Merken

Knappe Antwort in 178 Worten

Berliner Luft

Teilen
Folgen

Von Sven Siebert

Heißt es: Deutschlands Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt? Oder geht es um Deutschlands Sicherheit? Oder seine Interessen? Oder überhaupt um Deutschland, das deutsche Deutschland, das zu verteidigen seit dem Winter 2001/2002 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert sind, und wo sie seit einiger Zeit auch kämpfen? Unstrittig ist: Die Sache mit Deutschland und dem Hindukusch geht auf eine Äußerung des damaligen Verteidigungsministers Peter Struck zurück. Wie es genau war, schildert der Sozialdemokrat im Ruhestand jetzt in seinem Buch „So läuft das“.

Struck schreibt, der mittlerweile ebenfalls pensionierte Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der ehrenwerte Karl Feldmeyer, habe ihn im Februar 2003 auf einer Pressekonferenz gefragt, ob der Afghanistan-Einsatz noch durchs Grundgesetz gedeckt sei. Dort heißt es nämlich: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ „Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt“, habe seine knappe Antwort gelautet, schreibt Struck. Aha, so war das also. Es ging um Deutschland, einfach Deutschland. Wir hatten das gar nicht mehr so richtig im Gedächtnis.

Wer Quellenstudium betreibt, muss Struck fast in jedem Detail Recht geben. Fast. Die Mitschrift des Verteidigungsministeriums der Pressekonferenz vom 5. Dezember 2002 dokumentiert die Entstehung des historischen Zitats. Karl Feldmeyer stellt seine Grundgesetzfrage. Strucks knappe Antwort umfasst 178 Wörter – „unser Land“ kommt darin vor, „Afghanistan“ und auch „Verteidigung“, das Wort „Hindukusch“ hingegen fällt nicht. Wir sind also kurz davor, ganz am Ziel sind wir noch nicht.

Es werden mehrere weitere Fragen, mehr oder weniger zum gleichen Thema gestellt. Struck äußert schätzungsweise 300 weitere Wörter. Schließlich stellt der Journalist Michael Inacker, damals bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und somit gewissermaßen ein entfernter Verwandter von Karl Feldmeyer, die entscheidende Frage, in der der Hindukusch am Horizont erscheint: „Wäre das eine Uminterpretation, dass man sagt, Landesverteidigung bedeutet eben auch am Hindukusch möglicherweise Soldaten einzusetzen?“

Struck antwortet in der ihm eigenen, knappen Art: „Ich will jetzt nicht so weit bis zum Hindukusch gehen, aber theoretisch könnte man schon sagen, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Es ging also um die Sicherheit Deutschlands. Struck hat das dann noch in 174 weiteren Wörtern knapp erläutert. In seinem Buch schreibt er heute: „Für mich war und ist der Satz nicht mehr und nicht weniger als die Antwort auf die neue Bedrohung, die von Afghanistan ausging.“