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Kleingärten in Gefahr

In den nächsten Jahren müssen noch zahlreiche Lauben im Flutgebiet weichen. Neue Nutzungen entstehen.

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© René Meinig

Von Juliane Richter

Lutz Schröter hat sich im Gartenverein Neu-Leuben ein grünes Kleinod mit Pool, Teich, Sitzecke und einer geräumigen Laube geschaffen. Die gemütlichen Stunden hier scheinen aber in absehbarer Zeit gezählt zu sein. In der gesamten Anlage stand das Wasser zur Flut 2013 bis knapp über das Laubendach. Gemäß eines Stadtratsbeschlusses sollen alle Lauben des Vereins Neu-Leuben weichen, weil die Gefahr einer weiteren Flut mit immensen Schäden zu groß ist. Wie Lutz Schröder geht es rund 460 Kleingärtnern in der Stadt.

Lutz Schröter muss sein Kleinod in den nächsten Jahren aufgeben. Er setzt sich für verlängerte Fristen für die Entschädigungszahlungen ein.
Lutz Schröter muss sein Kleinod in den nächsten Jahren aufgeben. Er setzt sich für verlängerte Fristen für die Entschädigungszahlungen ein. © Sven Ellger

Viele betroffene Anlagen befinden sich im Altelbarm und deshalb in Leuben und Tolkewitz, andere im Ostragehege oder an der Prießnitzmündung in der Neustadt. Mit dem Stadtratsbeschluss einher ging das Angebot, dass die Stadtverwaltung 1800 Euro Entschädigung zahlt und die Kosten für Beräumung und Entsorgung der Parzellen übernimmt. Allerdings nur, wenn sie bis 2022 freiwillig aufgegeben werden. Hintergedanke war, den Kleingärtnern einen Anreiz zu schaffen, anstatt sie irgendwann zur Räumung zu zwingen.

Die Zeit könnte knapp werden

Bei Lutz Schröter und anderen betroffenen Kleingärtnern sorgt der zunächst als positiv beurteilte Plan nun für Verunsicherung und auch Protest. Denn die Universität Nürnberg hat im Auftrag der Stadt Dresden ein neues Hochwassermodell erarbeitet, das die Gefahren für künftige Hochwasser darstellt. Dieses Modell soll nach Auskunft der Stadt bis zum ersten Quartal 2019 zur Verfügung stehen. In einer der vergangenen Stadtratssitzungen sei jedoch von Ende 2019/Anfang 2020 die Rede gewesen. Die Kleingärtner glauben, dass die Zeit zu knapp wird. Vor allem für jene 60 Gärten, die eine besondere „wasserrechtliche Genehmigung“ haben. Diese wurde nach dem Hochwasser 2002 für manche Parzellen im Flutgebiet erteilt. Deren Lauben sind laut Lutz Schröter „massiver als viele Nachbarlauben“ und müssen trotzdem abgerissen werden, weil die Genehmigung von der Stadt nicht mehr verlängert wird.

Wollen die Kleingärtner ihre Parzellen fristgerecht aufgeben, um nicht auf den Entsorgungskosten sitzen zu bleiben, müssen sie bis Mitte 2019 kündigen. Heike Ahnert, Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion, hat deshalb einen Antrag erarbeitet, der die finanzielle Entschädigung bis 2025 sichern soll. Denn viele hoffen, dass das neue Berechnungsmodell ihnen doch noch in die Hände spielt – und die Kleingärten samt Lauben bleiben können. Diese Hoffnung erklärt auch, weshalb der Laubenabriss zuletzt immer stärker stockte. Wurden direkt nach der Flut 2013 etwas mehr als 100 Parzellen sofort aufgegeben, sind in den vergangenen Jahren noch knapp 150 gewesen.

Frank Hoffmann, Vorsitzender des Stadtverbandes „Dresdner Gartenfreunde“, ist mit der jetzigen Situation unzufrieden. Fünf Jahre nach dem letzten großen Hochwasser sei die Gefahr für viele nicht mehr so präsent. „Die Leute drängen in die Kleingartenanlagen“, sagt er. Der Leerstand in Dresden betreffe maximal ein Prozent. Und Ersatzflächen für beräumte Anlagen gebe es kaum. Lediglich in Großzschachwitz wurde die neue Anlage „Aronia“ im Frühjahr mit 15 Parzellen von der Stadt übergeben. „Wenn ein neues Wohngebiet entsteht, müsste stets auch eine neue Kleingartenanlage mitgeplant werden“, sagt Hoffmann.

Kritisch sieht er auch, dass die leer gezogenen Flächen für Probleme sorgen. Die Betriebskosten für die Anlagen verteilen sich dann auf weniger Köpfe und steigen entsprechend. Hinzu kommt, dass die grünen Flächen eigentlich gemäht und gepflegt werden müssen. Aber wer macht das? Die Idee der Stadt und des Verbandes: Auch dieses Land darf wieder bewirtschaftet werden, allerdings ohne feste Lauben. Denn im Falle einer Flut besteht die Gefahr, dass Aufbauten und Gegenstände abdriften. Lutz Schröter kann da nur den Kopf schütteln. „Wer jemals einen richtigen Garten mit Laube hatte, will keinen ohne“, sagt er.

Kleingartenglück auch ohne Laube

Was für ihn nicht infrage kommt, ist für Gudrun und Dieter Hock eine ideale Lösung. Nur wenige Hundert Meter von Lutz Schröter entfernt, haben sie in der Anlage am Zschierbach 1 genau zwei solcher beräumten Parzellen übernommen. Seit Jahrzehnten sind sie Kleingärtner – stets mit Laube. Doch als Dieter Hock 80 Jahre alt wurde, haben sie ihren letzten Garten in der Sächsischen Schweiz aufgegeben. „So eine Laube ist ja wie ein zweiter Haushalt. Den muss man dann auch in Ordnung halten“, sagt Gudrun Hock.

Mit viel Mühe hat sie binnen anderthalb Jahren ein Blumen- und Gemüseparadies auf der grünen Wiese geschaffen. Studentenblumen, Dahlien und Hortensien stehen noch in voller Blüte. In einem Hochbeet sprießt der Mangold und auch die Zucchini sind reif. Der Vereinsvorsitzende Ulf Quanter hat auf eigene Initiative für jede Parzelle eine Säule mit Wasser- und Stromanschluss installiert. „Ich möchte gern auch noch eine zentrale Toilettenanlage bauen und einen Schuppen, in dem die Gartengeräte überdacht abgestellt werden können“, sagt Quanter. Das sei notwendig, um die neuen Flächen für künftige Nutzer wirklich attraktiv zu gestalten.

Einen anderen Vorschlag der Stadtverwaltung sieht er überaus kritisch: Demnach ist auf der Parzelle das Aufstellen einer Holzwand, zum Befestigen der Geräte, in Fließrichtung des Wassers gestattet. Die Entwürfe der Stadt sähen allerdings Kosten von bis zu 3 000 Euro vor. „Das würde aber niemand bezahlen“, sagt er. Das Ehepaar Hock hat sich eine solche Wand in Eigenregie gebaut – für einen Bruchteil des Geldes.