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Kein Freiraum im Elbtal mehr

Das Gelände an der Leipziger Straße wurde geräumt und ist jetzt Baustelle. Der Abrissbagger ist schon angerollt.

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© Norbert Millauer

Von Kathrin Kupka-Hahn und Klemens Deider

Trommelnd auf den Barrikaden: Laut und friedlich protestierten am Freitagmorgen etwa 200 Menschen gegen die Räumung des Grundstückes an der Leipziger Straße 33. Dort arbeiteten Künstler und Kreative jahrelang im Verein Freiraum Elbtal. Einige der Demonstranten hatten sich auf dem Gelände verbarrikadiert. Polizisten durchstreiften später das Areal. Darauf möchte Investorin Regine Töberich ihr Luxuswohnprojekt Marina Garden errichten. Mittags rückte auch ein Bagger an. Die Räumung des Grundstückes war schon seit Monaten bekannt. Für Freitagmorgen hatte sich der Gerichtsvollzieher angekündigt. Doch weit kam er nicht.

Räumung des Freiraums Elbtal

Polizisten führen einen Gegner der Räumung ab.
Polizisten führen einen Gegner der Räumung ab.
Der Mann hatte sich zuvor am Eingangstor angekettet.
Der Mann hatte sich zuvor am Eingangstor angekettet.
Aktivisten besetzen ein Dach auf dem Gelände des Freiraums Elbtal.
Aktivisten besetzen ein Dach auf dem Gelände des Freiraums Elbtal.
Eines der prominentesten Gesichter des Freiraums Elbtal: der Fotograf, Aktivist und Lebenskünstler Lothar Lange.
Eines der prominentesten Gesichter des Freiraums Elbtal: der Fotograf, Aktivist und Lebenskünstler Lothar Lange.
Auch auf der Leipziger Straße ist der Protest gegen die Räumung zu sehen.
Auch auf der Leipziger Straße ist der Protest gegen die Räumung zu sehen.
Stimmungsbild auf der Leipziger Straße.
Stimmungsbild auf der Leipziger Straße.
Die Aktivisten verbarrikadieren sich.
Die Aktivisten verbarrikadieren sich.
Eine Barrikade aus Sperrmüll und alten Fahrrädern.
Eine Barrikade aus Sperrmüll und alten Fahrrädern.
Diese Trommler geben den Protestbeat vor.
Diese Trommler geben den Protestbeat vor.
Am Mittag rückte ein Bagger an und begann mit ersten Abrissarbeiten.
Am Mittag rückte ein Bagger an und begann mit ersten Abrissarbeiten.
Nach der Beräumung der Barrikade macht sich der Bagger an einem Gebäude zu schaffen.
Nach der Beräumung der Barrikade macht sich der Bagger an einem Gebäude zu schaffen.
Menschen verschanzen sich auf Dächern.
Menschen verschanzen sich auf Dächern.
Martialisch uniformiert verschafft sich die Polizei Zutritt zum Gelände.
Martialisch uniformiert verschafft sich die Polizei Zutritt zum Gelände.
Ein Sympathisant verbarrikadiert einen weiteren Zugang.
Ein Sympathisant verbarrikadiert einen weiteren Zugang.
Polizeibeamte begutachten das Gelände.
Polizeibeamte begutachten das Gelände.
Der Linke-Stadtrat und Landtagsabgeordnete André Schollbach wollte die "parlamentarische Kontrolle" übernehmen, musste das Gelände aber schon bald wieder verlassen.
Der Linke-Stadtrat und Landtagsabgeordnete André Schollbach wollte die "parlamentarische Kontrolle" übernehmen, musste das Gelände aber schon bald wieder verlassen.
Gute Stimmung bei der Percussiongruppe.
Gute Stimmung bei der Percussiongruppe.
Blick auf den einstigen Freiraum.
Blick auf den einstigen Freiraum.
Der Gerichtsvollzieher (Mitte).
Der Gerichtsvollzieher (Mitte).
Versammlung von Freiraum-Sympathisanten ...
Versammlung von Freiraum-Sympathisanten ...
... beim "Protestfrühstück" auf dem Alexander-Puschkin-Platz am frühen Morgen.
... beim "Protestfrühstück" auf dem Alexander-Puschkin-Platz am frühen Morgen.
Viele Gegner der Räumung verschanzen sich auf Dächern.
Viele Gegner der Räumung verschanzen sich auf Dächern.
Die Polizei räumt die Barrikaden wieder ab.
Die Polizei räumt die Barrikaden wieder ab.
Polizisten auf dem Gelände.
Polizisten auf dem Gelände.
Im Großen und Ganzen blieb die Stimmung während der Räumung friedlich und "seifenblasig".
Im Großen und Ganzen blieb die Stimmung während der Räumung friedlich und "seifenblasig".
Eine Demonstrantin kletterte in einen Baum. Das störte allerdings den Eigentümer nicht, auf dem Gelände erste Abrissarbeiten zu beginnen.
Eine Demonstrantin kletterte in einen Baum. Das störte allerdings den Eigentümer nicht, auf dem Gelände erste Abrissarbeiten zu beginnen.

Dutzende Protestierende hatten etwas dagegen. Mit Sofas und Sitzblockade versperrten sie seit 8 Uhr den Weg. Die Percussion-Band Rhythm of Resistance unterstützte mit Trommelfeuer. Ein Protestierender hatte sich an das Tor gekettet. Nur wenige Meter weiter am Alexander-Puschkin-Platz hatten Unterstützer des Vereins Freiraum Elbtal zum Protestfrühstück eingeladen.

Die letzten Mitglieder des Vereins hatten das Gelände, das sich zwischen Leipziger Straße und Elbe befindet, bereits am Freitagmorgen verlassen und gegen 8.30 Uhr dem Gerichtsvollzieher formlos übergeben. „Ich hoffe, das wurde als Übergabe anerkannt, denn wir haben ihm nichts Schriftliches überreicht“, sagt Vereinssprecher Tom Herold.

Für viele der Demonstranten zählte es anscheinend nicht als Übergabe, weshalb sie sich auf dem Gelände verbarrikadierten. Sie schichteten alles, was nicht niet- und nagelfest war, übereinander: Holzkisten, Wellblechstücke und Kühlschränke. Einige hatten sogar einen alten blauen Citroen in den Weg geschoben. Meter für Meter räumten sich die Polizisten den Weg durch das Gelände frei. Sie forderten Verbliebene auf, zu gehen. Einige flüchteten auf Dächer der zahlreichen Gebäude auf dem Grundstück. Nachmittags wurden sie mit einer Feuerwehrleiter heruntergeholt.

Da das Tor von der Leipziger Straße versperrt war, schnitten die Polizisten mit dem Bolzenschneider ein Loch in den Zaun, „befreiten“ den Angeketteten und nahmen ihn vorübergehend in Gewahrsam. Während sich die Besetzer auf dem Gelände vor der Polizei Richtung Elbe zurückzogen, rückte von der Leipziger Straße ein Bagger an. Bis zum Nachmittag hatte er mehrere Gebäude auf dem Grundstück abgerissen. Vermutlich sollte so verhindert werden, dass das Areal nach der offiziellen Räumung wieder bezogen wird.

Sichtlich bewegt verfolgten die Mitglieder des Freiraum Elbtals das Geschehen. Stadträtin Jaqueline Muth (Linke), die bis vor Kurzem selbst auf dem Gelände als Künstlerin tätig war, befürchtet, dass das Grundstück in den kommenden Monaten wieder zur Brache verfällt. Die Räumung hält sie, wie viele ihrer Mitstreiter auch, momentan für überflüssig. „Schließlich können noch Jahre vergehen, bis hier gebaut wird. Eigentümer und Investor wollen hier ein Exempel statuieren“, so Muth.

Anwalt André Leist, Vertreter der Grumbt-Erbengemeinschaft, die bisher Eigentümer des Freiraum-Geländes war, zeigte sich von dem massiven Protest sichtlich überrascht. „Ich finde das echt schade“, sagte er. Leist hatte ebenso wie der anwesende Vertreter von Regine Töberich gehofft, dass die Räumung reibungsloser abläuft. Rund 100 Polizisten waren dafür bis 16 Uhr im Einsatz.

Wie es mit dem Verein Freiraum Elbtal weitergeht, ist unklar. Die Kreativen hoffen darauf, an die Elbe zurückkehren zu können. Laut aktuellem Stadtratsbeschluss könnten sie das, und zwar im geplanten Puschkin-Park.