Merken

Kahlbaum-Zentrum am Scheideweg

Seit Monaten lähmen sich Eigentümer und Kapitalgeber gegenseitig. Nun muss eine Entscheidung her.

Teilen
Folgen
© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Dass die Evangelische Oberschule in neun Monaten in das Turmhaus der früheren II. Medizinischen Klinik an der Querstraße einziehen wird, darauf weist im Moment wenig hin. Gewiss, das Gebäude ist entkernt. Aber ansonsten gehört viel Fantasie dazu, sich Schüler und Lehrer in Klassenzimmern lernend oder in der Bibliothek büffelnd vorzustellen. Doch Michael Hölzel aus Köln versichert, dass es so kommen wird. „Pünktlich zum neuen Schuljahr wird die Schule in ihre neuen Räume einziehen können“. Wenn er zum Zuge kommt. Michael Hölzel könnte der neue starke Mann im Kahlbaum-Zentrum sein, das auf dem Gelände der früheren Medizinischen Klinik zwischen Querstraße und Kahlbaum-Allee entstehen soll. Seit einigen Monaten betreut er das Vorhaben. Betreuen heißt in dem Fall: es retten.

So soll die alte Kaserne in einem Dresdner Stadtteil künftig aussehen. Auch hier ist Hagen Grothe engagiert, die Ansicht und Planung stammt vom Görlitzer Architekten Christian Weise.
So soll die alte Kaserne in einem Dresdner Stadtteil künftig aussehen. Auch hier ist Hagen Grothe engagiert, die Ansicht und Planung stammt vom Görlitzer Architekten Christian Weise. © Architekturbüro Weise

Ob es so kommt, wird sich in dieser Woche entscheiden. Seit Monaten ringen Eigentümer, Kapitalgeber und Juristen im Hintergrund um das Projekt. Woche um Woche gehen Schreiben hin und her, werden Verträge auf- und Fristen gesetzt. Doch nun ist alles ausgereizt. Die Zeit drängt für alle: Eigentümer, Kapitalgeber, aber vor allem auch für die künftigen Nutzer. Die Evangelische Oberschule braucht genauso Gewissheit wie die Diakonie-Stiftung „Dienste für Menschen“ oder der Pflegedienst Kunze, die Pflegeheime, Betreutes Wohnen und eine große Küche in dem Gelände betreiben wollen.

Seit mehreren Jahren will der Görlitzer Immobilien-Projektentwickler Hagen Grothe das Kahlbaum-Zentrum verwirklichen. Als er das Grundstück 2013 erwarb, waren die Vorstellungen für ein geriatrisches und Demenzzentrum an dieser Stelle noch sehr lebendig. Jahrelang hatte der Görlitzer Amtsarzt Bernhard Wachtarz gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Steffi Weise die Idee eines solchen Zentrums in die politische Diskussion gebracht. Es sollte anknüpfen an die großen Traditionen, die mit dem Nervenarzt Karl-Ludwig Kahlbaum an dieser Stelle begründet wurden. Zusammen mit der Technischen Universität wurden Machbarkeitsstudien entwickelt, doch es fehlte immer ein Investor. Das Klinikum, dem das Grundstück gehörte, unterstütze zwar das Anliegen, investieren aber konnte das städtische Haus nie.

Das wurde anders, als Hagen Grothe das Gelände erwarb. Er verschrieb sich dem Kahlbaum-Zentrum und wollte das Anliegen von Wachtarz endlich Wirklichkeit werden lassen. Um das Grundstück zu erwerben und erste Planungen in Auftrag zu geben, holte er sich Geld von Dritten. Mit diesen Geldgebern aber zerstritt er sich im Laufe der Zeit. Grothe spricht davon, dass sie ihm das Grundstück nehmen wollten, um eigene Plätze voranzutreiben. Um ihre Forderungen einzutreiben, eröffneten sie die Zwangsverwaltung über das Grundstück. Sie besteht noch heute.

Die Situation war spätestens im Frühsommer dieses Jahres völlig verfahren. Obwohl Hagen Grothe gegenüber der SZ immer wieder betonte, er werde alle Forderungen der Geldgeber bedienen, blieben sie teilweise oder ganz unerfüllt. Stattdessen liefen juristische Auseinandersetzungen weiter, die letztlich gegen ihn ausgingen. Das Landgericht Görlitz beispielsweise verurteilte ihn, weitere 255 000 Euro an Julia Kubis, eine Hamburger Immobilienentwicklerin, zu zahlen. Da hatte er an sie bereits 536 000 Euro überwiesen. Doch vor allem standen noch Zahlungen an zwei Londoner Geldgeber aus. Die Forderung wurde gegenüber der SZ mit mehr als einer Million Euro angegeben, sie steht im Grundbuch und verhindert damit, dass andere Darlehen eingetragen werden können.

Zu diesem Zeitpunkt kam Michael Hölzel und seine Kölner Firma vision 358 ins Spiel. Der 49-jährige Unternehmensberater hilft Firmen, die in der Bredouille stecken. Da geht es meist um Umschuldungen und Umstrukturierungen. Er selbst sagt, er würde die Dinge wieder vom Kopf auf die Füße stellen. So war es auch in Görlitz. Mit einer Generalvollmacht von Grothe ausgestattet, ging Hölzel ans Werk. Nach außen blieb Hagen Grothe der Projektentwickler. Im Juni holte er alle künftigen Mieter zusammen, sie erzählten von ihren Vorhaben, und zusammen mit Architekt Christian Weise erläuterte Grothe, wie der Bauablauf geplant ist, damit Mitte 2019 alles fertig ist. Ein erster Spatenstich wurde für August angekündigt, später auf den 18. September verschoben. Doch all diese Fristen verstrichen. Denn in der Zwischenzeit war deutlich geworden, so stellt es jedenfalls Hölzel dar, dass Hagen Grothe sich übernommen hatte. Neuere Kostenschätzungen kommen jetzt auch auf 23,5 statt 16 Millionen Euro für das gesamte Zentrum, mitsamt einem geplanten Neubau im Gelände.

Hagen Grothe selbst, von der SZ angefragt, ist im Moment nicht in der Lage, sich den Fragen der Zeitung zu stellen. Dabei spielt auch ein zweites großes Immobilienprojekt Grothes eine Rolle: der Kastanienpark in Dresden. Mit seiner Firma Bauträger CBH will er Teile einer alten Kaserne im Dresdner Stadtteil Übigau wieder mit Leben füllen. Die Kaserne gehört einem privaten Eigentümer, der bedient sich einer Hamburger Firma, die die Eigentumswohnungen verkauft. Sobald Wohnungen verkauft sind, saniert sie CBH. Kostenpunkt: 30 Millionen Euro. Allerdings ist die Vermarktung der Wohnungen schwer, das Projekt kommt nicht so recht vom Fleck.

Hölzel will nun in beide Projekte einsteigen. Mittlerweile hat er einen Generalauftragnehmer, die Alpha Projektbau in Köln, ins Spiel gebracht. Die wiederum hat über die Essener Firma Zogaj-Bau in den vergangenen Wochen weitere Entkernungen vorgenommen. Auf rund eine Million Euro beziffert Alpha Projektbau die bisherigen Aufwendungen, die das Unternehmen nun von Grothe einfordert.

Genau an dem Punkt stehen nun alle Seiten. Hölzel und Alpha Projektbau bestehen auf einer Entscheidung, haben sowohl mit der Stadt als auch mit allen künftigen Mietern des Kahlbaum-Projektes gesprochen. Nun hängt alles von Hagen Grothe ab. Gibt er das Vorhaben ab? Hat er eine andere Lösung? Gibt es noch eine weitere überraschende Wendung in diesem Endlosprojekt? In dieser Woche werden wir es erfahren. Sonst ist das Kahlbaum-Zentrum nur noch Geschichte.