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Kaputte Unterwelt

In vielen Feldern und Wiesen liegen Drainagen – in der DDR verlegt, gibt es nach 30 Jahren einen riesigen Reparaturstau.

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© Arndt Zimmermann

Von Udo Lemke

Nossen. Spätestens dann, wenn sich auf einem ebenen Feld plötzlich große Pfützen zeigen, die immer wieder kommen, ist etwas kaputt gegangen. In vielen Feldern und Wiesen liegen in mindestens 70 Zentimeter Tiefe Drainagen. Die älteren sind runde oder sechseckige Tonrohre, die neueren Plastschläuche. Die Tonrohre sind plan aneinandergelegt, herabsickerndes Wasser dringt durch die Stöße und wird zu den sogenannten Vorflutern, das sind Bäche oder Gräben, abgeführt und gelangt von dort aus in die größeren Flüsse. Die Plasteschläuche weisen an der Oberseite kleine Perforationen auf, durch die das Wasser ins Rohrinnere gelangen kann.

Das Foto zeigt ein vernässtes Feld, in dem die Drainagen, die das Wasser abführen, zerstört sind.
Das Foto zeigt ein vernässtes Feld, in dem die Drainagen, die das Wasser abführen, zerstört sind. © Apus System

Bis 1990 wurde auf dem Gebiet der ehemaligen DDR so ziemlich jedes brauchbare Stück Land auf diese Art und Weise entwässert. Der Grund: Die DDR musste auf Eigenversorgung setzen, da aus Devisenmangel kaum Getreide, Kartoffeln und andere Feldfrüchte und so gut wie gar kein Tierfutter eingeführt werden konnten. Um Ackerfläche und Weideland zu gewinnen, wurden in großem Maßstab Flächen melioriert, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern.

Jüngere Mitbürger wissen meist nicht mehr, was Melioration bedeutet. Es heißt schlicht Verbesserung und wurde in der DDR als Begriff für die oben beschriebenen Trockenlegungen im Sinne von Bodenverbesserung benutzt. Schlimmer als dieser Verlust ist der Verlust an Wissen unter den Landwirten. Nach 1990 wurden die Meliorationsgenossenschaften aufgelöst, die verlegten Drainagen nicht oder nur unzureichend gepflegt und das Meliorationskataster aufgelöst.

Das hat dazu geführt, dass heute viele Landwirtschaftsbetriebe nicht mehr wissen, wo auf ihren Flächen Drainagen liegen. Es gibt einen gigantischen Reparatur- und damit Investitionsstau, was die Melioration betrifft. Denn, werden die Drainagen nicht gepflegt, das heißt, gespült, weil sich Sedimentteilchen absetzen, verstopfen sie irgendwann und die Pfützen auf dem Feld sind die Folge. Viele Drainagen sind kaputt gegangen und müssen erneuert werden. Was sich derzeit unter vielen Äckern und Wiesen abspielt, ist eine mittlere Katastrophe.

Hinzu kommt, dass es mittlerweile keine Lehrausbildung, keinen Studiengang und auch kaum Forschung zum Thema Melioration mehr gibt und die alten Hasen in den Genossenschaften und Einzelbetrieben langsam in Rente gehen. Dabei sind in Sachsen von rund einer Million Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 203 000 Hektar melioriert, was 22,5 Prozent entspricht. Wie groß der Bedarf nach Information ist, zeigte eine Fachtagung zum Thema vor Ostern im Landwirtschaftszentrum Nossen. Dazu waren 165 Landwirte aus Mitteldeutschland, der Schweiz und Tschechien angereist.

Mario Hehne, Geschäftsführer der Dresdner Firma Apus Systems, erläuterte moderne Methoden, um etwa alte Drainagesysteme wieder aufzufinden. Anhand von Bodenverfärbungen in Kombination mit noch vorhandenen Karten lassen sich mittels Drohnenbefliegungen die Drainagesysteme wieder rekonstruieren. Seine Firma war 2006 die erste, die eine Drohnenlizenz in Deutschland erhalten hatte.

Apus Systems bietet Interessenten an, betriebliche Kataster zu erarbeiten, um einen Überblick über die vorhandenen Drainagen zu erhalten. Sie engagiert sich in der Ausbildung, so werden etwa an der Landwirtschaftsschule Großenhain wieder Lektionen zu Melioration gehalten. Mario Hehnes Fazit: „Wir lassen die Landwirtschaft nicht untergehen!“