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Kampf um einen Zebrastreifen

Der Landkreis will im Herbst einen Überweg in Tharandt entfernen. Doch in der Stadt formiert sich Widerstand.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Tharandt. An diesem Streifen scheiden sich die Geister. Der Fußgängerüberweg auf der Freiberger Straße in Tharandt sorgt schon seit Längerem für Diskussionen. Nachdem im Oktober 2016 eine Tharandter Seniorin an dem Zebrastreifen von einem Auto erfasst und tödlich verletzt worden war, hat die Verkehrsbehörde des Landkreises entschieden, den Überweg zu entfernen. Dort, wo er ist, könne er nicht bleiben. Auch eine andere Position komme für den Überweg nicht infrage. Stattdessen sollen ein Blitzer und Tempo 30 auf der Straße für mehr Sicherheit sorgen. Beides, also 30 km/h und ein Zebrastreifen, würden sich zusammen „nicht vertragen“, erklärte jüngst der Beigeordnete Heiko Weigel im SZ-Interview. Noch im Herbst will das Landratsamt die neue Regelung umsetzen. Die Entscheidung der Verkehrsbehörde stößt nun in Tharandt auf Widerstand.

© Koerner, Heidemarie

Die Einwohner der Forststadt wollen den Zebrastreifen behalten. Schließlich führt er schon seit Jahrzehnten an dieser Stelle über den Asphalt. Quer durch die Stadt kursieren nun deshalb E-Mails und Kurznachrichten, die dazu aufrufen, sich nochmals dafür auszusprechen, den Überweg zu erhalten. Der Zebrastreifen, so der Tenor, sei nicht nur wegen seiner selbst zu retten. Eltern nutzen die Querung, um mit dem Nachwuchs zur Kindertagesstätte auf die Heinrich-Cotta-Straße zu laufen. Auch die Erzieher der Kita müssen mit den Kindern hier über die Straße, wenn sie zum Sportsaal der örtlichen Grundschule wollen, heißt es.

Außerdem wird der Überweg jeden Tag von den Schulkindern betreten, die früh morgens zum Evangelischen Gymnasium auf den Schulberg wollen und nachmittags wieder zurücklaufen. Deshalb hat auch die Schulleitung kürzlich eine schriftliche Stellungnahme im Tharandter Rathaus eingereicht, die an die zuständige Verkehrsbehörde des Landkreises weitergereicht wird. „Wir brauchen den Zebrastreifen unbedingt“, sagt Schulleiter Volker Gaitzsch.

Er könne bestätigen, dass viele Schüler den Überweg nutzen, nicht nur fußläufig vom Elternhaus. Auch diejenigen, die mit dem Schulbus aus Richtung Grumbach ankommen, würden an der Haltestelle Talmühlenstraße an der Roßmäßlerstraße aussteigen, über die dortige Einmündung entlang der Amtsgasse laufen und schließlich über den Zebrastreifen die Freiberger Straße in Richtung Schulhaus überqueren.

Wo sollen sie künftig sicher über die Staatsstraße, wenn nicht über den Überweg? Auch Volker Gaitzsch ist ratlos. An der Kreuzung von Roßmäßlerstraße und Freiberger Straße gibt es weder einen Fußgängerüberweg noch eine Mittelinsel oder Fußgängerampel. Der Verkehr kommt hier aus drei verschiedenen Richtungen. Vor allem zu Zeiten des Berufsverkehrs, wenn viele Auswärtige durch Tharandt fahren, ist es in diesem Bereich fast unmöglich, sicher die Straßenseite zu wechseln.

Sollten Schüler mit dem Bus anreisen, müssten sie in Zukunft eine Haltestelle weiter fahren, also an der alten Post aussteigen und entlang des Schulberges hinauf zum Gymnasium laufen. Von der bisherigen Haltestelle ausgehend gäbe es mit dem Wegfall des Zebrastreifens keinerlei Möglichkeit mehr für die Schüler, sicher die Straßenseite bis zum Schulhaus zu wechseln. Doch an den Zebrastreifen haben sich nicht nur die Schüler gewöhnt. „An der Haltestelle zur Talmühlenstraße steigen die Schüler auch deswegen aus, weil viele andere dort zusteigen, die nach Freital weiterfahren“, erklärt der Tharandter Schulleiter. So werde das Gerangel im Bus vermieden.

Sein Wunsch ist es deshalb im Sinne der Gymnasiasten, den Zebrastreifen an der Freiberger Straße zu belassen und lediglich Tempo 30 wieder einzuführen. Einen Blitzer an dieser Stelle hält Gaitzsch für wenig hilfreich. „Eine Tafel, welche die Geschwindigkeiten der Fahrzeuge anzeigt und so zur Vorsicht mahnt, erzielt aus meiner Sicht eher Wirkung“, sagt er. Gerade ortsunkundige Fahrer könnten einen Blitzer eher übersehen und durchrasen. Das spüle zwar Geld in die Kasse des Landkreises. Es sorge aber nicht dafür, dass Fußgänger sicher über die Straße kommen.

Auch die Tharandter Rathausspitze plädiert für den Fußgängerüberweg und Tempo 30 an der Freiberger Straße. Für Letzteres setzten sich die Tharandter bereits ein, als der Landkreis 2014 Tempo 30 an der Freiberger Straße entfernte und damit 50 km/h zuließ. Die Forderungen der Tharandter blieben ungehört – bis zu dem tödlichen Unfall. Erst dann wurde die Verkehrssituation vor Ort genau untersucht.

Nun habe die Stadt Tharandt nochmals alle „mit der bisherigen Diskussion befassten Initiativen und Gremien um Meinungsäußerung gebeten“, erklärt Ordnungsamtschef Holger Jakob. Demnächst werde sich der Stadtrat nochmals abschließend im Sinn der Tharandter zur Verkehrssituation positionieren. Ziel der Stadt sei es, diese Entscheidung nicht über die Köpfe der Tharandter hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen zu treffen. Die Argumentation des Landkreises, Tempo 30 und ein Fußgängerüberweg seien verkehrsrechtlich nicht zulässig, will die Stadt nicht akzeptieren. Diese Situation bestünde beispielsweise auch an der Richard-Wagner-Straße in Graupa. Warum also nicht auch wieder in Tharandt, so wie Jahre zuvor?