Merken

Kamenzer Stadtrat soll ins Gefängnis

Martin Schwarz (vormals NPD) hat Tausende Dateien mit Kinderpornografie gespeichert. Wie will er das abstreiten?

Teilen
Folgen
© dpa/Uwe Zucchi

Von Frank Oehl

Kamenz. Die kurze kommunalpolitische Karriere des Kamenzer Stadtrates Martin Schwarz (Bürgervereinigung für Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung) ist zu Ende. Das Amtsgericht Kamenz verurteilte den 34-Jährigen am Mittwochnachmittag zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten – ohne Bewährung. Damit hat der junge Mann im juristischen Sinne seine Wählbarkeit verwirkt. Von moralischen Aspekten mal ganz abgesehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Er wolle mit seinem Rechtsanwalt die Berufungsmöglichkeit beraten, sagte er nach dem Gerichtsprozess auf SZ-Nachfrage. Am Kern der Vorwürfe, die ganz erheblich sind, dürfte dies nicht viel ändern.

Dem Kamenzer wird die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornografie vorgeworfen. Er war bei verdachtsunabhängigen Routinekontrollen im Netz aufgefallen, was zu einer Hausdurchsuchung in den Morgenstunden des 16. Juni 2016 geführt hatte. Die Ermittler der Kriminalpolizei-Inspektion Görlitz weckten den Verdächtigen und nahmen sämtliche IT-Technik mit. Die Beweismittel wurden zu Gutachter Prof. Dr. Peter Scholz geschickt. Und siehe: Auf einer eingebauten Festplatte, zwei externen Festplatten und auch einer CD-Rom (mit der Aufschrift „KP“) fand sich verbotenes Material. Sogar jede Menge!

Umfangreiche Anklageschrift

Die Anklageverlesung in der bereits zweiten Hauptverhandlung – die erste fand am 19. Mai dieses Jahres statt – dauerte fast 20 Minuten. Und sie umfasste sogar nur einen Bruchteil des strafwürdigen Materials. Insgesamt wurden mehr als 4 000 Dateien (!) kinderpornografischen Inhalts entdeckt. Nicht gelöscht oder überschrieben, sondern in leicht zugänglichen Ordnern wie „privates.martin“ zusammengefasst. „Inzestvirgin“, „Childporn“, „Lolitaguide“ oder „FKK Kiddy“ waren noch die harmloseren, aber dennoch eindeutigen Titel. Es ging um Kindesmissbrauch in drastischem Ausmaß, dessen Beschreibung an dieser Stelle unterbleibt. Selbst Kleinkinder waren betroffen.

Und das laut Anklage besonders Verwerfliche: Der 34-Jährige nutzte auch ein Tauschbörsenprogramm. Was man hier herunter lädt, wird massenhaft im Netz verteilt. Und die „Verbreitung kinderpornografischer Schriften“ wird laut Strafgesetzbuch mit einer Haftstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren belegt. Der Gesetzgeber bestraft damit die Tatsache hart, dass durch den Tausch oder die Weiterverbreitung von Kinderpornografie der Missbrauch erst richtig angeheizt wird. Mit allen dramatischen Folgen für Minderjährige weltweit. Dies müsste dem 34-Jährigen mit kommunalpolitischen Ambitionen eigentlich klar sein.

Angeklagter zeigt keine Einsicht

Ist es aber offensichtlich nicht. Jedenfalls zeigte er keinerlei Einsicht. Schon im Mai hatte sich Martin Schwarz auf eine völlig abwegige Verteidigungsstrategie zurückgezogen. Das indizierte Material kenne er gar nicht, offenbar habe man ihm dies untergeschoben. Möglicherweise über den offenen WLAN-Router, den er auf Wunsch des Vermieters seiner Zweiraumwohnung habe eingerichtet. Oder durch einen Hackerangriff böswilliger Kräfte.

Gutachter Dr. Scholz hatte die weite Anreise auf sich genommen, und dem Angeklagten hätte klar sein können, worauf die erneute Verhandlung im Amtsgericht am Ende hinauslaufen würde. „In 15 Jahren meiner Tätigkeit ist mir ein erfolgreicher Hackerangriff, mit dem kinderpornografisches Material auf einen fremden Rechner hochgeladen wird, nicht untergekommen.“ Wer sollte diesen enormen technischen Aufwand betreiben, um Herrn Schwarz zu schädigen, fragte Dr. Scholz. Und vor allem: Mit welchem Motiv? Der Gutachter bot an, das Beweismaterial gern noch einmal nach Spuren dieser Herausrede abzusuchen. Und beim offenen WLAN würden Daten nur auf das eigene, mitnutzende Endgerät heruntergeladen. „Die WLAN-Einlassung kommt ab und an in solchen Prozessen“, sagte Dr. Scholz, der klar machte, dass er sie für absurd hält. Damit war die Beweisaufnahme beendet.

Bewährung, Freispruch oder Haft?

Die Staatsanwaltschaft forderte angesichts des riesigen Umfangs weiter verbreiteter Kinderpornografie eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten – ausgesetzt auf Bewährung, auch, weil der Angeklagte nicht vorbestraft sei. Die Verteidigung forderte Freispruch, weil – siehe „Hackerangriff“ – ja der letzte Zweifel an der Schuld des Mandanten nicht ausgeräumt sei. Amtsrichter Eckhard Laschewski hatte schon im Mai dem Angeklagten klar machen wollen, dass er nur ein Schuldeingeständnis und Reue angesichts der offensichtlich bewiesenen Vorwürfe als Milderungsgründe akzeptieren wolle. Er verurteilte Martin Schwarz zu 14 Monaten Haft – ohne Bewährung. Wenn das Urteil rechtskräftig ist, muss der Stadtrat ins Gefängnis.

Aber selbst, wenn sich das Ganze noch in die Länge ziehen sollte und womöglich doch Bewährung herauskäme, würde dies am verwirkten Stadtratsmandat nichts mehr ändern. Die Wählerschaft wird es verschmerzen: Schwarz war am 25. Mai 2014 auf der NPD-Liste mit lediglich 140 Stimmen als Nachrücker für Mario Ertel (1 114 Stimmen), der nach der Wahl zurückzog, in den Ratssaal gewählt worden. Der NPD gehört er nicht mehr an.