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Kaffee und Informationen gegen die Angst vor Randale

Auf ihrem Wochenmarkt können Ostritzer über ihre Sorgen vor dem Neonazi-Wochenende im April sprechen. Und Infos holen.

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© Rafael Sampedro

Von Frank Seibel

Ostritz. Manchmal muss man sich entscheiden: Dach oder Wände. „Wir hatten Sorge, dass die Tapete aufweicht“, sagt Matthias Hayn, als er ein schmuckloses kleines Zeltdach auf dürren Metallstreben aufspannt. Darunter ein Stehtisch, eine große Thermoskanne mit heißem Kaffee. So richtig gemütlich sieht das nicht aus auf dem Marktplatz von Ostritz an diesem Mittwochvormittag. Dabei hatten die Organisatoren des Ostritzer Friedensfestes extra ein mobiles Wohnzimmer mit mehreren tapezierten Wänden aus Holz organisiert. Eine einladende Kulisse für Leute, die mal miteinander reden wollen.

Ein richtiges Wohnzimmer wurde es bei der Premiere nicht. Wegen Regengefahr wurde die Tapetenwand nur einmal kurz aus dem Lieferwagen geholt und probehalber aufgestellt. Andererseits: So richtig Wochenmarkt war ja auch noch nicht an diesem kalten, grauen Tag.

So dauert es eine ganze Weile, bis Matthias Hayn vom Akrobatikverein die ersten Gäste am Stand hat. Ältere Leute, skeptisch. „Warum wird das überhaupt genehmigt“, fragt ein alter Herr und meint das Neonazitreffen vom 20 bis 22. April auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“. Das ist eine Frage, die an diesem Vormittag immer wieder auftaucht. Matthias Hayn ist ein ruhiger, engagierter Mann, der sich viel mit den Prinzipien der Demokratie befasst hat. Weil die Rechten ihr „Schild und Schwert“-Festival als „Versammlung“ im Sinne einer (politischen) Kundgebung angemeldet haben, kann der Staat das nicht verbieten, sagt er seinen Ostritzer Mitmenschen an diesem Vormittag.

Anfangs machen fast alle Marktbesucher einen Bogen um den Stand. Später nähern sich einige vorsichtig. Ja, gehört habe man von dem, was da im April los sein wird. Aber ob sie zum Friedenfest kommen würden? Eine große Unsicherheit ist förmlich greifbar. Eine Frau mittleren Alters zeichnet geradezu apokalyptische Bilder: Feuer, zerstörte Fenster – „Was da über uns hereinbricht!“ Dabei wird immer wieder deutlich: Angst haben die Leute nicht so sehr vor den Neonazis, von denen sie annehmen, dass sie auf dem abgeschlossenen Gelände des Hotels am Bahnhof bleiben werden. Die Gegenveranstaltung der Linken auf der Lederwerkswiese löst mehr Angstfantasien aus. „Viele haben die Bilder von den Ausschreitungen beim G 20-Gipfel in Hamburg im Kopf“, sagt Melanie Kottek vom Organisationsteam fürs Friedensfest. „Ich glaube, wir können da der Polizei vertrauen“, sagt sie in solchen Fällen. Und Matthias Hayn warnt davor, bei „links“ nur an Radikale und „Chaoten“ zu denken.

Darum stehen die Organisatoren des Friedensfests nun viermal mittwochs auf dem Wochenmarkt. Sie laden ein zum Gespräch. Ängste und Ärger dürfen gezeigt werden. Und sie hoffen, mit vielen Informationen dagegen halten zu können. Ein buntes Stadtfest mit vielen Akteuren soll es werden vom 20. bis 22. April auf dem Marktplatz. Nicht unpolitisch, betont Melanie Kottek, aber eben nicht parteipolitisch.

Nicht radikal rechts, nicht radikal links – deshalb macht sich auch Andreas „Knacker“ Ebermann fürs Friedensfest stark. Die Vielfalt zwischen den politischen Polen, sagt er, soll sich im April zeigen. Am nächsten Mittwoch stehen sie wieder hier. Dann vielleicht wirklich mit dem mobilen Wohnzimmer.

www.ostritzer-friedensfest.de