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Kinderpornos für Mutti?

Der Fall einer Radebeulerin zeigt, wie schnell auch Unschuldige in die Fänge der Justiz geraten können.

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© Arne Dedert/dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Jeweils zwischen fünf und sechs Verhandlungen wegen des Besitzes und des Verbreitens von Kinderpornografie gab es in den vergangenen Jahren am Amtsgericht Meißen. Stets waren die Angeklagten Männer. Nun aber wird dies einer Frau vorgeworfen. Die 47-jährige Radebeulerin, die verheiratet ist und einen Sohn hat, soll insgesamt fünf derartige Fotos auf Rechnern gehabt haben. Kinderpornos für Mutti?

Die Staatsanwaltschaft ist davon jedenfalls überzeugt, erlässt einen Strafbefehl, also ein schriftliches Urteil ohne Verhandlung. Doch dagegen geht die Radebeulerin in Einspruch. Zur Verhandlung, die jetzt am Amtsgericht Meißen stattfand, erschien sie aber nicht. Sie ließ sich von einem Anwalt vertreten, gab diesem eine entsprechende Vollmacht. Das ist möglich in Verfahren, bei denen es um Einsprüche gegen einen Strafbefehl geht. Ansonsten gilt für Angeklagte in Strafverfahren Anwesenheitspflicht.

Die Verhandlung wird zeigen, wie schnell man in Deutschland in die Fänge der Justiz geraten kann. Die Polizei hat herausgefunden, dass auf drei Computern – einem Laptop, einem PC und einem Tablet – , die sich in der Wohnung der Familie befanden, insgesamt fünf Kinderpornos gespeichert waren, also Fotos von Personen, die jünger als 14 Jahre sind und sexuelle Handlungen vornehmen. Es folgte eine Wohnungsdurchsuchung, alle drei Computer wurden beschlagnahmt. Die Geräte wurden in der Küche und im Kinderzimmer gefunden. Doch die Frau streitet ab, irgendetwas mit den verbotenen Bildern zu tun zu haben.

Zur Verhandlung wird extra ein Gutachter und Computerexperte aus München eingeflogen. Er fand heraus, dass alle drei Computer zwar Benutzerkonten hatten, diese aber nicht mit einem Passwort geschützt waren. Das heißt, jeder, der sich in der Wohnung befand, hatte Zugriff auf die Computer, also auch der Ehemann, der Sohn, aber auch alle anderen Personen, die sich zur Tatzeit im Jahr 2014 in der Wohnung aufhielten. Doch wie kam die Staatsanwaltschaft darauf, dass die Frau die Täterin war? Das lag wohl daran, dass der Name des Benutzerkontos „frau“ lautete.

Von den fünf Fotos waren drei gelöscht, zwei weitere befanden sich im Browserverlauf. Doch trotz der Löschung konnten die Dateien nachgewiesen werden. Das Verschieben von Dateien in den Papierkorb reicht eben nicht, um sie von der Festplatte zu entfernen. Das Leeren des Papierkorbes genügt ebenfalls nicht. Auch dann sind die Dateien noch vorhanden, in einem speziellen Ordner abgelegt und als „gelöscht“ markiert.

„Mit dem normalen Betriebssystem kann der Nutzer dann nicht mehr auf die Dateien zugreifen. Dazu sind bestimmte Kenntnisse und spezielle Software notwendig“, erklärt der Gutachter. Über diese Kenntnisse und Software verfügen Computerspezialisten – und die Polizei. Dass sich auf den Rechnern kinderpornografisches Material befand, kann also nachgewiesen werden. Nicht nachzuweisen ist jedoch, wie, wann und durch wen die Dateien auf die Rechner geladen wurden.

So muss die Angeklagte freigesprochen werden. Sie erhält die beschlagnahmten Computer zurück, aber nicht nur das: Für die Strafverfolgungsmaßnahmen wie die Wohnungsdurchsuchung sprach das Gericht der Radebeulerin eine Entschädigung zu.