zu, beobachtet die grau-schwarzen Jungraben, die bereits die Größe einer Taube haben. In ein bis zwei Wochen wären sie flügge und würden davonfliegen. Das Karl-May-Fest muss aber jetzt stattfinden.

Behutsam greift der Bergsteiger den ersten der aufgeregt flatternden Raben. Nur nicht erschrecken und einen fallenlassen. Am Felsboden hatten die Männer schon ein totes und vom Marder angefressenes Jungtier entdeckt – offenbar schon vor Wochen aus dem Nest gefallen.

9.10 Uhr: Uwe Marten gelingt es, auch das zweite Kolkrabenbaby sicher im Rucksack zu verstauen. Dann geht alles ganz schnell – abseilen, wieder vorsichtig zupacken und die Tiere im Korb mit dem weichen Stroh verstauen. Die Vögel verhalten sich ruhig, als Michael Karlshaus den Korb greift und zu seinem Auto trägt. „Ich fahre die Kolkraben jetzt nach Riesa in die Tierauffangstation. Dort werden sie von erfahrenen Pflegern großgezogen und anschließend in die freie Natur wieder entlassen.“

Für die Wanderfalken haben die Radebeuler am Wasserturm über Niederlößnitz einen sehr komfortablen Nistkasten angebaut. Mit der Hoffnung, dass das Pärchen, welches sich am Großen Stein ohnehin im alten Kolkrabennest breitgemacht hat, dorthin umsiedelt. Michael Karlshaus: „Auf ihren großen Rundflügen müssten sie das eigentlich entdecken.“

Und vielleicht kann das Karl-May-Fest im nächsten Jahr dann wieder am Kleinen und am Großen Stein stattfinden.

www.karl-may-fest.de